Schöpfung: Biblisch-urgeschichtliche Geologie |
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Experten: Der kurze Zeitrahmen der Urgeschichte: Nur einige Jahrtausende |
In diesem Artikel wird erklärt, wie aus den Abstammungsregistern eine Größenordnung von einigen tausend Jahren für das Menschheitsalter abgeleitet werden kann. Weiter wird gezeigt, dass aus dem Anfang des Schöpfungsberichts kein Spielraum für ein zeitlich ausgedehntes Ereignis vor dem Sechstagewerk herausgelesen werden kann.
Bei diesem Text handelt es sich um eine biblische Exegese (=Auslegung), während naturwissenschaftliche Aspekte nicht hier behandelt werden.
Die Schöpfung in sechs Tagen (1. Mose 1)
Die Abstammungsregister (1. Mose 5 und 11)
Die drei Textformen bei den Abstammungsregistern
Abstammungsregister: Mit oder ohne Lücken?
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Ein auffälliges Merkmal der biblischen Urgeschichte ist der kurze Zeithorizont, den die Ereignisse zwischen Schöpfung (1. Mose 1) und Völkerzerstreuung (1. Mose 11) umspannen. Das soll anhand von drei Punkten gezeigt werden:
Gleich das erste Kapitel der Bibel (1. Mose 1) konfrontiert den Leser mit dem Kurzzeithorizont. Denn hier sind die Schöpfungswerke in den Zeitrahmen von nur 6 Tagen gestellt. Sind mit diesen Schöpfungstagen natürliche Tage gemeint? Oder können darunter längere Zeiträume (Erdzeitalter) verstanden werden? Der Textzusammenhang weist durch folgende Merkmale auf natürliche Tage hin:
Aus diesen Gründen vertreten auch historisch-kritische Alttestamentler zumeist, dass mit den Schöpfungstagen natürliche Tage gemeint sind. Dazu einige Beispiele: „Natürlich sind die ‚Tage’ Tage und nichts anderes“ (Gunkel 1910, S. 106). „Die sieben Tage wollen ohne Frage als wirkliche Tage ... verstanden werden“ (v. Rad 1987, S. 43). Es ist klar, dass der „Schöpfungsbericht mit seinen sieben Tagen an eine wirkliche Woche denkt und an wirkliche, normale Erdentage, an denen Gott seine Werke gemacht“ hat (Zimmerli 1967, S. 103).
Es müsste also aus dem Text belegt werden, dass es sich bei den Schöpfungstagen nicht um natürliche Tage handelt. Denn nach den Grundregeln des Textverständnisses sollte man nur dann vom buchstäblichen Sinn abweichen, wenn dafür zwingende Gründe im Text vorliegen (Möller 1997, S. 22).
Durch zwei detaillierte Abstammungsregister wird die Urgeschichte zeitlich gegliedert. Das erste Abstammungsregister reicht vom ersten Menschen (Adam) bis Noah und seinen Söhnen zur Zeit der Sintflut (1. Mose 5). Das zweite beginnt mit Sem, dem Sohn Noahs, und endet mit Abraham, dem Stammvater Israels (1. Mose 11,10-26).
Aber nicht allein die biblische Urgeschichte, auch das 1. Chronikbuch (Kap. 1) und das Lukasevangelium (Kap. 3,23-38) enthalten Abstammungsregister, die bis zum ersten Menschen (Adam) zurückgehen. Dabei handelt es sich keineswegs um unbedeutende Abschnitte der biblischen Bücher. Gerhard v. Rad (1987, S. 46) hebt hervor: Der Weg der Generationen in den Abstammungsregistern ist „nicht nur eine nebensächliche Verbindungslinie, sondern in seiner Eigenschaft als Zeitspanne von ganz bestimmter Dauer ein selbständiger Gegenstand der Darstellung“. Es geht im Gesamtzusammenhang der Urgeschichte unter anderem darum, mit den Abstammungsregistern „den Zusammenhang zwischen Schöpfung und folgender Menschheitsgeschichte nochmals ganz einwandfrei sicherzustellen“. Denn „die Schöpfung ist nicht etwas Geschichtsjenseitiges“ (Zimmerli 1967, S. 247).
In den Abstammungsregistern ist die Lebensdauer der Patriarchen angegeben, dazu ihr Alter zur Zeit der Geburt des ersten Sohnes. Daraus lässt sich die Gesamtzeit von Adam bis Abraham berechnen. Doch gibt es dabei zwei Hauptschwierigkeiten. Einmal, dass die Zahlen der Abstammungsregister der drei überlieferten Textformen unterschiedlich sind. Zum anderen stellt sich die Frage, ob die Patriarchen in den Abstammungsregistern lückenlos aufgezählt sind oder nicht. Diese beiden Fragen führen in komplexe Details der Textauslegung hinein. Im Folgenden können nur Einblicke in die Auslegungsdiskussion gegeben werden (für vertiefte Studien sei auf die Literatur verwiesen). Mit allem Vorbehalt soll dennoch eine eigene Position skizziert werden.
Die Abstammungsregister sind in drei Textformen überliefert: Erstens im hebräischen Alten Testament, das vom Judentum überliefert wurde (sog. masoretischer Text). Zweitens in den hebräischen 5 Büchern Mose; überliefert wurden sie (unabhängig vom Judentum) von der Gemeinschaft der Samaritaner (sog. samaritanischer Text). Drittens in der ebenfalls schon in vorchristlicher Zeit von jüdischen Gelehrten angefertigten griechischen Übersetzung des Alten Testaments (sog. Septuaginta-Text); sie wurde später von den Ostkirchen überliefert. Im Laufe der langen und vielfältigen Abschreibetätigkeit sind typische Schreib-, Hör- und Lesefehler in die Bibeltexte eingedrungen. Heute stehen ja nur Abschriften des Alten Testaments zur Verfügung, die handgefertigt wurden. Sie sind zum Teil Jahrhunderte jünger als die Originalhandschriften der biblischen Bücher. Doch ist das Ausmaß dieser durch Abschreibetätigkeit entstandenen textlichen „Unschärfe“ gering. Die Botschaft, die Hauptaussagen der einzelnen Bücher sind dennoch deutlich und klar (Dreytza, Hilbrands & Schmid 2002, S. 38).
Wie bereits erwähnt, weichen in den Abstammungsregistern (1. Mose 5 und 11) die Zahlenangaben deutlich voneinander ab Abb. 104.
In welcher Textform sind nun die Jahreszahlen zuverlässig überliefert? Darüber sind die Alttestamentler geteilter Meinung; für alle Textformen sind Argumente genannt worden. Es kann nicht sicher geklärt werden, welche Textform die ursprünglich(st)en Zahlenangaben hat. Allerdings scheinen die masoretischen Jahreszahlen die meisten Verfechter zu finden. An zweiter Stelle dürfte der Samaritaner stehen. Die Septuaginta-Zahlen fanden bis ins 19. Jahrhundert mehr Verfechter; heute werden sie offenbar von wenigen Auslegern bevorzugt.
Weiter stellt sich die Frage, ob die Abstammungsregister in 1. Mose 5 und 11 lückenlos sind oder ob Patriarchen ausgelassen wurden. Ein wichtiger indirekter Hinweis für Auslassungen ist die Ähnlichkeit der beiden Abstammungsregister in 1. Mose 5 und 11. In der Septuaginta ist die Ähnlichkeit besonders groß. Hier sind es in beiden Abstammungsregistern 10 Patriarchen; die letzten haben jeweils 3 Söhne. Das lässt vermuten, dass die Zahl der Patriarchen reduziert und aneinander angeglichen wurde (siehe unten zu Matthäus 1!). Der masoretische und samaritanische Text hat zwar 10 Patriarchen in 1. Mose 5, aber nur 9 in 1. Mose 11. Auch hier haben die jeweils letzten Patriarchen drei Söhne. Bei diesen Textformen ist die Ähnlichkeit von 1. Mose 5 und 11 also nicht ganz so ausgeprägt. Dennoch ist die große Ähnlichkeit im Aufbau der Abstammungsregister auch im masoretischen und samaritanischen Text nicht zu verkennen. Darauf haben auch viele Ausleger hingewiesen. Das gilt auch, wenn im Gegensatz zu 1. Mose 5 die Gesamtlebensdauer und die Todesnotiz der Patriarchen in 1. Mose 11 fehlt.
Zahlreiche konservative Alttestamentler führen innerbiblische Gründe dafür an, dass die Abstammungsregister wahrscheinlich lückenhaft und nicht als strenge Chronologie zu verstehen sind (angeführt bei Külling 1997, S. 27ff.). Es ist jedoch nicht statthaft, wegen des Fehlens von Patriarchen die Abstammungsregister von Genesis 5 und 11 unbegrenzt zu dehnen, ohne sie ihres Sinnes zu berauben. Nach Whitcomb & Morris (1977, S. 496) können kaum mehr als 5.000 Jahre für Zeit zwischen der Sintflut und der Zeit Abrahams veranschlagt werden.
Der Stammbaum Jesu in Matthäus 1. Ein wichtiger Anhaltspunkt für Frage nach Lücken in den Stammbäumen ist der Stammbaum Jesu in Matthäus 1,1-17. In V.8 heißt es: „Joram aber zeugte Usia“. Zwischen Joram und Usia fehlen drei Glieder, Ahasja, Joasch und Amazja, dazu kommt Jojakim. Dennoch wird in Matthäus 1,17 so deutlich wie irgend möglich zum Ausdruck gebracht: Es sind 14 Generationen von Abraham bis David, 14 von David bis zur Verschleppung nach Babylon und 14 von der Verschleppung nach Babylon bis Christus - obgleich mehrere Glieder ausgelassen wurden! Das zeigt zweifelsfrei der Vergleich mit der Genealogie in 1. Chronik 3,11f. Matthäus 1,17 spricht ausdrücklich von 3 mal 14 Generationen. Daraus müsste der unbefangene Leser auf Vollständigkeit der Genealogie schließen – und doch ist das nicht der Fall. Wir haben es in Matthäus 1 offensichtlich mit einer sowohl historischen als auch theologischen Darstellungsweise zu tun, die als solche unserer Kultur fremd ist. So gewiss es sich bei Matthäus um einen realen Stammbaum handelt, so gewiss enthält er aufgrund dieser Auslassungen zugleich eine theologische „Zahlensymbolik“ (Rothfuchs 1969, S. 100). Ähnliches kann für die Abstammungsregister in 1. Mose 5 und 11 geltend gemacht werden. Diese Darstellungsweise erscheint uns fremdartig; sie erschwert unser Verstehen solcher Bibeltexte.
Kann es sich bei den Schöpfungstagen auch um größere Zeiträume handeln?
Kann es sein, dass vor dem Beginn des (biblischen) Sechstagewerks eine große Zeitspanne liegt?
Für Gott ist ein Tag wie tausend Jahre – Ist das ein Argument für eine alte Schöpfung?
Autor: Manfred Stephan, 27.12.2007
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