Weiter ist kritisch zu bewerten: Der experimentelle Ansatz in Millers Simulationsexperiment (Abb. 115) ist ausgehend vom erwarteten bzw. erhofften Resultat (nämlich: biologisch bedeutsame Syntheseprodukte) konzipiert. Dies soll am Beispiel des Kohlenstoffs dargestellt werden: Kohlenstoff (C) wird in reduzierter Form als Methan (CH4) vorgegeben. Würde man den Kohlenstoff dagegen z.B. in Kombination mit Sauerstoff (O) als oxidierte Verbindung in Form von Kohlendioxid (CO2) einsetzen, so stünde der Kohlenstoff nicht für den Aufbau komplexer Moleküle zur Verfügung. Die Ursache dafür ist, dass CO2 eine sehr beständige Verbindung darstellt und erst mit entsprechendem Aufwand reduziert werden müsste.
Es müssten also präbiotische (=vor der Existenz von Leben) Mechanismen postuliert werden, die den oxidierten Kohlenstoff wieder reduzieren. Das ist zwar prinzipiell möglich, macht aber das Modell insgesamt komplizierter. Dies steht der Zielsetzung präbiotischer Modelle zur Lebensentstehung entgegen, nämlich von möglichst unspezifischen („primitiven") Bedingungen auszugehen.
Bis heute sind Versuche dieser Art unter vielfacher Variation der Gaszusammensetzung und -konzentrationen sowie der Energiequellen wiederholt worden. Im Artikel „Entstehung von Proteinen" werden die Resultate solcher Ursuppen-Simulationsexperimente vorgestellt und deren Bedeutung für die Modelle zur Lebensentstehung diskutiert.
Literaturhinweis: R. Junker & S. Scherer: Evolution – ein kritisches Lehrbuch. Giessen, 2001, Kapitel IV.8 |