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21.06.08  Dinohand zu Vogelflügel?

Ein kontroverses Thema der Evolutionsforschung ist die hypothetische stammesgeschichtliche Verbindung zwischen Theropoden-Dinosauriern und Vögeln. Dass die heutigen Vögel der letzte übriggebliebene Ast des Dinosaurier-Stammbaums sind, gilt für viele als nahezu bewiesen. Doch manche Merkmale sperren sich gegen diese Deutung. Dazu gehört der Bau der Dinohand, aus der der Vogelflügel evolutionstheoretisch abgeleitet wird. Henrik Ullrich hat die einschlägigen Arbeiten zu diesem Thema gesichtet und die Ergbnisse kürzlichin der Zeitschrift Studium Integrale Journal (http://www.wort-und-wissen.de/sij) veröffentlicht. Er kommt zum Ergebnis, dass die Befunde eine vielfältige und sehr kontroverse Deutung erlauben und kein klares Bild ergeben. Einmal mehr zeigt sich, dass je nach Perspektive verschiedene, sich widersprechende Homologiezuweisungen resultieren. (Zum Thema „Homologie“ siehe Ähnlichkeiten in der Morphologie und Anatomie) Ein Schlüssel zur Bestimmung der „korrekten“ stammesgeschichtlich relevanten) Homologie liegt aber nicht vor. Damit liefert der Vergleich von Dinohand und Vogelflügel keinen unabhängigen Beleg für eine gemeinsame Abstammung.

Wir veröffendlichen nachfolgend die Zusammenfassung seines Artikels.

Zusammenfassung: Die phylogenetische Ableitung der Vögel aus einer Gruppe der Theropoden-Dinosaurier zählt zu einem häufig zitierten und wichtigen Baustein in evolutionären Modellvorstellungen. Betrachtet man aber im Detail die dafür relevanten Befunde, trübt sich das scheinbar klare Bild schnell ein, denn die Befunde erlauben eine vielfältige und kontroverse Deutung. In diesem Artikel werden relevante Daten aus der Embryologie zur Gliedmaßenentwicklung bei Wirbeltieren vorgestellt. Deren Bedeutung für Homologiebetrachtungen und für kausale Erklärungsansätze im Rahmen moderner Evo-Devo Konzepte werden diskutiert. Die große Spannbreite der diesbezüglich in der Literatur äußerst kontrovers vertretenen hypothetischen Vorstellungen führt beim gegenwärtigen Stand des Wissens zu folgenden Schlussfolgerungen:

1. Es fehlt ein methodisch sicheres Kriterium, um aus mehreren möglichen Homologiezuweisungen auf der Basis embryologischer und paläontologischer Daten die phylogenetisch relevante zu extrahieren. Keine der vorgestellten Ansätze kann deshalb für sich ein höheres Maß an Plausibilität beanspruchen als andere. Die Homologiebeziehungen zwischen dem Vögelflügel und der vorderen Extremität von Dinosauriern bleiben unter phylogenetischer (=stammesgeschichtlicher)) Perspektive auch nach 150 Jahren Evolutionsforschung unklar.

2. Die kausalen Erklärungsversuche zur Entstehung des Grundbauplans des Vogelflügels auf der Grundlage der Synthetischen Evolutionstheorie sowie unter Rückgriff auf neue Ansätze der evolutionären Entwicklungsbiologie (Evo-Devo) sind als spekulative Extrapolationen von Details des verfügbaren embryologischen bzw. molekulargenetischen Wissens zu werten.

3. Alle vorgelegten Hypothesen zur Evolution des Vogelflügels sehen sich drei defizitären Situationen ausgesetzt: Fehlendes Wissen über Wirkmechanismen bzw. die Wechselbeziehungen von äußeren und inneren Selektionsdrücken auf den evolutionären Umbau der vorderen Extremität und die vielfach noch unverstandenen genetischen und epigenetischen Regulationskaskaden der Gliedmaßenentwicklung während der Individualentwicklung bei Wirbeltieren. Drittens muss offen gelassen werden, welche Kausalitäten den phylogenetischen Wandel ontogenetischer Entwicklungsprogramme bedingen und ermöglichen.

4. Die wissenschaftliche Klärung der homologen Beziehungen zwischen den Fingerstrahlen an Vogelflügeln und denen bei anderen Landlebewesen (insbesondere Echsen und Säugetieren) und ihre kausale Begründung bleibt eine der größten Herausforderungen für die Evolutionsforschung.

5. Das ontogenetische und phylogenetische Modellobjekt „Flügelentwicklung" ist exemplarisch für grundsätzliche Probleme und Grenzen der evolutionsgeleiteten Hypothesenbildung sowie darauf aufbauender Homologiebetrachtungen.“

Die neue Ausgabe von Studium Integrale Journal kann bei der Studiengemeinschaft Wort und Wissen bezogen werden (http://www.wort-und-wissen.de).


Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen, 21.06.08

 
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