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09.03.21 Die Frage nach der Entstehung von Arten – ein ZwischenrufDie Entstehung der Arten ist mit Charles Darwins berühmtem Buch ein grundlegender Denkansatz in evolutionären Konzepten. Bei der heutigen Kenntnis molekularbiologischer Zusammenhänge könnte man meinen, dass dieser Aspekt weitgehend geklärt sei. Drei Fachleute haben in einem Beitrag auf erfrischende Weise auf die Dinge hingewiesen, die wir derzeit nicht wissen. Drei Biologen, Evolutionsbiologen und Populationsgenetiker, haben einen Perspektiv-Beitrag in „Science“ mit der Titelfrage überschrieben: Wie viele genetische Veränderungen sind für die Entstehung neuer Arten erforderlich?“1 (Nosil, Feder & Gompert 2021). Sie eröffnen den Text mit dem Lehrbuchwissen, dass neue Arten die Vielfalt der Lebewesen bewirken und deren Neubildung oft evolutiv durch natürliche Selektion verursacht wird. Die folgende Feststellung aber lässt aufhorchen: Wie viele genetische Veränderungen zur Artbildung erforderlich sind, ist weitgehend unbekannt! Die Autoren führen verschiedene, von den Fachleuten diskutierte theoretische Modelle an. Wenn beispielsweise keine geographische Isolation im Spiel ist, erfolgt Artneubildung durch eine kleine Anzahl von Genen, was dem ausgleichenden Effekt durch den Genfluss (Vermischung) entgegenwirkt. Untersuchungen an Insekten und Pflanzen haben aber gezeigt, dass genetische Veränderungen in nur wenigen Bereichen des Genoms oft mit bestimmten Erscheinungsformen (Phänotyp) im Zusammenhang stehen und z.B. bei Schmetterlingen nur zu verschiedenen Morphen (Flügelmuster-Variationen), nicht aber zu neuen Arten führen. Nosil et al. führen auch die Buntbarsche (Cichlidae) an, in denen wenige Genbereiche die unterschiedlichen Farbmuster bestimmen. Aber neue Arten entstehen dadurch nicht. Damit meinen sie hier, dass zu einer stabilen, das Genom umfassenden Differenzierung auch eine veränderte Kiefergestalt und Körperform einbezogen werden müssen; dass also viele genetische Bereiche betroffen sind. Am Ende der Diskussion kommen die Autoren zu dem Schluss, dass bei der Artneubildung wenige oder viele Genbereiche involviert sein können; es komme dabei auf die Umstände an. Die Autoren fügen an, dass noch viel Arbeit zu tun bleibt, um experimentell nach den ursächlichen Effekten der verschiedenen Einflussgrößen der Artbildung zu suchen. Sie äußern die Hoffnung, dass Evolutionsbiologen durch die Vereinigung von Theorie und empirischen Daten eine Möglichkeit haben, die Entstehung neuer Arten besser zu verstehen. Nosil et al. beschließen ihren Beitrag mit der Feststellung, dass eine grundsätzliche Hauptfrage das Ausmaß betreffe, in dem mikroevolutive Prozesse größere, makroevolutive Muster der Biodiversität erklären können, wie dies bei der Ausbreitung der Buntbarsche (Cichlidae) beobachtet werden kann. Zunächst ist es erfrischend zu lesen, wie viel Unwissen hinter etablierten Lehrbuchaussagen stecken kann; das kann zu Freiraum für ungebundeneres Nachdenken führen. Für den Autor war der Schlusssatz insofern sehr aufschlussreich, als für die Vielfalt der Familie der Buntbarsche (Cichlidae) auf der chromosomalen Ebene durch die Mendel‘schen Gesetze und auf der molekularbiologischen Ebene durch die transponierbaren Elemente, durchaus erfolgversprechende Erklärungsansätze vorliegen (Crompton 2019). Evolutionsbiologen aber haben noch eine viel größere Aufgabe zu lösen, nämlich wie die Fülle der unterschiedlichsten Baupläne der Lebewesen entstanden sein kann. Verglichen damit sind die Herausforderungen für diejenigen, die von einer Schöpfung ausgehen, bei diesem Thema relativ klein! Literatur Crompton N (2019) Mendel´sche Artbildung und die Entstehung der Arten. 1. Woher kommt die Artenvielfalt? Stud. Integr. J. 26, 86-92. Nosil P, Feder JL & Gompert Z (2021) How many genetic chances create new species? Science 371, 777-779. Anmerkung
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