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12.07.05 Desinformation über das evolutionskritische LehrbuchIn einer weiteren Folge ihrer Artikelserie „Streitfall Evolution“ befasst sich die Süddeutsche Zeitung (SZ) in der Ausgabe vom 12. 7. relativ ausführlich mit „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“ (http://www.wort-und-wissen.de/lehrbuch). Aufhänger des Beitrags „Steter Druck. Kreationismus hat auch in Deutschland einen Nährboden“ von Sebastian Herrmann ist die Vergabe des Deutschen Schulbuchpreises 2002 an die Autoren dieses Buches. Der Artikel ist insofern bemerkenswert, als man zwar manches „Drumherum“ zum evolutionskritischen Lehrbuch erfährt, aber so gut wie nichts über dessen Inhalte. Offenkundig geht es nicht darum, sich einer sachlichen Auseinandersetzung zu stellen. Das Wenige, das aus dem Buch zitiert wird, ist zudem veraltet. Beide Zitate stammen aus den Auflagen der Jahre 1986-1992, fehlen aber ab der 4. Auflage, seit welcher das Buch nach einer grundlegenden Überarbeitung den Titel „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“ trägt. Dieser Irrtum ist dennoch nicht verwunderlich, denn Autor Herrmann lag das Buch nach eigenen Angaben gar nicht vor; offenbar ist er fehlinformiert worden. Wenige Tage vor Erscheinen des Artikels in der SZ erläuterte ich dem Autor auf dessen telefonische Anfrage ausführlich die Ziele des Buches, so wie sie auch im Vorwort nachgelesen werden können: Dort wird als „Hauptanliegen“ formuliert: „Weithin unbekannte Deutungsprobleme und offene Fragen der Evolutionslehre werden systematisch und umfassend thematisiert. Sie haben nach unserer Auffassung ein so großes Gewicht, daß Makroevolution als Leitvorstellung ernsthaft in Frage gestellt werden muß und schon gar nicht als ‘bewiesenes Faktum’ gelten kann“ (S. 6). Autor Herrmann hat diese aus erster Hand erhaltene Information in seinem Artikel verschwiegen und stattdessen aus dem Vorwort der älteren Auflagen von 1986-1992 zitiert: „Diese Arbeit ist der erste Versuch im deutschen Sprachraum, den in der Schule gebrauchten Argumenten für Evolution eine auf der Schöpfungslehre beruhende Gegenposition beizugeben.“ Dies ist zwar nicht falsch, trifft aber für die aktuelleren Auflagen nur für etwa 15% des Buches zu und ist auch für die früheren Auflagen bei weitem nicht repräsentativ. Im aktuellen Vorwort wird hingegen wie folgt formuliert: „Zur Makroevolutionslehre existiert eine Alternative. Sie ist von der biblischen Offenbarung her motiviert und wird als Schöpfungslehre in diesem Buch thematisiert, wo direkte Zusammenhänge mit naturwissenschaftlichen Daten gegeben sind. Auf diese Anschauung wird in den Teilen I-VI jedoch nur am Rande in Textkästen hingewiesen, die als ‘Grenzüberschreitung’ gekennzeichnet sind. Erst Teil VII widmet sich diesen Deutungsweisen explizit. Dort wird vorgeschlagen, naturwissenschaftliche Daten unter der Voraussetzung von Schöpfung zu deuten. Dieser Deutungsansatz, dessen Schwächen nicht verschwiegen werden, liefert u.E. fruchtbare Ansätze im Bereich experimenteller Forschung.“ Diese ausführliche Klarstellung ist nötig, um deutlich zu machen, dass dem SZ-Leser das Hauptanliegen und die wesentlichen Inhalte des Buches bewusst vorenthalten werden. Bemerkenswert ist die zitierte Aussage des Kasseler Biologieprofessors Ulrich Kutschera, wonach der Verband deutscher Biologen „zum Glück" verhindern konnte, dass das Buch als offizielles Lehrmittel zugelassen wird. Das war auch nicht schwer, denn es gab seit 1987 seitens des Verlags gar keine Bemühungen mehr in diese Richtung und es war auch nichts dergleichen geplant. Es würde ohnehin wenig Sinn machen, eine Genehmigung anzustreben. Für den Unterricht offiziell zugelassene Lehrbücher müssen nämlich mit den Zielen und Inhalten der Lehrpläne übereinstimmen. Dies kann „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“ selbstverständlich nicht leisten, da die Lehrpläne genauso einseitig sind wie die zugelassenen Schulbücher. Denn Kritik an evolutionären Vorstellungen ist dort nicht vorgesehen. Dies ist ja gerade der hauptsächliche Grund für die Herausgabe des kritischen Lehrbuchs (vgl. Hauptanliegen weiter oben). An dieser Stelle sollen noch in Kurzform einige weitere Fehlinformationen korrigiert werden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Das Schöpfungsmodell wird nicht auf „religiösen Grundlagen“ entworfen (wie Herrmann schreibt), sondern ist vom biblischen Schöpfungsglauben motiviert. Diesen Unterschied habe ich dem Autor auch deutlich am Telefon erklärt, doch hatte dieser offenbar kein Interesse, diese Information auch an seine Leser weiterzugeben. Weiter geht es nicht darum, die Evolutionslehre „aus den Schulbüchern zu verdrängen“. Dieses Märchen wird von vielen Autoren mit Vorliebe tradiert. Es geht im Gegenteil darum, dass Evolution sachgemäß erklärt wird und dass dabei auch relevante kritische Aspekte zur Sprache kommen. Keinesfalls soll an „die Stelle von Mutation und Selektion“ „Gott treten“; vielmehr wird auf wissenschaftlicher Basis diskutiert, was diese Faktoren tatsächlich zu leisten vermögen. Ebenso ist es keine Aussage der „Intelligent Design“-Bewegung (auf die auch Bezug genommen wird), dass eine „gestaltende übergeordnete Intelligenz bei jedem Schritt der Natur als Triebfeder wirkt“ (Näheres zum Thema „Intelligent Design“ siehe Einführung in „Intelligent-Design“ und Kontroverse um „Intelligent-Design“). Insgesamt handelt es sich um einen schlecht recherchierten Artikel, dessen vorrangiges Ziel eindeutig nicht darin besteht, den Leser über einen Sachverhalt zu informieren. Dieser Artikel ist der ansonsten sehr gut gestalteten Wissenschaftsseite der Süddeutschen Zeitung unwürdig.
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