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31.08.07  Ein Plädoyer für Wissenschaftszensur?

Der Vorsitzende der AG Evolutionsbiologie des Verbandes Deutscher Biologen, der Kasseler Pflanzenphysiologe Professor Ulrich Kutschera, hat sich in der Zeitschrift Reports (Jg. 26, Nr. 4, S. 31ff.) dafür ausgesprochen, evolutionskritische Bezüge zu „Intelligent Design“ (ID) und „Schöpfung“ in wissenschaftlichen Zeitschriften zu unterbinden (http://www.evolutionsbiologen.de/basic_types06.pdf). Er ruft die Welt der Wissenschaft zu entsprechender Wachsamkeit auf. Besonders erstaunlich: Er beschwert sich darüber, dass Artikel von evolutionskritischen Autoren in den Literaturverzeichnissen genannt werden. So geschehen ist das beispielsweise bei einem Artikel von Georg Menting über schnelle Artbildung bei Buntbarschen, der in der Naturwissenschaftlichen Rundschau veröffentlicht wurde. Darin zitiert Menting das evolutionskritische Lehrbuch von Junker & Scherer. Der verantwortliche Redakteur habe – so Kutschera – mittlerweile versprochen, dass so etwas nicht mehr vorkommen werde.1

Kutschera schildert weitere Beispiele: er moniert Passagen einer Veröffentlichung eines Artikels in der renommierten evolutionsbiologischen Zeitschrift Trends in Ecology and Evolution, dessen Zweitautor Siegfried Scherer war. Außerdem beschwert er sich darüber, dass in der Zeitschrift Flora der von Scherer herausgegebene Sammelband Typen des Lebens positiv rezensiert wurde. In dieser rein biologischen Arbeit werden 14 Grundtypen mit ausschließlich biologisch-taxonomischen Methoden beschrieben. In beiden beanstandeten Publikationen ist von Schöpfung nicht die Rede, sie sind noch nicht einmal evolutionskritisch.

Weiter missfällt Kutschera, dass der ID-Anhänger Wolf-Ekkehard Lönnig (immerhin zusammen mit Institutsdirektor Prof. Saedler des MPI Köln) in den weltweit angesehenen Annual Reviews of Genetics publizieren konnte. Nach Protesten einiger Evolutionsbiologen habe sich einer der Herausgeber für die Entscheidung des Herausgeberkollegiums jedoch entschuldigt und versprochen, dass ein solcher Irrtum nicht mehr vorkommen werde.

Schließlich stößt sich Kutschera an einem Artikel, der in Physiologia Plantarum veröffentlicht wurde. Es geht darin um Cyanobakterien; die Autoren Peschek und Mitarbeiter veröffentlichten dort im Rahmen einer Tabelle eine Abbildung vom hebräischen Text von Genesis 1,1 („am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“) und schrieben in der Unterschrift: „The crucial steps in the evolution of the universe, of our earth, and of life on this earth. Left-hand side: Original sentence (Moses 1,1) introducing the creation myth described in the Holy Bible (‘At the beginning God made ...’) – and who knows how it really happened ...?“ Wie konnte dieses Dogma von der Erschaffung Eingang in ein internationales botanisches Journal finden, fragt sich Kutschera. Seine Vermutung: Siegfried Scherer könnte seine Hand im Spiel haben, denn sieben Artikel von ihm über Cyanobakterien wurden zitiert. Tatsächlich handelt es sich bei Peschek um einen ehemaligen wissenschaftlichen „Konkurrenten“ von Scherer; die beiden arbeiteten 10 Jahre auf dem Gebiet der Bioenergetik der Cyanobakterien, hatten jedoch laut Scherer seit 15 Jahren keinen Kontakt mehr. Die zitierten pflanzenphysiologischen Experimentalarbeiten Scherers sind alle in referierten Journalen erschienen. Über eine evolutionskritische Haltung Pescheks, so Scherer, sei ihm nichts bekannt.

Offenbar waren die Gutachter der renommierten Journale bei der Begutachtung der Arbeiten zur Überzeugung gelangt, dass die genannten Artikel üblichen wissenschaftlichen Qualitätsstandards genügten. Erst als sie über die weltanschauliche Einstellung der (z. T. nur zitierten) Autoren informiert wurden, wandelte sich ihre Einschätzung.

1 Anmerkung vom 30. 10. 2007

Georg Menting, dessen Artikel in der „Naturwissenschaftlichen Rundschau" (NR) von Ulrich Kutschera im „Reports"-Artikel erwähnt und moniert wird, machte uns auf folgenden Sachverhalt aufmerksam:

„Die NR-Redaktion hat öffentlich nicht versprochen, dass so etwas nicht mehr vorkommen werde, sondern auf den von Mahner erhobenen Vorwurf, dass in meinem Artikel verdeckt kreationistische Positionen bewerben werden, wie folgt Stellung bezogen (NR 06/2002): »Im Artikel wird unter anderem die Position von Junker und Scherer vorgestellt, zugleich werden die Schwierigkeiten ihres »Modells« explizit genannt. Wir überlassen es dem Leser, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Bezüglich der Aktivitäten der deutschen Kreationisten verweisen wir auf unsere Januarausgabe.«“


Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen, 31.08.07

 
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