Schöpfung: Design-Theorie |
Experten: Nichtreduzierbare Komplexität |
InhaltIn diesem Artikel wird erklärt, was irreduzible Komplexität (IC) ist und gezeigt, weshalb die Entstehung von IC durch ungerichtete evolutive Prozesse derzeit unbekannt ist. Gegen das evolutionskritische IC-Argument wurde eine Reihe von Kritikpunkten vorgebracht; es wird gezeigt, dass diese nicht stichhaltig sind. Außerdem wird auf wissenschaftstheoretische Aspekte im Zusammenhang von IC und „Intelligent Design“ eingegangen. Was ist irreduzible Komplexität? Kritik: Theoretische Betrachtungen Kritik: Co-option und Funktionswechsel Kritik: Funktionsfähige Vorstufen eines IC-Systems? Wissenschaftstheoretische Fragen |
Was ist irreduzible Komplexität?In der Diskussion um „Intelligent Design“ (ID) (Einführung in „Intelligent-Design“) spielt irreduzible Komplexität („irreducible complexity“, IC) bei Lebewesen eine besondere Rolle. Die Auffassung, viele Strukturen in der Organismenwelt seien irreduzibel komplex, ist zwar in ihrem Grundgedanken keineswegs neu, wurde aber durch Michael Behes vielbeachtetes Buch „Darwin’s Black Box“ (Behe 1996) ziemlich populär. Definition. Organismen bestehen aus zahlreichen synorganisierten Teilsystemen, d. h. es wirken viele Komponenten zusammen, um eine oder mehrere Aufgaben zu erfüllen. Mindestens ein Teil dieser Systeme scheint unverzichtbar für die Funktion zu sein; er ist irreduzibel. Entsprechend definiert Behe irreduzible Komplexität wie folgt: „A single system which is composed of several well-matched, interacting parts that contribute to the basic function, and where the removal of any one of the parts causes the system to effectively cease functioning“ (Behe 1996, 39). Später präzisierte er diese Definition, indem er folgende Ergänzung einbrachte: „A single system which is necessarily composed of several well-matched, interacting parts ...“ (Behe 2001, 694). Ein System ist demnach irreduzibel komplex, wenn es notwendigerweise aus mehreren fein aufeinander abgestimmten, interagierenden Teilen besteht, die für eine bestimmte Funktion benötigt werden, so dass die Entfernung eines beliebigen Teils die Funktion restlos zerstört. Ein solches System wird nachfolgend als IC-System bezeichnet. Wichtig in der Definition von IC ist, dass es sich um interagierende Teile handelt, die aufeinander abgestimmt („well matched“) sind. In einer Antwort auf Kritiker hebt Behe (2000a, 156) dies besonders hervor. Außerdem weist er in einem anderen Artikel darauf hin, dass es möglich ist, Grade von IC zu bestimmen (Behe 2000b; vgl. den Schlussabschnitt „Das IC-Konzept als Impulsgeber für Forschung“). |
Das IC-ArgumentIn diesem Artikel wird vom IC-Argument die Rede sein. Damit ist gemeint: Es ist nicht möglich, ein IC-System schrittweise durch ungerichtete graduelle Prozesse aufzubauen. Denn solange das System nicht alle für die Ausübung der betreffenden Funktion erforderlichen Teile besitzt, wäre es aufgrund seiner Funktionslosigkeit selektionsnegativ oder bestenfalls selektionsneutral (falls das System sehr einfach ist). Das heißt: Irreduzible Systeme sind so gestaltet, dass die Selektion erst greifen kann, wenn das System komplett ist. Das Konzept der irreduziblen Komplexität berücksichtigt also ausdrücklich den Selektionsaspekt. Als eingängiges Anschauungsbeispiel für irreduzible Komplexität verwendet Behe die Mausefalle. Auf keines ihrer fünf Teile kann verzichet werden, wenn die Funktion nicht vollständig verloren gehen soll. Die Entfernung irgendeines Teils zerstört die Funktion restlos. Außerdem müssen die Fallenteile auch zweckvoll gestaltet sein. Wichtig ist: Das IC-Argument schließt nicht aus, dass die Einzelteile der IC-Struktur eine andere Funktion als die IC-Struktur selber ausüben können. So hat beispielsweise eine Feder eine Funktion auch dann, wenn sie nicht Bestandteil einer Mausefalle ist, sie übt allerdings nicht die Funktion einer Mausefalle aus. Als reale biochemische Beispiele diskutiert Behe in „Darwin’s Black Box“ Cilien und die Bakteriengeißel, das Blutgerinnungssystem, den Transport durch die Zellmembran und das Immunsystem. Francis (2000) diskutiert die bakterielle Zellteilung als IC-System. Beispiele für irreduzible Komplexität gibt es auch auf morphologisch-anatomischer Ebene, doch dürften hier die Verhältnisse viel zu komplex und zu wenig durchschaut sein, um exakt argumentieren zu können. Doch kann irreduzible Komplexität mit solchen Beispielen auch dem Nichtbiologen leicht veranschaulicht werden. Irreduzible Komplexität stellt ein schwerwiegendes Problem für die Vorstellung einer ungelenkten Evolution dar: Da Selektion erst greifen kann, wenn eine wenigstens minimale Funktion vorliegt, kann eine IC-Struktur nicht schrittweise evolutiv aufgebaut werden. Ihre Vorstufen wären ja völlig funktionslos und daher nicht selektierbar. Wie der Sprung zu einer IC-Struktur evolutiv (durch ungerichtete Prozesse) möglich sein könnte, ist daher nach derzeitigem Kenntnisstand unbekannt. Darüber hinaus kann irreduzible Komplexität auch positiv als Argument für Design gewertet werden: Irreduzible Komplexität kann als tertium comparationis zwischen technischen und lebendigen Systemen dienen, so dass in einem Analogieschluss beim Nachweis von irreduzibler Komplexität auf einen Urheber geschlossen werden kann. Die Begründung für diesen Analogieschluss lautet: Wir wissen, wie irreduzible Komplexität entsteht: durch das Wirken eines Konstrukteurs, der seine unfertigen, im Aufbau befindlichen Konstruktionen nicht einer Selektion ausliefern muss. Eine vergleichare Konstellation bei Lebewesen erlaubt daher den Analogieschluss auf einen Urheber. Die mit diesem Schlussverfahren verbundenen und andere Probleme des Design-Arguments werden im Artikel Kontroverse um „Intelligent-Design“ diskutiert. IC ist ein starker Hinweis auf ID, weil hier Zielgerichtetheit besonders klar zum Ausdruck kommt: Das Zusammenwirken mehrerer Komponenten zum Erreichen eines Ziels, auf welches hin alle Teile zugeschnitten und fein aufeinander abgestimmt („well matched“) sind. Dies entspricht genau der Situation in der Technik. Irreduzible Komplexität muss gegen kumulative Komplexität abgegrenzt werden, also gegen eine Komplexität, die kleinschrittig allmählich aufgebaut werden kann. Wichtig ist auch noch folgendes: Eine Konstruktion mag teilweise reduzierbar sein, ohne dass ihre Funktion verloren geht. Anders ausgedrückt: Es ist denkbar, dass manche Konstruktionen aus einigen Teilen bestehen, die zwar nützlich, aber für die betreffende Funktion verzichtbar sind. Dies ist relativ leicht bei organismischen Strukturen denkbar. So könnten beispielsweise die Fangblätter des Sonnentaus auch funktionieren, wenn die Drüsenhaare kein ausgeprägtes Köpfchen besitzen. Dagegen könnte auf die Haare und die Verdauungsflüssigkeit zum Erhalt der Funktion nicht verzichtet werden. Es kommt also darauf an, herauszufinden, ob es eine irreduzible Teilstruktur gibt und deren IC zu begründen. Nur auf diesen IC-Kernbereich kommt es bei den Betrachtungen zu seiner Entstehung an. Ein System mag neben unverzichtbaren auch nützliche, aber für die Funktion redundante Teile enthalten. Das IC-Argument greift für den unverzichtbaren Teil. Das Argument wird nicht dadurch entkräftet, dass man zeigt, dass ein kleiner Teil eines Systems reduzibel ist. Zusammenfassung des IC-Arguments. Organismen bestehen aus zahlreichen synorganisierten Teilsystemen. Diese besitzen häufig einen irreduziblen Kernbereich von mehreren, fein aufeinander abgestimmten Teilen. Das heißt: Die Entfernung eines beliebigen Teils zerstört die bisherige Funktion völlig. Der Zusammenbau der Teile der IC-Struktur ist einerseits durch die bekannten graduellen evolutionären Prozesse nicht möglich. Andererseits ist bekannt, dass die Entstehung von IC-Strukturen durch den Einsatz von Know how möglich ist, während die hochgradige Zielgerichtetheit solcher Strukturen ohnehin auf Zielsetzung (und damit Planung) hinweist und nicht ohne weiteres als Illusion abgetan werden kann. Daher sind IC-Strukturen bei den Lebewesen ein Hinweis auf einen Urheber. Gegen das Konzept der irreduziblen Komplexität und das damit verbundene IC-Argument wurden verschiedene Kritikpunkte publiziert. Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen: Theoretische Betrachtungen bzw. Gedankenexperimente, reale biologische Befunde und wissenschaftstheoretische Gesichtspunkte. |
Wissenschaftstheoretische FragenDas IC-Konzept spielt eine bedeutende Rolle im Rahmen des Arguments für Intelligent Design (ID-Argument, sieh e Einführung in „Intelligent-Design“). Denn der Nachweis von IC gilt als ein positives Argument für das Wirken eines Urhebers. Eine Auseinandersetzung mit der Kritik des ID-Arguments bietet der Artikel Kontroverse um „Intelligent-Design“. Ist IC empirisch prüfbar? Ob eine Struktur irreduzibel komplex ist, ist empirisch im Prinzip einfach prüfbar. Man kann jedes einzelne Element des Systems aus dem System entfernen und untersuchen, ob die Funktion wenigstens teilweise noch erhalten bleibt. Deutlich schwieriger ist die Entstehungsweise von IC und damit das mit IC verbundene Argument für ID (also das oben so genannte IC-Argument) zu prüfen. Hier wird im Kern mit einem Analogieschluss gearbeitet. Wir wissen, dass IC durch Einsatz von Intelligenz hergestellt werden kann, sei es in Laborstudien oder auch im technischen Bereich. Dieses Wissen wird aufgrund vergleichbarer Konstellationen auf die unbekannte und nicht direkt erforschbare Entstehung von IC-Strukturen in Lebewesen angewendet. (Zu diesem Analogieschluss und zur Kritik siehe ebenfalls Kontroverse um „Intelligent-Design“.) Ist IC widerlegbar? Viele Kritiker halten das ID-Konzept für unwissenschaftlich, weil es allgemein nicht widerlegbar sei. Abgesehen von der nicht trivialen Problematik der Abgrenzung von Wissenschaft und Nichtwissenschaft (vgl. Meyer 2002) wird diese pauschale Behauptung durch solche Kritiker widerlegt, die ID-Argumente entkräften oder zu widerlegen versuchen. Dies gilt auch für das IC-Argument. Oben wurden Argumente erläutert, die als Widerlegungsversuche in die Diskussion eingebracht wurden. Damit ist klar, dass das IC-Konzept widerlegbar ist. Wenn kritisch hinterfragt wird, ob IC und das damit verbundene ID-Argument widerlegbar ist, muss man umgekehrt auch die Frage stellen, ob die Behauptung, eine IC-Struktur sei durch Evolutionsmechanismen entstanden, widerlegbar ist. Wie sollte dies möglich sein? Man kann bei jedem Scheitern eines Versuches, IC durch bekannte Evolutionsmechanismen zu erklären, auf noch unbekannte Mechanismen verweisen. So gesehen ist das IC-Konzept grundsätzlich leichter angreifbar als die Behauptung, natürliche Mechanismen hätten eine bestimmte Struktur hervorgebracht. Daher sei die Frage in den Raum gestellt: Wie kann widerlegt werden, dass in der Vergangenheit natürliche Mechanismen IC-Strukturen hervorgebracht haben? Die Schwierigkeit der Widerlegung liegt darin begründet, dass wir es mit vergangenen Prozessen zu tun haben. Im Artikel Methodik der historischen Forschung wird gezeigt, dass eine strikte Falsifizierung von Theorien, die vergangene Prozesse beschreiben, nicht möglich ist, sondern nur Plausibiltitätsbetrachtungen angestellt werden können. Die Kritik, IC sei nicht falsifizierbar, muss auch aufgrund dieses Sachverhalts relativiert werden. Sprunghafte Entstehung einer IC-Struktur? Gegen das IC-Argument könnte man folgenden Einwand formulieren: Zwar sei unklar, wie eine IC-Struktur gradualistisch-evolutionär entstehen könne, dennoch bestehe die Möglichkeit einer sprunghaft-evolutionären Entstehung. Solche sprunghaft verlaufenden Änderungen, die zu einer zuvor noch nicht vorhandenen IC-Struktur führen, sind jedoch nicht bekannt. Hier bietet sich aber eine Widerlegungsmöglichkeit für eine naturalistische Entstehung von IC an. Denn ob graduell oder sprunghaft: Gelingt der Nachweis einer naturalistischen Entstehung einer IC-Struktur, ist das IC-Argument widerlegt. Verhindert der Verweis auf IC Forschung? An der ID-Theorie wird weiter wissenschaftstheoretisch kritisiert, sie verhindere Forschung, weil bei offenen Fragen auf einen Urheber verwiesen werde, statt die offenen Fragen durch Forschung einer Antwort zuzuführen. Im Artikel Kontroverse um „Intelligent-Design“ wird auf diesen Einwand in allgemeiner Form eingegangen. Am Beispiel von IC kann man ihn jedoch besonders gut entkräften. Wie schon gesagt steht die Feststellung von IC nicht am Anfang einer Untersuchung, sondern kann erst nach eingehender Forschung begründet werden. Am Anfang steht die Hypothese, eine Struktur könnte IC sein. Diese Hypothese muss geprüft werden; der Nachweis von IC kann erst durch Forschung erfolgen. IC kann sich durch weitere Forschung aber auch als Schein erweisen. Weitere Forschung kann also die Plausibilität des Vorliegens von IC verringern; sie kann sie aber auch erhöhen. Das IC-Konzept ist also kein „Forschungskiller“, im Gegenteil, es regt Forschung an (wie weiter unten noch weiter gezeigt wird) und bietet für Befunde aus verschiedenen Disziplinen eine Erklärung. Beruht das IC-Argument auf Nichtwissen? Ist zu wenig über die Evolutionsfähigkeit bekannt? Wie bei Argumenten für ID allgemein kann auch im Falle von IC argumentiert werden, dass noch zu wenig über die Evolutionsfähigkeit der Lebewesen bekannt sei, um eine naturalistische Entstehung von IC nachzuweisen. Das ist richtig, ist aber kein Argument gegen das IC-Konzept. Denn wie für alle empirisch begründeten Aussagen gilt auch für Behauptungen von IC, dass sie vorläufig sind. Es wird sich zeigen müssen, ob weitere Erkenntnisse das IC-Argument in konkreten Fällen stützen oder schwächen werden. Schon der Hinweis, man wisse möglicherweise zu wenig über die Evolutionsfähigkeit der Lebewesen, impliziert eine Prüfbarkeit des IC-Konzepts (indem man weiterforscht). Das IC-Argument stützt sich auf Kenntnisse über den Aufbau der Lebewesen, sei es im molekularen oder im anatomischen oder einem anderen Bereich. Mangels Kenntnissen konnte Darwin über IC im molekularen Bereiche nichts wissen. Für ihn konnte es daher in diesem Bereich das IC-Argument nicht geben. Damit ist klar: Das IC-Argument stützt sich gerade nicht auf Nichtwissen, sondern kann u. U. erst durch neue Erkenntnisse nahegelegt werden. Weitere Forschung kann das Blatt freilich wenden (s.o.). Kann bewiesen werden, dass IC nicht evolvierbar ist? Vermutlich ist dies nicht möglich, sondern es können nur Plausibilitäten abgeschätzt werden, was immer auch mit subjektiven Komponenten verbunden ist. Um zu einer Einschätzung kommen zu können, muss ein Maß für die irreduzible Komplexität gefunden werden und es muss geklärt werden, welches Ausmaß an Komplexitätssteigerung unter Erhalt der Konkurrenzfähigkeit durch bekannte Evolutionsfaktoren von einer Generation zur nächsten möglich sind. (Die Forderung „von einer Generation zur nächsten“ ist nötig, weil die Organismen nicht einige Generationen wegen Umbau schließen können, wie Günther Osche so treffend formuliert hat.) Beispielhaft wird dies in Junker & Scherer (2001, 128ff.) beim Bakterienmotor durchgeführt. Ein weiteres Beispiel diskutiert Scherer (1995). Mir ist nicht bekannt, ob Kritiker Fehler in der sehr konkreten Argumentation dieser Beispiele aufgezeigt haben. Doch man kann sich immer auf den Standpunkt zurückziehen, es könnten noch unentdeckte Evolutionsprozesse geben, die die natürliche Entstehung von IC erklären. Daher hat Darwin (1859) nicht recht, wenn er sagt: „If it could be demonstrated that any complex organ existed which could not possibly have been formed by numerous, successive, slight modifications, my theory would absolutely break down.“ Ein solcher Unmöglichkeitsbeweis ist in einer historischen Wissenschaft nicht stringent führbar. Erkenntniszuwachs und das IC-Argument: Fördert das IC-Konzept Forschung? Zu Darwins Zeit waren die zellulären Vorgänge weitgehend eine „Black Box". Welche Probleme darin für eine evolutive Erklärung ihrer Entstehung liegen könnten, war damals unbekannt. Wissenszuwachs hat in diesem Bereich aber nicht zu einer Lösung der Ursprungsfrage geführt, sondern die Probleme oft erst besonders deutlich werden lassen, und diese Probleme wurden mit zunehmender Kenntnis nicht kleiner. In Behes (2004, 367) Worten: „Fifty years ago, the cell seemed much simpler, and in our innocnence it was easier then to think that Darwinian processes might have accounted for it. But as biology progressed and the imagined simplicity vanished, the idea of design became more and more compelling." Auch für das Paradebeispiel für irreduzible Komplexität, die Bakteriengeißel, ist für Behe die Entwicklung in diese Richtung gelaufen: Die moderne Forschung habe den Design-Gedanken motiviert statt ihn zu zerstreuen. Forschung hat also IC zutage gefördert und dieses Konzept wiederum regt insofern Forschung an, als es genaue Analysen motiviert (s.o.; damit soll nicht bestritten werden, dass es auch andere Motivationen für weitere Analysen gibt!). Wird dagegen die Möglichkeit von IC negiert, besteht die Gefahr, dass die Probleme unter den Tisch gekehrt werden statt dass man sich ihnen stellt. Ist der Bezug auf einen Designer erlaubt? Das Argument, IC weise auf einen Urheber hin, wird häufig abgelehnt, weil damit ein Schöpfer ins Spiel gebracht werde, dessen Aktionen wissenschaftlich nicht fassbar seien. So schreibt Harold: „We should reject, as a matter of principle, the substitution of intelligent design for the dialogue of chance and necessity (Behe 1996); but we must concede that there are presently no detailed Darwinian accounts of the evolution of any biochemical system, only a variety of wishful speculations“ (zit. in Behe 2004, 356). Obwohl Harold einräumt, dass die Frage nach der Entstehung von IC ungeklärt ist, schließt er ID von vornherein aus. Dies kann nur durch eine Vorfestlegung begründet werden, nicht unter Berufung auf empirische Daten. Durch eine solche Vorfestlegung wird die Grenze zu einer nur philosophisch begründbaren Weltanschauung überschritten. Künstliche Konstruktion irreduzibler Komplexität. Man könnte versuchen, experimentell Leben im Labor zu erzeugen oder irreduzible Komplexität herzustellen. Man kann dann ggf. sagen: So ungefähr könnten Leben oder irreduzible Komplexität entstanden sein. Wenn man überhaupt ein Ergebnis erzielen wird, wird es vermutlich lauten: Mit durchdacht konstruierten Apparaturen ist beides möglich. Man wird vermutlich herausfinden, dass man unter Einsatz von ID Leben oder wenigstens Makromoleküle oder sonstige Bausteine des Lebens erzeugen kann. Dies könnte als positive Evidenz dafür gelten, dass man ohne ID nicht auskommt. Schlussfolgerungen. Wie kann die Evolvierbarkeit von IC bestätigt oder widerlegt werden? Die Evolvierbarkeit von IC könnte in Zukunft durchaus nachgewiesen und das IC-Konzept damit als überflüssig erwiesen werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Es wird gezeigt, dass eine IC-Struktur ohne Funktionsverlust schrittweise reduzibel ist, d. h. dass es sich bei der betreffenden Struktur nicht um irreduzible, sondern um kumulative Komplexität handelt (vgl. Einleitung). Wie weiter oben bereits erwähnt, ist es nicht erforderlich, dies für jede Struktur nachzuweisen, die irreduzibel komplex zu sein scheint. Wenn dieser Nachweis wenigstens einmal oder einige wenige Male gelingt, so steigt die Plausibilität, dass es auch für nicht untersuchte vergleichbar komplexe Strukturen ebenfalls möglich ist. 2. Es wird experimentell gezeigt, dass eine IC-Struktur durch bekannte Evolutionsmechanismen ohne Eingriff eines Designers entstehen kann. |
Das IC-Konzept als Impulsgeber für ForschungDas IC-Konzept regt an, genauer hinzuschauen. Nur ein detailliertes Studium eines IC-verdächtigen Systems kann zeigen, ob es wirklich IC ist, und nur die weiter verbesserte Kenntnis der Evolutionsmechanismen kann die Plausibilität einer evolutiven Entstehung einer IC-Struktur begründen, erhöhen oder verringern. Das Ergebnis steht nicht von vornherein fest. In einer seiner Antworten auf Kritiker macht Behe (2000b) einige Vorschläge dazu, wie das IC-Konzept Forschung anregen kann. Zum einen ist es wichtig, nicht nur festzustellen, welche Teile eines Systems zum irreduziblen Kernbereich gehören, sondern es müssen auch die Teile selbst genauer auf ihre Komplexität hin untersucht werden. Weiter muss danach geforscht werden, woher die Einzelteile eines IC-Systems kommen könnten. Behe schlägt weiter vor, IC „evolutionär“ zu definieren, das heißt, nicht den heute vorliegenden Zustand eines Systems zugrundezulegen, sondern einen hypothetischen Entstehungsweg. Dabei kann geprüft werden, ob jeder Schritt dieses Weges selektierbar ist. Wenn ein System mehrere nicht selektierbare Schritte durchlaufen muss, ist nach heutiger Kenntnis die weitere Evolution verbaut. Zu prüfen ist dabei auch, ob die neutrale Theorie der Evolution weiterhilft (vgl. die Diskussion dazu in Junker & Scherer 2001). Im diesem Sinne schlägt Behe (2000b) folgende vorläufige Definition eines irreduzibel komplexen Entstehungsweges vor: Ein irreduzibel komplexer evolutionärer Entstehungsweg beinhaltet einen oder mehrere nicht selektierbare Schritte (d. h. eine oder mehrere notwendige, aber nicht selektierbare Mutationen). Das Maß der irreduziblen Komplexität bemisst sich an der Anzahl der nicht selektierten Schritte im Entstehungsweg. Diese Definition hat – so Behe – den Vorteil, Forschung anzuregen: es müssen genaue, detaillierte evolutionäre Entstehungswege aufgezeigt, Mutationsraten berücksichtigt und es muss Rechenschaft über Selektionsbedingungen gegeben werden. Darauf aufbauend können Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen angeschlossen werden. Hinweis: Weitere Details und z. T. detailliertere Begründungen finden sich im PDF (Irreduzible Komplexität) zu diesem Artikel. Dank: Zahlreiche wertvolle Hinweise für diesen Artikel erhielt ich von Markus Rammerstorfer. |
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