Evolution: Ursprungsforschung und Naturalismus |
Experten: Methodik der historischen Forschung |
InhaltIn diesem Artikel wird gezeigt, wie vergangene Abläufe rekonstruiert werden können und welche Grenzen dieser Forschung gesetzt sind. Trotz formaler Ähnlichkeiten von Theorien über Vergangenheit mit Theorien über Gegenwartsprozesse weisen historische Rekonstruktionen einen Reihe von Besonderheiten gegenüber der Erforschung von Gesetzmäßigkeiten gegenwärtig ablaufender Prozesse auf. Dies hat Konsequenzen für die wissenschaftstheoretische Bewertung des Status von Evolutionstheorien. Der Bezug zu empirischen Daten Erforschung von Gegenwart und Vergangenheit im methodischen Vergleich Historisch-narrative und nomologisch-deduktive Erklärungen Sind H-N E überhaupt Erklärungen? ANHANG 1: Zur Diskussion im Internet ANHANG 2: Zitate zur wissenschaftstheoretischen Sonderstellung des Evolutionsparadigmas |
BegriffsklärungenIn diesem Artikel ist gelegentlich vom Evolutionsparadigma und vom Schöpfungsparadigma die Rede. Unter „Evolutionsparadigma" kann die Anschauung verstanden werden, dass alle Lebensformen von andersartigen Vorläufern abstammen und letztlich auf einen oder allenfalls sehr wenige einzellige Vorläufer abstammungsmäßig zurückgehen. Weiter soll dieser Begriff bezüglich der Evolutionsmechanismen die allgemeine Aussage beinhalten, dass der Evolutionsprozess durch ausschließlich natürliche Prozesse erfolgte. Das „Evolutionsparadigma" impliziert jedoch keine bestimmten Vorstellungen über die Ablaufformen und die Mechanismen der Evolutionsvorgänge. Das sind Inhalte von Evolutionstheorien, die im Rahmen des Evolutionsparadigmas entwickelt werden und sehr verschieden ausfallen können. Unter Schöpfungsparadigma wird ein von Naturgesetzen nicht ableitbares ins-Dasein-Kommen (der ursprünglichen Lebewesen) durch Befehle Gottes („durch das Wort") verstanden. Wie im Rahmen des Evolutionsparadigmas können auch im Rahmen des Schöpfungsparadigmas konkrete prüfbare Hypothesen und Theorien aufgestellt werden (Schöpfung und Wissenschaft). Sie werden als „Grundtypenbiologie" zusammengefasst (Heutige Grundtypen, Genetisch polyvalente Stammformen von Grundtypen). |
Der Bezug zu empirischen DatenNaturwissenschaften arbeiten empirisch. Das heißt: Ihre Aussagen müssen einen Bezug zu beobachtbaren Tatsachen haben. Gegenstand der Naturwissenschaft ist der Bereich der Natur, der sich durch systematische Forschung gesetzmäßig beschreiben lässt. Um diese Gesetze zu gewinnen, ist es notwendig, von „Daten" oder „empirischen Befunden" auszugehen. Diese werden durch Naturbeobachtung oder gezielte Experimente gewonnen. Die zugrundeliegenden Beobachtungen müssen wiederholbar und vom Beobachter unabhängig sein. Diese Forderungen gelten auch für die Beobachtung von Daten, die mit vergangenen Geschehnissen in Verbindung gebracht werden (z. B. Fossilfunde, Sequenzen von Makromolekülen usw.), auch wenn die vergangenen Abläufe selbst nicht wiederholbar sind. Mit wiederholbarer Beobachtung ist also nicht gemeint, dass beispielsweise von einer fossil erhaltenen Art immer wieder neue Exemplare gefunden werden, sondern dass die betreffenden Funde verschiedenen Bearbeitern zugänglich sein müssen (und nach Möglichkeit ein Konsens über die Ergebnisse erzielt werden sollte, was bereits Schwierigkeiten bereiten kann). Diese Bedingung zielt zum Beispiel darauf ab, dass Fossilfunde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen, wenn sie in der Wissenschaft berücksichtigt werden sollen, und dass Behauptungen über empirische Befunde von jedem entsprechend geschulten Forscher nachvollzogen werden können. In der Praxis haben Hypothesen und Theorien (Methodik der empirischen Forschung) meistens eine Vorrangstellung vor der Ermittlung von Daten, da sich aus ihnen die Forschungsrichtungen und -ziele sowie die zu erwartenden empirischen Befunde ableiten (Deduktion). Daher werden Theorien als auch als hypothetico-deduktive Systeme bezeichnet. Das heißt: Aus Theorien werden Schlussfolgerungen abgeleitet (Deduktion), die empirisch überprüft werden können. Diese Vorgehensweise wird auch als sog. „Hempel-Oppenheim-Schema" der Erklärung bezeichnet (auch kurz H-O-Schema), benannt nach dem Philosophen C. G. Hempel (1905-1997) und dem Wissenschaftstheoretiker Paul Oppenheim (1885-1977). Die Geschichte des Lebens kann nur bedingt mit Methoden der empirischen Wissenschaften rekonstruiert werden. Denn die Entstehung sowie die Geschichte der Lebewesen auf unserem Planeten ist einmalig, nicht reproduzierbar und nicht direkt beobachtbar. Es ist ja nicht möglich, die Geschichte der Lebewesen genauso wie heutige Tatsachen durch experimentelle Studien oder durch direkte Beobachtung zu rekonstruieren. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Gesetzt den Fall, man könnte im Labor ein Lebewesen de novo herstellen. Dadurch könnte allenfalls gezeigt werden, auf welche Weise Leben entstehen kann und wie es auf der Urerde entstanden sein könnte. Ob es aber wirklich so gewesen ist, ob die Randbedingungen im Labor mit denen auf einer frühen Erde vergleichbar sind usw. ist damit aber nicht gezeigt. Ein „Beweis" wäre nur möglich, wenn man mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit reisen und ein Entwicklungsgeschehen genauso wie gegenwärtige Vorgänge untersuchen könnte. Der Nachweis, wie das Leben auf der Erde entstanden ist, kann so nicht geführt werden. Denn die damaligen Randbedingungen werden vermutlich für immer weitgehend unbekannt sein. |
Erforschung von Gegenwart und Vergangenheit im methodischen VergleichDie Informationen über die Geschichte des Lebens werden aus geologischen Schichtfolgen, Fossilien, dem Bau und dem Erbgut der Lebewesen u. a. gewonnen. All dies liefert Indizien, die für die Rekonstruktion der vergangenen Ereignisse und Abläufe herangezogen werden können. In diesem Sinne ist Ursprungsforschung methodisch der Geschichtswissenschaft vergleichbar. Wir werden daher im folgenden den normalerweise für die Menschheitsgeschichte gebrauchten Begriff „historisch" für die Erforschung der Geschichte der Lebewesen verwenden, also für die Erforschung von Prozessen und Abläufen, die in der ferneren Vergangenheit abgelaufen sind oder sein sollen. Die Naturgeschichtsforschung greift auf Ergebnisse der Naturwissenschaften zurück:
Die Methode der Naturwissenschaft umfasst auf empirischer Seite die systematische Beobachtung des Naturgeschehens, gezielte Messungen und Experimente, und auf der theoretischen Seite die wissenschaftliche Begriffs- und Theorienbildung. Dazu gibt es einige Parallelen zu historischen Rekonstruktionen, allerdings bestehen bedeutsame Unterschiede:
Extrapolationen in die Vergangenheit sind nur möglich, wenn bestimmte Randbedingungen zugrundegelegt werden. Die Glaubwürdigkeit der Extrapolationen steht und fällt damit, inwieweit die Randbedingungen zutreffen. Die historischen Randbedingungen sind aber nicht direkt zugänglich und müssen hypothetisch vorgegeben werden. Als Beispiel sei die Reaktivierbarkeit von Mikroorganismen aus sehr alten Gesteinen genannt. Auf der Basis heutiger Kenntnisse aus der Molekularbiologie und Biochemie kann man extrapolieren, dass Mikroorganismen nur eine begrenzte Zeit haltbar sind, wenn sie von Wasser- und Nahrungszufuhr abgeschnitten sind. Wie kann man vor diesem Hintergrund mit den mittlerweile zahlreichen Befunden umgehen, dass Millionen Jahre (bis zu einer halben Milliarde Jahre) alte Mikroorganismen noch kultivierbar sind? (Binder 2001). Nach gegenwärtigem Verständnis müsste eine Extrapolatione auf der Basis heute bekannter Gesetzmäßigkeiten zum Schluss führen, dass die hohen Alter nicht zutreffen. Alternativ könnte eine Kontamination angenommen werden, obwohl das in vielen Fällen als ausgeschlossen gilt. Oder es waren unbekannte Mechanismen am Werk, welche die Bakterien in einem „subvitalen" Zustand erhalten konnten, der ein Überleben über Jahrmillionen hinweg ermöglicht. Gab es also in der Vergangenheit besondere, uns bislang unbekannte Randbedingungen, die die Lebensfähigkeit dieser Mikroorganismen erhalten haben? Auf welcher Basis soll also extrapoliert werden?
Wenn die Datenbasis schmal ist, bietet sie unter Umständen mehrere verschiedene Möglichkeiten, die vorliegenden Daten in ein stimmiges Ablauf-Szenario einzubauen. Man kann diese Situation mit einem Schaukasten vergleichen, der vor einem Kino steht. Darin mögen fünf oder sechs Szenenfotos abgebildet sein. Ohne einen beigefügten Text wird man sich schwer tun, daraus eine Handlung zu rekonstruieren, und noch viel weniger wird eine solche Rekonstruktion in eindeutiger Weise möglich sein. Andererseits gibt es aber auch die Erfahrung, dass es bei zunehmender Datenfülle immer schwieriger wird, ein widerspruchsfreies Ablaufszenario zu entwickeln („The more you know the harder it is" – Clark Howell). Ein beredtes Beispiel dafür liefert die Entwicklung der Paläanthropologie der letzten 20 Jahre (vgl. Hartwig-Scherer & Scherer 2003).
Dazu ein Beispiel: Jahrzehntelang gab es folgende Hypothese über die Entstehung von Vierbeinern aus Fischen: Die Vorfahren der Vierbeiner waren einem ökologischen Stress durch Austrocknen der Tümpel, in denen sie lebten, ausgesetzt. Diejenigen Fische, die in der Lage waren, mit etwas veränderten Flossen zum nächsten Tümpel zu kriechen, konnten überleben. Unter diesem Auslesedruck sollen sich die Landextremitäten gebildet haben. Damit war eine der nötigen Voraussetzungen für die Eroberung des Festlandes gegeben. Wie konnte eine solche Hypothese geprüft werden? Offenkundig enthielt sie viele spekulative Elemente und war nur sehr schwammig formuliert. Dennoch konnte man aus ihr die Vorhersage ableiten, dass Extremitäten mit Fingern nur bei mindestens teilweise landlebenden Wirbeltieren vorkommen würden. So hat man das in der Paläontologie auch lange gesehen. Später wurden dann aber Wirbeltiere entdeckt, die eine typische Vierbeiner-Extremität (mit Fingern) besaßen, aus deren sonstigem Körperbau aber ein ausschließliches Wasserleben gefolgert werden musste. Daher vermuten Evolutionstheoretiker nun, die Vierbeiner-Extremität sei bereits bei ausschließlich im Wasser lebenden Tetrapoden entstanden (Clack 2002). Doch auch dieses Szenario ist kaum prüfbar; es kann nur eine Plausibilitätsbetrachtung vorgenommen werden, bei der die relevanten Fossilfunde berücksichtigt und Selektionsdrücke plausibel gemacht werden müssen (Junker 2005). Das alte Szenario ist damit auch nicht endgültig widerlegt, es ist nur noch unplausibler geworden, als es ohnehin schon war. |
Historisch-narrative und nomologisch-deduktive ErklärungenManche Autoren unterscheiden im Zusammenhang mit Ursprungsfragen in der Biologie zwischen „nomologisch-deduktiven" und „historisch-narrativen" Erklärungen (z. B. Szalay & Bock 1991). Nomologisch-deduktive Erklärungen (N-D E) sind solche, die auf hypothetische Gesetzmäßigkeiten (nomos = Gesetz) Bezug nehmen, aus welchen konkrete testbare Schlussfolgerungen abgeleitet (deduziert) werden. Diese werden dann durch Freilandbeobachtungen oder Laborexperimente überprüft. Historisch-narrative Erklärungen (H-N E) dagegen versuchen das vorhandene Belegmaterial durch ein mutmaßliches historisches Ablaufszenario (eine Erzählung = lat. narratio) zusammenzufügen, wobei solche Szenarien bekannten Gesetzmäßigkeiten nicht widersprechen dürfen (Bock 2000a, 482). Die Plausibilität von historisch-narrativen Erklärungen hängt also davon ab, ob und wie sie nomologisch-deduktive Aspekte berücksichtigen. Bock (2000b, 34) betont, dass sich H-N E scharf von N-D E unterscheiden und daher beide separat analysiert werden müssen. N-D E gelten für Universalien, hängen nicht von der vergangenen Geschichte der Objekte ab, die erklärt werden sollen, und ihre Prämissen werden als generell gültig angenommen. Weiter wird gefordert: H-N E müssen relevante N-D E benutzen. Ihre Objekte sind jedoch Singularitäten und betreffen definierte räumlich-zeitliche Positionen (Bock 2000b, 35). Das heißt aber auch, dass H-N E abgewiesen werden können, wenn die N-D E, auf die Bezug genommen wird, sich nicht bewährt haben. Das wiederum heißt konkret: Die historische Evolutionsforschung darf nicht von der kausalen abgekoppelt werden. „Hence any H-N evolutionary explanation is absolutely dependent on well-tested and corroborated N-D Es, both functional and evolutionary" (Bock 2000b, 41). Als Beispiel nennt Bock (2000b, 40) die sog. „Kritische Evolutionstheorie" der Frankfurter Arbeitsgruppe für Phylogenetik: „A notable exception to ignoring functional explanations is found in the extensive analysis of phylogenetic reconstruction of many groups of animals by members of the Frankfurt Group under the leadership of Professor Wolfgang Gutmann in that their H-N evolutionary explanations are firmly based on N-D functional explanation" (Bock 2000b, 40). Bock (2000b, 35) nennt folgende Aspekte von H-N E:
Als Beispiel für die Problematik von H-N E nennt Bock (2000a, 478) Theorien zur Entstehung der Vogelfeder: „Because of the lack of knowledge about the roles and ecological relationships of protofeathers and of the most primitive feathers, it is not possible to test strongly either of these theories, or others as proposed in this symposium, against objective empirical evidence to determine which is falsified or is the most probable" (Bock 2000a, 478). Aus der aktuellen Diskussion über „Kreationismus" und „Intelligent Design" sei ein weiteres Beispiel herausgegriffen, das „Gesetz der rekurrenten Variation" (Lönnig 1995). Dieses Gesetz beschreibt das Phänomen des häufigen Wiederkehrens derselben Mutationen; die Anzahl der verschiedenen Mutanten nähert sich dabei asympotisch einer Maximalzahl. Dieses Gesetz ist empirisch sehr gut belegt. Diese vielfach dokumentierte Regelhaftigkeit des Mutationsgeschehens deutet auf ein begrenztes Variationspotential der Lebewesen hin. Evolutionäre Erklärungen können an diesem Gesetz nicht vorbei, wenn sie eine relevante N-D E nicht einfach ignorieren wollen. Dies gilt umso mehr, als es eine umfassende N-D E für Makroevolution (vgl. Mikro- und Makroevolution) nicht gibt. Wesentliche Inhalte der Evolutionsanschauung sind nur beschreibend, und die evolutionären Interpretationen der Daten können allenfalls als plausible, oft nur als mögliche, keinesfalls aber als zwingende Deutungen gelten. In dieser Situation kommt den N-D E eine besondere Bedeutung zu, denn sie geben einen maßgeblichen Hinweis darauf, welche H-N E überhaupt diskutabel ist. Dennoch bezweifelt Neukamm (2005) den Wert des Gesetzes der rekurrenten Variation für die Evolutionsbiologie. Es sei bestenfalls dann plausibel, „wenn alle genannten Evolutionsbelege unter den Tisch fallen". Doch hier operiert Neukamm mit einer Voraussetzung, die nicht gegeben ist: Die Evolutionsbelege sind nämlich nicht stichhaltig (Junker & Scherer 2001) und sprechen nicht zwingend für Makroevolution. Sie fallen auch keineswegs unter den Tisch, sondern stehen für alternative Deutungen offen. Vor diesem Hintergrund kann eine empirisch vielfach erfolgreich getestete (und falsifizierbare) Gesetzmäßigkeit wie das Gesetz der rekurrenten Variation nicht einfach übergangen werden. Die Plausibilität des Gesetzes der rekurrenten Variation hängt im übrigen nicht von der Stichhaltigkeit der Evolutionsbelege ab, sondern davon, wie gut es sich gegen Falsifikationsversuche behauptet hat. Und in dieser Hinsicht steht dieses Gesetz sehr gut da. Diese Einschätzung hat nichts mit „naivem Empirismus" zu tun, wie Neukamm (2005) meint. Vielmehr ist es gerade ein Kennzeichen naturwissenschaftlicher Gesetze, dass sie sich auf zahlreiche empirische Daten berufen. |
Falsifizierung von H-N ESowohl N-D E als auch H-N E sind gemessen am Abgrenzungskriterium für Wissenschaftlichkeit nach Popper insofern wissenschaftlich, als beide Tests und Falsifizierung (=Widerlegungen) anhand objektiver, empirischer Daten erlauben (Bock 2000b, 35). Allerdings sind solche Tests bei H-N E oft sehr schwierig und nicht zwingend. Darüber hinaus wird die Möglichkeit einer Falsifizierung von H-N E von manchen Autoren verneint – entgegen anderslautender Statements in der Literatur. H-N E werden nicht durch Falsifizierung getestet, sondern gewöhnlich durch Bestätigungen durch weitere stützende Daten (Bock 2000b, 35; vgl. Szalay & Bock 1991, 8). Ebenso halten Mahner & Bunge (2000, 341) die Synthetische Evolutionstheorie in ihrer allgemeinen Form nur für bestätigbar, nicht für widerlegbar. Rieppel (1997) schreibt zu dieser Problematik: „Because History is a unique process, predictions are impossible, and falsificationism in a strict sense cannot apply." Über den Cladismus stellt er fest: „Additional measures have been introduced, not to test, but to support hypotheses of relationships, such as bootstrapping, jackknifing, the Bremer decay index, and stratigraphy. All these measures reflect a verificationist perspective. No bootstrap value, no decay index, and no missing fossil will ever have the power to refute any hypothesis of relationship. In that sense, these support measures transcend the limits of empirical knowledge, and lay claim to truth." (Im Anhang zu diesem Artikel finden sich weitere Statements aus der Literatur.) An dieser Stelle kann auch darauf hingewiesen werden, dass auch sehr niedrige Konsistenz-Index-Werte von Cladogrammen (=Ähnlichkeitsbäume, die aufgrund von Merkmalsvergleichen erstellt werden) (das bedeutet das zahlreiche Vorkommen von Konvergenzen (=mehrfach unabhängiges Auftreten baugleicher Merkmale)) als nicht weiter problematisch für das Evolutionsparadigma betrachtet werden. Das Merkmalsspektrum kann sehr unterschiedlich verteilt sein, ohne dass eine Falsifizierung des Evolutionsparadigmas erwogen wird. |
Sind H-N E überhaupt Erklärungen?Mahner & Bunge (2000) gehen noch etwas weiter als Bock und betrachten H-N E gar nicht als Erklärungen, sondern als bloße Beschreibungen (S. 343f.). Theorien stellen die allgemeinen Mechanismen von Vorgängen dar und beinhalten nicht nur Beschreibungen; dies müsse hervorgehoben werden, „weil bloße Beschreibung allzu oft als Theorie durchgeht" (S. 337). Im Blick auf die Evolutionstheorie stellen diese Autoren fest, dass es zwar die Selektionstheorie und die Populationsgenetik als umfassende Theorien gebe, andere Komponenten der Evolutionstheorie aber „in bloßer Historiographie bzw. in der Rekonstruktion der Phylogenese" bestünden. Nötig wären aber eine Theorie der Mutation und eine Theorie der Entwicklung (S. 337). Da viele Komponenten der Evolutionstheorie nur beschreibend seien, nehme es daher „nicht wunder, dass oft geglaubt wird, die ET [Evolutionstheorie] beinhalte sogenannte narrative Erklärungen anstelle deduktiv-nomologischer. Doch ohne Bezug auf Mechanismen sind evolutionäre Szenarios und phylogenetische Rekonstruktionen bestenfalls Beschreibungen, aber keine Erklärungen. Als solche gehören sie in die Naturgeschichte (genauer: Naturgeschichtsschreibung) und nicht zur ET, die eine Theorie über die Mechanismen der Evolution ist und sein sollte. Falls erklärend, werden evolutionäre Modelle Gesetze und Mechanismen umfassen, obwohl diese nicht unbedingt deduktiv-nomologisch formuliert sein müssen" (Mahner & Bunge 2000, 343f.). Einige Teildisziplinen der Synthetischen Theorie wie die funktionelle Morphologie, Ökologie oder Entwicklungsbiologie scheinen eher deskriptiv als theoretisch und mechanismisch zu sein (S. 335). Aus den Ausführungen von Mahner & Bunge kann man folgern, dass die (hypothetische) Makroevolution der Lebewesen bislang nicht theoretisch beschrieben ist. Denn Selektionstheorie und Populationsgenetik, die als umfassende Theorien gelten können, stehen in keinem nachgewiesenen Zusammenhang mit Makroevolution (und haben ihren Platz auch im Rahmen des Schöpfungsparadigmas!). Andere Bestandteile der Evolutionsanschauung sind nur beschreibend (Mahner & Bunge [2000, 335] nennen die funktionelle Morphologie, Ökologie und Entwicklungsbiologie). Hier macht sich der Unterschied zwischen Gegenwartsanalyse und Geschichtsrekonstruktion deutlich bemerkbar. Solange es keine kausalen Gesetzesaussagen über das Auftreten von Mutationen gibt, sind evolutionstheoretisch keine Vorhersagen, sondern nur Deutungen im Nachhinein möglich. Aber auch die hypothetische evolutionäre Vergangenheit lässt sich nicht von Gesetzmäßigkeiten ableiten. Das hat einen theoretischen und einen praktischen Grund. Zum einen hängt der Evolutionsprozess von zahllosen Zufällen ab: Welche Mutationen treten gerade auf? Welche Umweltbedingungen herrschen gerade? usw. (vgl. Mahner & Bunge 2000, 343). Zum anderen wissen wir viel zu wenig über die vergangenen Randbedingungen. Selbst wenn wir über eine umfassende Kausaltheorie der Evolution verfügen würden, fehlten uns die jeweiligen Ausgangsbedingungen, um konkrete Prognosen zu liefern. Mahner (1986, 42) schreibt dazu: „Im Gegensatz zu den sogenannten ‘exakten’ Wissenschaften ergibt sich für die Evolutionstheorie eine besondere Schwierigkeit bei der Kausalerklärung. Wenn man auch hier dem Schema der deduktiv-nomologischen Erklärung folgen will, müsste für jedes Merkmal eines Lebewesens gezeigt werden, unter welchen Randbedingungen die Merkmalsevolution durch das Zusammenspiel der bekannten Evolutionsfaktoren in jedem Einzelschritt verlaufen ist und wie der ‘Umbau’ von Strukturen bei voller Gewährleistung ihrer Funktionalität und Adaptivität in jedem Zwischenstadium stattgefunden hat. Gerade die Randbedingungen, wie z.B. ökologische Wechselbeziehungen und andere historische Umstände und Zufälle aller Art, sind dabei in jedem Einzelfall nicht nur anders, sondern auch einmalig und mithin konstitutiv für das zu betrachtende biologische System, d.h. der Biologe kann kein allgemeingültiges Problemlösungsverfahren geben wie die Physiker, für den die Randbedingungen mehr oder weniger austauschbar sind." Das Besondere an vergangenen Vorgängen ist ihre Einmaligkeit und die Unmöglichkeit, ihre Abläufe durch Gesetzmäßigkeiten vorherzusagen oder auch im Nachhinein aus jeweiligen Vorbedingungen abzuleiten. Gould (1991) geht sogar soweit (und dürfte damit nicht alleine stehen) und behauptet, dass die Evolution ganz anders verlaufen würde, würde man sie ein zweites Mal auf dem Stand des Kambriums beginnen lassen. Wenn evolutionstheoretisch im Bereich Makroevolution aber de facto nur Beschreibungen hypothetischer vergangener Abläufe und mithin nur Deutungen im Nachhinein möglich sind, kann diese Vorgehensweise im Rahmen des Schöpfungsparadigmas nicht kritisiert werden. Denn in beiden Paradigmen gilt: Es fehlt eine umfassende Kausaltheorie und es liegen Indizien vor, die in ein Gesamtbild eingeordnet werden. Mahner & Bunge (2000, 341) stellen folgerichtig fest: „Da die ET ein System von Theorien ist, nimmt es nicht wunder, wenn sie nur indirekt geprüft werden kann, nämlich durch Tests der Teiltheorien. Doch selbst diese Teiltheorien sind nur schwer zu überprüfen. [...] Ähnliches gilt für die Synthetische Theorie, die in ihrer allgemeinen Form nur bestätigbar, aber nicht widerlegbar ist." Aus alledem kann gefolgert werden: Wenn es für den Evolutionsablauf keine allgemeingültige N-D E gibt, dann ist das Evolutionsparadigma wissenschaftstheoretisch gesehen in keiner anderen Situation als das Schöpfungsparadigma. Interessanterweise sprechen Mahner & Bunge (2000, 342) davon, dass es neben direkten Belegen „Indizienbelege" und „historische Belege" für die Evolutionstheorie (i. S. des Evolutionsparadigmas nach unserer Definition am Anfang dieses Kapitels) gebe. Dabei betreffen die direkten Belege nur den mikroevolutiven Bereich (vgl. Mikro- und Makroevolution), sie sind also nicht spezifisch für das Evolutionsparadigma. Die von den Autoren genannten Indizienbelege wiederum haben keinerlei Beweiskraft und erlauben großenteils auch Deutungen im Rahmen des Schöpfungsparadigmas. Wir kommen zum Ergebnis, dass Makroevolution methodisch anders begründet wird als Hypothesen und Theorien von Gegenwartsprozessen. Trotz aller genannten Einschränkungen halten Mahner & Bunge an der Wissenschaftlichkeit des Evolutionsbiologie fest, da von Gesetzesaussagen Gebrauch gemacht werde, die in anderen Disziplinen formuliert wurden (Mahner & Bunge 2000, 344); ganz im Sinne der oben referierten Ausführungen von Bock (2000a; 2000b) über die Verflochtenheit von H-N E mit N-D E. Dies gelte selbst wenn die Evolutionsbiologie keine eigenen Gesetzesaussagen produzieren würde. „[D]ie Evolutionsbiologie wäre immer noch eine wissenschaftliche Disziplin, weil sie von Gesetzesaussagen aus Genetik, Entwicklungsbiologie, Selektionstheorie, usw. Gebrauch macht" (Mahner & Bunge 2000, 344). Genau dies trifft aber auch auf das Schöpfungsparadigma zu. |
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