Evolution: Biologie |
Experten: Ähnlichkeiten in der Morphologie und Anatomie |
InhaltDie Ähnlichkeiten zwischen den Lebewesen sind für die Evolutionslehre von zentraler Bedeutung. Zum einen gelten sie als wesentliche Belege für Makroevolution. Zum anderen bilden sie die wichtigste Grundlage für Stammbaumrekonstruktionen. Im folgenden wird gezeigt, dass der „Ähnlichkeitsbeweis“ für Evolution nicht stichhaltig ist und dass eine Reihe von Ähnlichkeitsbefunden evolutionstheoretisch schwer deutbar sind. Einwand 1: Viele Ähnlichkeiten können nicht durch die Funktion erklärt werden. |
EinleitungDie Ähnlichkeiten der Lebewesen gelten als besonders wichtige Belege für die Abstammung der Arten und für eine allgemeine Evolution (Abb. 44: Klassifikationsebene der Hundeartigen und Abb. 45: Vergleich von Vordergliedmaßen). Folglich gehört der „Ähnlichkeitsbeweis“ zu den wichtigsten Stützen der Evolutionslehre. Das zugrundeliegende Argument ist einfach und eingängig: Aus Erfahrung wissen wir, dass durch Vererbung ähnliche Merkmale weitergegeben werden: Kinder gleichen ihren Eltern, weil sie von ihnen abstammen. Ähn- Das Argument „Ähnlichkeit durch Abstammung“ wird nun auf verschiedene Grundtypen (z. B. Schimpanse und Mensch) ausgeweitet. Deren Abstammungszusammenhang kann aber nicht mehr beobachtet werden. (Es gibt keine beobachtete Kette von affenartigen Vorfahren des Menschen bis zum Menschen (Paläanthropolo- Dabei handelt es sich um einen sogenannten Analogieschluss, d. h. einer Schlussfolgerung von Bekanntem auf Unbekanntes, z. B. von einem kleinen Bereich auf einen viel größeren. Hier wird von den Verhältnissen innerhalb einer Art bzw. eines Grundtyps auf die Verhältnisse darüber hinaus geschlossen. Eine solche Schlussfolgerung mag plausibel erscheinen, sie ist jedoch grundsätzlich nicht zwingend. Ob Ähnlichkeiten über den experimentell nachvollziehbaren Bereich hinaus auf Abstammung hinweisen, bleibt daher offen. Es handelt sich um eine Deutungsmöglichkeit, nicht aber um einen Deutungszwang. Ähnlichkeiten können nämlich auch anders erklärt werden (Abb. 51):
Gegen diese beiden Erklärungen werden zwei Einwände erhoben: |
Einwand 1: Viele Ähnlichkeiten können nicht durch die Funktion erklärt werden.Diese nicht-funktionsbedingten Ähnlichkeiten müssen eine andere Ursache haben. Dafür kommt nur gemein- Erwiderung: Dieses Argument ist nicht stichhaltig: 1. Es kann kaum sicher nachgewiesen werden, dass be- 2. Diskrepanzen zwischen Struktur und Funktion müssen nicht notwendigerweise auf gemeinsame Abstam- |
Einwand 2: Mit „Schöpfung" kann man beliebige Ähnlichkeitsmuster oder auch die Abwesenheit von Ähnlichkeit erklären.Dieses Argument wird von Mahner (2002) wie folgt ausgeführt: „Gewiss würde auch eine Schöpfungstheorie die abgestufte Ähnlichkeit der Arten, wie sie sich in der biologischen Systematik darstellt, erklären: Gott hat eben ähnliche Arten geschaffen. Und, so fragen die Kreationisten, ist diese Ähnlichkeit nicht gerade Beweis für die Handschrift desselben Baumeisters? Leider nein, denn eine auf Schöpfung basierende Theorie könnte auch den genau gegenteiligen Fall erklären, nämlich den, dass es keinerlei Ähnlichkeit zwischen den Arten gäbe: Gott hätte dann eben unähnliche Arten geschaffen. (In diesem Falle wäre die Idee einer Evolution wohl gar nicht erst aufgekommen.)“ Daher müsse ein „wissenschaftlicher Kreationismus“ scheitern und auf einem Schöpfungsansatz basierende Theorien könnten nicht als Alternativen zur Evolutionstheorie in Frage kommen. Kritiker wenden also ein, dass beliebige Erwartungen an das Merkmalsmuster der Lebewesen aus der Schöpfungslehre abgeleitet werden können; die Daten würden also immer „passen“. Erwiderung: Der Einwand ist insofern berechtigt, als in der Tat keine eindeutigen Erwartungen aus der Schöpfungslehre abgeleitet werden können, doch die Situation ist bei der Evolutionslehre nicht grundlegend anders. Außerdem geht es nicht, wie Mahner schreibt, um „Beweise“, sondern um Deutungsmöglichkeiten. Die Evolutionstheoretiker können nur bedingt und nur relativ vage bestimmte Ähnlichkeitsmuster vorher- Wir können festhalten: Ähnlichkeiten an sich geben keine sichere Auskunft über ihre Entstehung. Dass Ähn- |
KonvergenzenDie Biologen kennen zahlreiche Beispiele von tiefgreifenden Ähnlichkeiten, die nicht auf gemeinsame Abstam- Die Problematik soll an einem einfachen Beispiel klargemacht werden: Jeder wird die Pusteblume, also den Fruchtstand des Löwenzahns kennen. Die einzelnen Früchte sind als Schirmchen ausgebildet (Abb. 48 zeigt dies beim verwandten Korbblütler Wiesen-Bocksbart). Die Schirmchenkonstruktion findet sich aber nicht nur bei den Korbblütlern, zu denen der Löwenzahn gehört, sondern auch bei anderen nicht näher verwandten Arten wie z. B. den Baldriangewächsen (Abb. 49). Das heißt: Die Schirmchen müssten evolutionstheoretisch gesehen unabhängig entstanden sein, was wiederum bedeutet, dass ihre Ähnlichkeit nichts mit Abstammung zu tun hat. Abb. 50 verdeutlicht die Problematik für die Evolutionstheorie. Hier wird also eine offenkundige Bauplanähnlichkeit (Schirmchenflieger) nicht als Folge einer gemeinsamen Abstammung gedeutet, sondern als mehrfacher unabhängiger evolutiver Erwerb. Würde man nämlich an- Merkmalsübereinstimmungen können also nicht „automatisch“ als abstammungsbedingt interpretiert wer- Aus dieser Situation resultieren zwei evolutionstheoretische Probleme: 1. Wie gelangt ein zielloser Prozess zwei- oder mehrfach zum selben Ergebnis? Dazu gibt es folgenden Lö-
2. Wie können Homologien und Konvergenzen unterschieden werden? (Vorgehensweise in der Phylogene-
Das Phänomen der Konvergenz ist keine Randerscheinung, mit der es die Biologen nur in seltenen Sonder- |
BaukastensystemDas Konvergenzproblem stellt sich noch in vielen anderen Fällen, auch bei wesentlich komplexeren Struktu- Einige besonders augenfällige Beispiele sind die Warmblütigkeit bei Vögeln und Säugetieren (sie soll unab- Moore & Willmer (1997) zeigen in einer Überblicksarbeit auf, dass auch bei den Wirbellosen Konvergen- Ein besonders interessantes Beispiel sind Leimruten: Das sind lange, ausstülpbare, klebrige Zungen. Ein solches Organ soll im Laufe der angenommenen Evolution fünfmal unabhängig entstanden sein, nämlich beim Ameisenbär, Schuppentier, Erdferkel, Specht und Chamäleon (Abb. 47). Mit den „Leimru- Es zeigt sich also folgende Situation: Die Merkmale sind in vielen Fällen so unsystematisch verteilt, dass sie in den einzelnen Arten bzw. höheren Taxa baukastenartig zusammengesetzt erscheinen. Es fällt auf, dass Taxonomen immer wieder den Begriff einer „Toolbox“ zur Beschreibung der Merkmalsverteilung verwenden. Im Rahmen eines Baukastensystems sind zunächst beliebige Merkmalskombinationen denkbar. (Allerdings kann es durchaus auch Einschränkungen der Kombinationsmöglichkeiten geben, wenn bestimmte Merkmalskombinationen funktionell oder ökologisch nicht zusammenpassen.) Evolutionstheoretisch lässt sich ein solches Baukastensystem nicht leicht erklären, weil eine größere Zahl von Konvergenzen angenommen werden muss. Die problematische Annahme von Konvergenzen könnte vermieden werden, wenn das Auftreten baugleicher Merkmale durch Gentransfer plausibel gemacht werden könnte, doch ist diese Möglichkeit derzeit spekulativ ( s. Artikel „Gene tinkering“. Im Rahmen eines Schöpfungsmodells ist eine baukastenartige Verteilung von Merkmalen verständlich (genauere Begründung im Artikel „Mosaikformen als Grundtypen und Baukastensystem“; zur Vertiefung: PDF zu diesem Artikel) |
SchlussfolgerungenÄhnlichkeiten können nach bestimmten biologischen Kriterien (Homologiekriterien) als „homolog“ eingestuft werden. Das ist unabhängig von der Vorgabe der Evolutionstheorie oder einer anderen Ursprungstheorie möglich. Evolutionstheoretisch werden manche, und eben nur manche Homologien (Synapomorphien) als ab- Folglich kann erst bei Vorgabe eines Stammbaumschemas bestimmt werden, welche Merkmalsüberseinstim- Das heißt: Die Beobachtungsdaten (der Befund der Ähnlichkeit) werden nachträglich in das vorgegebene Evo- Nocheinmal anders formuliert: Es muss ein Abstammungsschema vorgegeben werden, aufgrund dessen dann manche Ähnlichkeiten als homolog im Sinne von abstammungsbedingt (synapomorph) interpretiert werden können. Wenn aber Evolution vorausgesetzt werden muss, liegt an dieser Stelle kein unabhängiger Beleg für Evolution vor. |