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Schöpfung: Theologie, Biblische Apologetik

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Interessierte: Das Theodizee-Problem

 

Inhalt

In diesem Artikel wird die Theodizee-Frage aufgeworfen. Traditionelle Antworten werden kurz angesprochen. Die biblische Urgeschichte und das Schöpfungszeugnis im Buch Hiob werden als besondere Schlüssel zum Verständnis herausgestellt.

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theodizee-frage schöpfung evolution theodizeefrage theodizeeproblem Antwortversuche

theodizee-frage schöpfung evolution theodizeefrage theodizeeproblem Evolution verschärft das Theodizee-Problem

theodizee-frage schöpfung evolution theodizeefrage theodizeeproblem Die biblische Urgeschichte als Teilantwort

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theodizee-frage schöpfung evolution theodizeefrage theodizeeproblem Theodizee und Schöpfung

theodizee-frage schöpfung evolution theodizeefrage theodizeeproblem Theodizee und die Existenz Gottes sowie Schlussbemerkungen

theodizee-frage schöpfung evolution theodizeefrage theodizeeproblem Weitere Fragen zu diesem Thema

 
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Problemstellung

 

Bei der Theodizee-Frage geht es um die Gerechtigkeit Gottes. Sie stellt sich aufgrund des biblischen Zeugnisses, dass einerseits Gott gut und allmächtig ist, dass aber andererseits das Böse existiert. Wie aber kann ein guter Gott soviel Leid in seiner Schöpfung verursachen oder zulassen? Das immense Leid scheint entweder gegen seine Allmacht oder gegen seine Güte zu stehen. Diese Frage ist einerseits angesichts des immensen Leides in der Welt verständlich, andererseits wird sie oft gestellt, um Gott auf die Anklagebank zu setzen, was sich angesichts der Majestät und Gottheit des Schöpfers verbietet. Die Frage stellt sich aber auch aus existenzieller Betroffenheit und hat dann eine seelsorgerliche Dimension. Vor diesem Hintergrund sollen die nachfolgenden Ausführungen verstanden werden.

 
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Antwortversuche

 

Die Theodizee-Frage wird oft dadurch zu lösen versucht, dass man auf die Freiheit des Menschen hinweist. Ohne Freiheit sei Liebe nicht zu verwirklichen. Diese Freiheit berge aber das Risiko des Scheiterns. Doch hier kann man weiterfragen, ob dieses Risiko nicht vermeidbar wäre, ohne die Liebe in Freiheit zu verlieren. Diese Antwort ist also nicht rundum befriedigend, und sie stößt schnell an die Grenzen des Denkens.

Manche Autoren versuchen die Problematik zu entschärfen, indem sie zwischen „natürlichem" und moralischem Bösen unterscheiden. Letzteres sei Resultat der menschlichen Freiheit. Ersteres stamme aus dem Gefüge der heilen Schöpfung Gottes selbst und sei notwendig, damit es eine relativ unabhängige Schöpfung überhaupt geben könne. Aber auch hier kann man wieder weiterfragen: Hätte ein allmächtiger Schöpfer nicht doch eine anders geartete Schöpfung erschaffen können?

Auf die Theodizee-Frage gibt es keine einfachen Antworten. Eine Antwort, die das Theodizee-Problem argumentativ und für jeden einsichtig löst, ist nicht in Sicht. Es scheint nur möglich zu sein, die negative Antwort auf die Theodizee-Frage (nämlich: „Es gibt keinen guten und allmächtigen Gott") argumentativ abzuweisen, z. B. indem auf die begrenzte Einsicht des Menschen hingewiesen wird. Gott kann von der menschlichen Logik nicht berechnet werden, weil seine Gedanken höher sind als die der Menschen. Der Glaube verliert damit aber nicht seine Rationalität, wenn er sie in den Rahmen der Majestät Gottes stellt. Diese ist immer vorrational, so wie bei jeder Weltanschauung ein vorrationales oder religiöses Element vorgeschaltet ist.

 
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Evolution verschärft das Theodizee-Problem

 

Das Theodizee-Problem wird in einer theistisch-evolutionär verstandenen Welt, in welcher sich Schöpfung durch einen Evolutionsprozess vollzieht, noch verschärft. Die Theodizee-Frage stellt sich in dieser Sichtweise nämlich auch folgendermaßen: Wie kann an Gottes Gerechtigkeit und Güte festgehalten werden, wenn Gott über hunderte von Millionen Jahren Krankheit, Missbildung, Grausamkeit, Tod, Artentod, und zuletzt (beim Menschen) auch Sünde eingesetzt hat, um die Lebewesen hervorzubringen? Sünde erscheint hier als Nebenprodukt des evolutionären Prozesses (so Teilhard de Chardin und viele andere in seinem Gefolge) (vgl. Artikel Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament). Das Übel erscheint demnach nicht als „Einbrecher" in eine ursprünglich leidfreie Schöpfung, sondern von vornherein als ihr Hausherr.

Im theistisch gedeuteten evolutionären Kontext erscheinen Leid und Tod als Schöpfungsmittel und nicht als Ausdruck und Folgen des göttlichen Gerichts über die Sünde des Menschen – biblisch gesehen ein wesentlicher Aspekt. In diesem Sinne muss von einer Verschärfung des Theodizee-Problems gesprochen werden – mehr noch: es stellt sich hier die Frage, ob im Rahmen einer evolutionär verstandenen Schöpfung, in welcher Sünde und Tod Schöpfungsmittel sind, die Theodizee definitiv zunichte gemacht wird. Vorsichtig ausgedrückt: Die Möglichkeiten, die Theodizee zu verteidigen, sind zusätzlich zu den ohnehin vorhandenen argumentativen Schwierigkeiten weiter eingeschränkt.

 
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Die biblische Urgeschichte als Teilantwort

 

Man kann durchaus die biblische Urgeschichte (1. Mose 1-11) als Teilantwort auf die Theodizee-Frage verstehen. Die biblische Urgeschichte gibt Auskunft, auf welchem Wege und durch welche Umstände das Böse in die Welt des Menschen kam. Gerhard von Rad sieht das Hauptanliegen der Paradieses- und Sündenfallerzählung darin, dass Gott und seine Schöpfung freigesprochen werden sollen von all dem Leid und der Mühsal, die in die Welt gekommen sind. Diese Erzählung wolle „zeigen, wie aus der Schöpfung das Chaos des gestörten Lebens geworden ist, das uns heute umgibt." (Von Rad versteht diese Aussage allerdings als Glaubensaussage, nicht wie der Verfasser als Seinsbestimmung.) Durch die Sünde des ersten Menschenpaares ist der Tod mit seinen Begleiterscheinungen in die Schöpfung eingedrungen. Die Fluchworte Gen 3,16-19 stellen klar, dass lebenseinschränkende Umweltbedingungen Folge des Falles und nicht Ordnung der ursprünglichen guten Schöpfung Gottes sind. Ebenso löste vermutlich auch die Sintflut weitere Beschränkungen der Lebensmöglichkeiten aus. Genesis 1-11 versteht sich somit insgesamt als Begründung der jetzigen Seinsverfasstheit.

Allerdings ist die Antwort der biblischen Urgeschichte auf die Theodizee-Frage unvollständig: Es wird z. B. nicht gesagt, woher der Versucher (1. Mose 3) kam. Andeutungen im Alten Testament sind zu vage, um klare Antworten geben zu können. Viele andere Fragen wie etwa die nach dem Ausmaß des Leides, werden ebenfalls nicht beantwortet.

 
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Einwand

 

Gegen diese „christliche Standardantwort" werden die Ergebnisse evolutionstheoretischer Forschung gestellt, wonach es keine paradiesische Zeit und keinen Sündenfall mit geschöpflichen Auswirkungen in der Menschheitsgeschichte gegeben habe. An dieser Stelle sei in aller Kürze darauf hingewiesen, dass das evolutionäre Verständnis vom Werden der Menschheit keinen Absolutheitsanspruch erheben kann. Die Geschichte der Menschheit und der übrigen Lebewesen steht einer direkten empirischen Untersuchung nicht offen; vielmehr werden Indizien (z. B. Fossilfunde) in einem vorgegebenen Deutungsrahmen interpretiert. Dieser Deutungsrahmen kann grundsätzlich unterschiedlich gewählt werden – auch in Form des traditionellen christlichen Verständnisses von der Urgeschichte der Menschheit. Dass hierbei wesentliche Fragen derzeit unbeantwortet sind, soll nicht verschwiegen werden; es wurde jedoch nach der Durchsetzung des evolutionären Naturverständnisses vergleichsweise sehr wenig versucht, in diesem Deutungsrahmen die naturkundlichen Daten zu deuten.

 
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Theodizee und Schöpfung

 

Dass die Bezugnahme auf Gott als Schöpfer in der Theodizee-Frage von besonderer Bedeutung ist, wird in demjenigen Buch der Bibel besonders deutlich, welches sich ausdrücklich mit der Theodizee beschäftigt: dem Buch Hiob. Wer dort eine rational nachvollziehbare Antwort auf die Frage des Leides erwartet, wird jedoch enttäuscht. Alle im Gespräch der Freunde Hiobs mit dem leidgeprüften Mann vorgetragenen Argumente werden von Hiob und schließlich von Gott selber in seiner Antwort (Buch Hiob, Kap. 38 ff.) abgewiesen. Gott gibt den Freunden Hiobs, die durch moralische oder philosophische Argumente das Böse gleichsam gedanklich in den Griff bekommen wollten, ausdrücklich unrecht.

Das Festhalten an der Theodizee scheint daher eine Sache des Glaubens zu sein. Für einen Nicht-Gläubigen ist das freilich eine Provokation, für den Gläubigen nicht selten eine Anfechtung. Dennoch gibt Gott in seiner Rede an Hiob eine gewisse Antwort, indem er auf seine Schöpfung verweist und darauf, dass Hiob bei der Erschaffung nicht anwesend war: „Wo warst du, als ich die Erde gründete?" (Hiob 38,4). Hiob wird angesichts der Majestät Gottes dazu geführt, seine Unwissenheit zu bekennen. Will Gott damit zum Ausdruck bringen, dass es dem Menschen nicht gegeben ist, die Theodizee rational zu demonstrieren? Will er sagen, dass der Umgang des Geschöpfes Mensch mit dem Leid nur der Weg des Vertrauens in Gottes Souveränität und Gutsein sein kann? Dabei ist Gott vertrauenswürdig, weil er der Schöpfer ist. Ohne das Schöpfungszeugnis verlöre die Antwort Gottes an Hiob ihren Inhalt. Die oft eingeforderte kritisch-rationale Diskussion kann aus christlicher Sicht wohl nur bis zu diesem Punkt geführt werden.

 
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Theodizee und die Existenz Gottes sowie Schlussbemerkungen

 

Mit dem Hinweis auf das scheinbar unlösbare Theodizee-Problem wird häufig die Existenz Gottes verneint. Damit wäre das Theodizee-Problem „gelöst". Doch wenn die Existenz Gottes verneint wird, bleibt die Frage nach der Herkunft der Schöpfung. Noch einmal wird an dieser Stelle die Wichtigkeit des biblischen Schöpfungszeugnisses gerade in der Theodizee-Frage deutlich. Wird Gott nicht mehr als souveräner Schöpfer gesehen – worauf faktisch konsequente theistisch-evolutionistische Entwürfe hinauslaufen – dann entscheidet sich die Theodizee definitiv zuungunsten Gottes.

Ohne dass damit eine Antwort auf die Theodizee-Frage gegeben wird, muss in ihrem Zusammenhang aus biblischer Sicht noch auf zwei Dinge hingewiesen werden:

Jesus Christus nahm selber die Last des Übels an und stellte sich unter die Last der Theodizee-Frage: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mt. 27,46)

Die Theodizee-Frage darf nicht losgelöst vom zukünftigen Handeln Gottes und der neuen Schöpfung betrachtet werden; Leid und Tod haben nicht das letzte Wort.

Literaturhinweis: R. Junker: Leben durch Sterben? Schöpfung, Heilsgeschichte und Evolution. Neuhausen-Stuttgart, 1994; Abschnitt 4.7.3

 
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Weitere Fragen zu diesem Thema

 

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Autor: Reinhard Junker, 17.05.2004

 
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