Ein Beispiel aus dem Beitrag „Entwürfe in Gottes Namen„ in der ZEIT vom 30. 4. 03 (19/2003) soll diese Situation illustrieren. Darin wird eine Auseinandersetzung mit der „Intelligent Design„-Bewegung geschildert. Unter anderem geht es dabei um die Saugfalle des Wasserschlauchs (Utricularia), einer Wasserpflanze, die einen ausgeklügelten Fangmechanismus besitzt. Darüber hat der Kölner Genetiker W.-E. Lönnig einen evolutionskritischen Beitrag publiziert. Der Artikel in der ZEIT berich- tet u. a. über die Sperrung evolutionskritischer Beiträge von Lönnig, die zuvor auf der Homepage des Max-Planck-Instituts für Züchtungsgenetik in Köln angesiedelt waren. Der ZEIT-Artikel endet wie folgt:
„Sind die erstaunlichen Fähigkeiten von Utricularia vulgaris auf dem Reißbrett einer unbekannten Größe entstanden? Handelt es sich, wie Lönnig sagt, um ein Beispiel für „nichtreduzierbare Komplexität" - ein Begriff, den Michael J. Behe, Biologe in Diensten des Discovery Institute, geprägt hat? Nach Kutscheras Ansicht hat kein Schöpfer bei diesem Geniestreich an der Pflanze herumgefingert. Zöge man den Einfluss übernatürlicher Kräfte in Betracht, dann „kann man die Naturwissenschaf- ten abschreiben". Einzig biologische Laien, sagt Kutschera, fielen auf die plumpen Argumente von Lönnig herein. Der Wasserschlauch zähle, gerade wegen seiner bizarren Fresskünste, zu den Paradebeispielen – für die Kräfte der Evolution."
Tatsächlich ist jedoch völlig unklar, wie der Wasserschlauch evolutionär entstan- den ist. Wenn der Botaniker Kutschera nun behauptet, der Wasserschlauch ge- höre „gerade wegen seiner bizarren Fresskünste, zu den Paradebeispielen für die Kräfte der Evolution", so ist das eine sachlich nicht gedeckte Behauptung, sondern Ausdruck einer persönlichen Meinung. Der unkundige Leser wird jedoch fälsch- licherweise annehmen, dass dieses Gebilde evolutionstheoretisch verstanden sei. In Wirklichkeit handelt es sich um eine bloße Behauptung, die von einer für viele als Autorität geltenden Person ausgesprochen wurde und daher ein gewisses Gewicht hat.
Weiter wird der Zugang zur eigentlichen naturwissenschaftlichen Fragestellung („Wie ist die hochkomplexe Synorganisation der Saugfalle des Wasserschlauchs durch evolutionäre Mechanismen entstanden?") durch Polemik blockiert. Denn der Lönnig-Kritiker Kutschera behauptet einfach, auf solch „plumpe Argumente" wür- den nur biologische Laien „hereinfallen". Wenn es sich wirklich um „plumpe Argu- mente" handeln würde, so könnte man sie sicher leicht als solche entlarven und den Andersdenkenden damit widerlegen. Doch das geschieht hier und in vielen ähnlich gelagerten Fällen nicht. Die sachliche Seite der Fragestellung wird häufig in solchen Auseinandersetzungen gar nicht ernsthaft diskutiert. |
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