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Evolution: Biologie

evolution, schöpfung

Interessierte: Beispiel Bakterienmotor

 

Inhalt

In diesem Artikel wird zunächst der Bakterien-Rotationsmotor beschrieben. An-
schließend wird ein hypothetischer „kleinster Motor" entworfen. Dessen evolutive Entstehung soll von bereits vorhandenen Proteinen ausgegangen sein, die durch wenige Mutationen zu den Motorproteinen geworden seien. Die minimal benötigen Änderungsschritte werden abgeschätzt und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser Änderungen ermittelt.

evolution, schöpfung Ausgangssituation

evolution, schöpfung Der Bakterienmotor

evolution, schöpfung Ein hypothetischer „einfachster Motor“

evolution, schöpfung Hypothese 1: Entstehung eines „primitiven“ Bakterienmotors ohne Berücksichtigung neutraler Evolution

evolution, schöpfung Hypothese 2: Entstehung eines „primitiven“ Bakterienmotors durch neutrale Evolution ohne Berücksichtigung nachteiliger Mutationen

evolution, schöpfung Ist Neutrale Evolution die Lösung für alle Evolutionsprobleme?

evolution, schöpfung Voraussetzungen für das Verständnis der Motorevolution

evolution, schöpfung Wahrscheinlichkeitsaussagen zur Evolution sind grundsätzlich problematisch

evolution, schöpfung Zusammenfassung

evolution, schöpfung Literatur

 
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Ausgangssituation

 

Im Artikel „Grundsätzliches zu Wahrscheinlichkeitsrechnungen" wurden Einwände gegen evolutionskritische Wahrscheinlichkeits-Abschätzungen besprochen. Im folgenden sollen anhand des Bakterien-Rotationsmotor solche Wahrscheinlichkeits-Abschätzungen zur evolutiven Entstehung durchgeführt wer-
den. Dabei wird die erwähnte Kritik berücksichtigt. Im Einzelnen wird Folgendes zugrundegelegt bzw. wie folgt vorgegangen.

1. Der molekulare Aufbau des Bakterienmotors ist bekannt (s. u.).
2. Wir gehen zugunsten der Evolutionstheorie davon aus, dass ein Bakterienmo-
tor auch mit viel einfacherer Ausstattung als der tatsächlich vorhandenen funktio-
nieren kann (ein hypothetischer „einfachster Motor").
3. Es wird gezeigt, weshalb die Minimalausstattung des „einfachsten Motors" nicht mehr reduziert werden kann, also eine irreduzible Komplexität aufweist.
4. Es wird angenommen, dass diese unverzichtbaren Komponenten des „einfachs-
ten Motors" schon in einem anderen Zusammenhang vorhanden waren, bevor es diesen Motor gab. Auch dies ist eine evolutionsfreundliche Annahme.
5. Es wird berücksichtigt, dass Selektion wirkt.
6. Das Vorkommen neutraler Mutationen wird berücksichtigt.

 
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Der Bakterienmotor

 

Bakterien sind zum Wachstum darauf angewiesen, Nährstoffe aus ihrer Umgebung aufzunehmen. Dabei kann es sich als vorteilhaft erweisen, wenn sich die Zelle in einem Konzentrationsgefälle in Richtung einer Nährstoffquelle bewegen kann. An-
dererseits sind Bakterien auch negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt, beispiels-
weise Giftstoffen. Auch hier ist eine aktive Bewegung, weg von der Gefahrenquel-
le, von Vorteil. Zahlreiche Bakterien können sich aktiv bewegen (Abb. 39) und manche verfügen zu diesem Zweck über einen Rotationsmotor.

Aufbau des Motors. Jeder Motor bedarf einer Steuerung. Dazu gehören Sensor-
proteine, Signalübertragungsproteine und Schaltproteine. (Die Sensorproteine können zum Beispiel Nährstoffmoleküle wie Zucker in der Zellumgebung erkennen, es handelt sich gewissermaßen um die „Nase" der Bakterien; die Signalübertra-
gungsproteine transportieren das eingegangene Signal zum Motor; die Schaltpro-
teine steuern den Motor direkt an.) In der Bakterienwelt wurden Bakterienmoto-
ren unterschiedlichster Konstruktionsart gefunden. Der Motor von Escherichia coli ist jedoch auf genetischer Ebene am besten untersucht. Man weiß heute, dass er inklusive der zellulären Konstruktionsproteine (diese bauen den Motor zusammen) von über 40 Proteinen gebildet wird. Die zugehörige Steuerung (Chemotaxis) be-
steht aus ungefähr 8 Proteinen. Die Zahl der Basenpaare, die die entsprechenden Gene mit ihren Regulatorregionen codieren, liegt weit über 60.000. Mit Hilfe mole-
kulargenetischer Untersuchungen konnte man die Grundstruktur des Motors re-
konstruieren.

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Ein Bakterienmotor besteht aus fünf Funktionsgrundelementen: Die Bakteriengei-
ßel
(Flagellum) entspricht der „Schiffsschraube". Durch Drehung der flexiblen Gei-
ßel wird der Vortrieb des Bakteriums erzeugt. Die Geißel ist vor allem aus dem Pro-
tein Flagellin aufgebaut. Dieses Protein besteht wiederum aus etwas mehr als 400 Aminosäuren, seine Aminosäuresequenz und die dazugehörige Gensequenz sind bekannt. Diese Geißel ist über ein Winkelstück (Verbindungselement) an eine Ro-
tationsachse
gekoppelt, die von Lagern in der Cytoplasmamembran und der Zell-
wand der Bakterienzelle in Position gehalten wird. Die Gene, die für die Proteine der Achse und der Lager codieren, sind ebenfalls bekannt. Die Rotationsachse und damit die Bakteriengeißel wird über Antriebsproteine in Rotation versetzt. Dabei ist noch nicht ganz klar, wie dies genau erfolgt, obwohl man die Gensequenz der entsprechenden Proteine kennt. Sicher ist nur, dass der Motor von der Energie ge-
trieben wird, die im Protonengradienten über der Cytoplasmamembran gespei-
chert ist. Dieser Protonengradient erzeugt außen eine gegenüber dem Cytoplas-
ma positiv geladene Umgebung. Das Spannungsgefälle (= Membranpotential) be-
trägt rund 0,2 V. Bildlich gesprochen ist die Bakterienzelle eine „0,2V-Batterie", die den „Super-Nano-Elektromotor" antreiben kann.

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Ein hypothetischer „einfachster Motor“

 

Unter Biologen besteht Einigkeit darüber, dass Bakterien zu einem frühen Zeit-
punkt der Evolution nicht über einen Motor verfügt haben. Wie könnte ein erster, sehr primitiver Bakterienmotor ausgesehen haben und aus welchen Vorläuferbe-
standteilen könnte er entstanden sein? Um diese Frage zu behandeln, werden wir das Problem radikal vereinfachen und zu diesem Zwecke teilweise sehr unrealis-
tische Annahmen zugunsten der Makroevolutionshypothese
treffen:

 
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1. Nur fünf Elemente. Ein erster Motor benötigt jedes der vorstehend genannten fünf Grundelemente, also Bakteriengeißel, Winkelstück, Rotationsachse, Lager und Motorprotein (Abb. 41). Wenn eines dieser Grundelemente fehlt, wird, wie man leicht sehen kann, die entstandene Struktur keine Motorfunktion ausüben können, sondern nur unnötige Stoffwechselenergie kosten. Ein solches Bakterium wird im Selektionsprozess nicht bestehen können, sondern aussterben und so für weitere Evolutionsexperimente nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine molekularbiologi-
sche Grundlage für die Spekulation, dass diese fünf Elemente tatsächlich – wenn auch unvollkommen – die Funktion von heute mehr als 40 Proteinen übernehmen können, besteht allerdings nicht.

2. Eine Steuerung ist erforderlich. Ein laufender Motor ist ein Selektionsnachteil, wenn er nicht gesteuert werden kann. Daher muss auch eine Steuerung vorhan-
den gewesen sein, die mindestens aus einem Sensorprotein und einem Signal-
übertragungsprotein bestanden haben muss. Wiederum besteht keine molekular-
biologische Grundlage für die Annahme, dass diese zwei Proteine prinzipiell die Funktion von heute ca. 8 Proteinen übernehmen könne.

3. Umbau vorhandener Proteine. Die erforderlichen Proteine sollen durch den Umbau von schon vorhandenen ähnlichen Proteinen mit einer vorher anderen Funktion erzeugt worden sein. Welche Gene dafür zur Verfügung standen, ist unbekannt.

4. Voranpassungen. Diese Vorläuferproteine sollen, obwohl sie eine andere Funktion hatten, doch den späteren Motorproteinen durch eine unbekannte Präadaptationen (=Voranpassungen) so ähnlich gewesen sein, dass nur an je drei unbekannten Aminosäurepositionen ein Umbau erforderlich war, um das Motorprotein mit neuer Funktion, also etwa ein Rotationsachsenprotein, zu erzeugen. Dies ist wiederum ziemlich unwahrscheinlich, da ein Protein mit drei veränderten Aminosäuren praktisch immer noch das gleiche ist. Ein Blick in die modernen Datenbanken zeigt, dass Proteine, bei denen bis zu 50% der Amino-
säuren unterschiedlich sind, fast immer eine nahezu identische Funktion ausübe.

5. Duplikationen. Die für die neuartige Konstruktion notwendigen Umbauten sollen in Duplikaten der „präadaptierten" Gene erfolgen. Wie von Osche treffend formuliert wurde, kann ein Lebewesen während der Veränderungen im angenom-
menen Evolutionsprozess ja nicht „wegen Umbau vorübergehend schließen.

Zwischenergebnis: zwei Basisfunktionszustände. Wir haben damit zwei Basis-
funktionszustände definiert. Der Ausgangszustand ist eine Bakterienzelle ohne Motor, jedoch mit 7 unbekannten Genen, die aus unbekannten Gründen präadap-
tiert
(=vorangepasst)
sind und durch nur drei unbekannte Veränderun-
gen in die jeweilige Motorproteinfunktion überführt werden können. Der durch die wenigsten Veränderungen erreichbare, nächste Basisfunktionszustand trägt 7 veränderte Proteine, die zusammen einen ersten, noch sehr primitiven, aber doch funktionsfähigen Motor aufbauen. Erst wenn ein funktionsfähiger (wenn auch pri-
mitiver) Motor vorhanden ist, kann er durch Selektion optimiert werden. Zuvor wird eine noch funktionslose „Vorstuktur" von der Selektion ausgemerzt werde.

Wir halten nochmals fest, dass bei dieser Abschätzung zugunsten der Evolutions-
lehre
Grundvoraussetzungen gewählt wurden, die im krassen Widerspruch zum gegenwärtigen biologischen Wissen stehen.

 
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Hypothese 1: Entstehung eines „primitiven“ Bakterienmotors ohne Berücksichtigung neutraler Evolution

 

Mutationsereignisse kann man besonders gut bei Bakterien messen. Die heutige Punktmutationshäufigkeit bei Bakterien wird pro Nukleotid (=Einzelbaustein des Erbmoleküls DNS) mit rund 7 • 10-10 gemessen. Wenn im Folgenden von Mutationen die Rede ist, dann schränken wir uns nicht auf Punktmutationen (=Mutation, bei der nur ein einziges Nukleotid = DNS-Baustein verändert wird) ein. Alle anderen Mutationsarten sollen, auch gemischt, vorkommen können. Dabei gehen wir von der groben Vereinfachung aus, dass alle Mutationen in etwa mit der Häufigkeit von Punktmutationen auftreten. Wir wollen jedoch zugunsten der Evolutionshypothese voraussetzen, dass die Mutationshäufigkeit in früheren Erdzeitaltern mit 10-8 über 10 mal so hoch wie heute gewesen sein soll. Wenn ein Gen aus 1000 Basenpaaren besteht, dann liegt die Wahrscheinlichkeit P für irgendeine Mutation in diesem Gen.

P(1) = 1000 • 10-8 = 10-5.

Das bedeutet, dass unter 100.000 Bakterienzellen eine zu finden ist, die in diesem Gen eine Mutation an einer beliebigen (!) Position trägt.

Wir nehmen ferner an, dass die Mutationsereignisse voneinander unabhängig sind. Dies ist der Fall, wenn eine einzige Mutation nicht ausreicht, um eine neue, erste, einfache, auf jeden Fall selektierbare Funktion eines Gens zu erzeugen. Wenn wir eines der oben genannten „präadaptierten" Gene durch nur drei Mutationen zu einem sehr einfachen Bakterienmotorprotein „umbauen" wollen, dann ergibt sich als Wahrscheinlichkeit dafür

P(3) = (10-5)3 = 10-15,

vorausgesetzt, dass keine nachteiligen Mutationen aufgetreten sind. Die Entstehung eines einzigen Motorproteins führt aber nicht zu einer Motorfunktion, die von der Selektion begünstigt wird. Eine Bakterienzelle mit nur einem solchen Protein würde im Gegenteil von der Selektion ausgemerzt werden, da kostbare Stoffwechselenergie in momentan sinnlose Proteine vergeudet würde. Für einen spürbaren Selektionsvorteil benötigen wir, wie oben ausgeführt, fünf Motorproteine sowie zwei Steuerproteine – denn ein ungesteuerter Motor ist für eine Bakterienzelle nur nachteilig. Für den Umbau von sieben entsprechend „präadaptierten" Proteinen benötigen wir insgesamt also 3 • 7 = 21 Mutationen. Da diese Mutationen jedoch in duplizierten Genen geschehen müssen, damit die bisherigen Funktionen der Zelle nicht gestört werden, benötigen wir noch zusätzlich sieben Genduplikationen (=Verdopplung von Genen) (Abb. 42). 28 Veränderungen werden wegen ihrer Unabhängigkeit mit einer Wahrscheinlichkeit von

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P(28) = (10-5)28 = 10-140.

auftreten. Diese Zahl ist unvorstellbar klein. Sie bezieht sich allerdings auf eine Bakterienzelle und eine einzige Zellteilung (Generationszeit). Im Laufe der Erdge-
schichte hat es aber sehr viele Bakterienzellen gegeben, so dass auch ein sehr unwahrscheinliches Ereignis eintreten könnte. In Abb. 43 wird eine Obergrenze von etwa 1046 Bakterien abgeleitet, die maximal insgesamt auf der ganzen Erde existiert haben könnte.

Die Wahrscheinlichkeit, dass in irgendeiner dieser Bakterienzellen irgendwann die gewünschten 28 Mutationen zusammen aufgetreten sind, beträgt demnach:

P(28, Erde) = 10-140 • 1046 = 10-94.

Diese Zahl ist immer noch unvorstellbar klein.

Ist damit die Evolution komplexer Strukturen ad absurdum geführt? In der eben beschriebenen ersten Hypothese steckt eine höchst problematische Annah-
me: Veränderungen der evolvierenden Motorgene durch neutrale Evolution blie-
ben völlig unberücksichtigt. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn entweder die Populationsgröße unendlich ist oder wenn alle Motormutationen, die nicht in die Richtung eines funktionsfähigen, primitiven Motors führen, aus der Population sofort wieder entfernt werden (durch negative Selektion oder durch fehlende Vererbung). Beide Annahmen sind höchst problematisch, deshalb wird neutrale Evolution die abgeschätzten Wahrscheinlichkeiten signifikant beeinflussen.

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Hypothese 2: Entstehung eines „primitiven“ Bakterienmotors durch neutrale Evolution ohne Berücksichtigung nachteiliger Mutationen

In einem für einen primitiven Motor präadaptierten, duplizierten Gen ereigne sich eine Mutation, welche für den späteren Funktionswechsel gebraucht wird, aber an sich noch keinen positiven Selektionswert besitzt. Diese Mutation breitet sich in der Population durch genetische Drift (=zufällige Änderung der Häufigkeit der Genvarianten ohne Selektionswirkung) aus (d.h. ohne dass sie selektiert wird). Zu einem späteren Zeitpunkt ereigne sich eine zweite, für den Motor notwendige Mutation, welche ebenfalls durch neutrale Evolution (=Evolution durch Gendrift bzw. neutrale Mutationen) fixiert wird, dann folgen weitere Mutationen, auch in anderen präadaptierten, späteren Motorgenen, bis die notwendigen Veränderungen für einen „primitiven Motor" zustandegekommen sind. Dieser kann jetzt durch Selektion optimiert werde..

Die Akkumulation der benötigten Mutationen lässt sich unter folgenden Bedingun-
gen (siehe Abb. 42) durch die neutrale Theorie der Evolution auch zahlenmäßig erfasse.

  • Die notwendigen Mutationen sind in der Gegenwart wirklich neutral (und nicht nachteilig), wenn sie einzeln oder in beliebigen Kombinationen vorkommen. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass einfache Schritte in Richtung Motor meistens neutral sind, insbesondere, wenn sie in duplizierten Genen stattfinden.
  • Jede Mutation kann sich unabhängig von allen anderen durch horizontalen Gen-
    transfer
    (=Übertragung von Genen in das Erbgut eines anderen Organismus) in der Population beliebig bewegen. Auch wenn Bakterien sich nicht sexuell vermehren, so gibt es doch gute Hinweise darauf, dass ein gewisses Maß an horizontalem Gentransfer genügt, um sie „quasi-sexuell" zu machen (nur für diesen Fall gelten die Formeln der Neutralen Evolutionstheorie.
  • Es wird davon ausgegangen, dass sich die effektive Populationsgröße Ne für die Population in der gleichen Größenordnung bewegt wie für E. coli heute: etwa 3 • 109 Zelle.
  • Die Mutationsrate µ betrage 10-8 Mutationen pro Generation pro Basenpaar und eine Generation soll 20 Minuten dauern.

Da unter diesen Bedingungen im Durchschnitt alle 1/µ Generationen eine neutrale Mutation fixiert wird, dauert es lediglich.

(1/µ) • 28 = 2.800.000.000 Generation.

oder ca. 100.000 Jahr.

um so die benötigten 28 Mutationen zusammenzubringen. Weil die Fixierungsrate nur von der Mutationsrate bestimmt wird, bleibt sie für alle Populationsgrößen konstant. Bisher wurde nur der Abstand zwischen den einzelnen Fixierungen be-
rücksichtigt. Wenn zu Beginn keine einzige Motormutation vorhanden ist, dann dauert es für haploide Genome im Durchschnitt 2Ne Generationen, bis die erste Mutation fixiert wurde. Für eine Population der Größe Ne = 3 • 109 dauert di.

2Ne = 6 • 109 Generationen = ca. 200.000 Jahr.

In einer kleineren Population erfolgt die Fixierung der ersten Mutation jedoch viel schneller. Insgesamt kann die Evolution des gesamten primitiven Bakterienmotors unter diesen Bedingungen in einigen hunderttausend Jahren erfolgen. Hypothe-
se 2 kommt also zu gänzlich anderen Ergebnissen als Hypothese 1.

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Ist Neutrale Evolution die Lösung für alle Evolutionsprobleme?

 

Der scheinbare Erfolg wird durch höchst problematische Annahmen erkauft. Damit ist nicht in erster Linie gemeint, dass alle Motormutationskombinationen neutral sein müssen. Es mag auch noch im Rahmen des Möglichen liegen, dass horizon-
taler Gentransfer („Rekombination") in der Population hinreichend häufig ist. Wenn diese beiden Punkte etwas realistischer gestaltet werden, würde das die Motor-
evolution etwas länger dauern lassen, könnte sie aber in 4 Milliarden Jahren kaum verhindern. Ähnliches gilt für eine Erhöhung der benötigten Zahl der Mutationen. Wenn statt 28 Mutationen in Wirklichkeit einige hundert Mutationen benötigt würden (was eine realistischere Zahl ist), dann erfolgt die Evolution des Motors in einigen Millionen Jahre.

Das wirkliche Problem liegt in der Annahme, dass in den künftigen Motorgenen keine nachteiligen Mutationen auftreten dürfen. Dies widerspricht jedoch der Erfahrung, dass es viel mehr nachteilige als vorteilhafte Mutationen gibt. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass dies bei der Konstruktion eines (evtl. noch abge-
schalteten) Bakterienmotors nicht der Fall sein sollte. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass auf die Akkumulation von einer (für den späteren Motor) vorteil-
haften Mutation mehrere für den späteren Motor nachteilige Mutationen kommen, die sich eben auch erst dann ausprägen, wenn der Motor eingeschaltet wird. Diese nachteiligen Mutationen müssen aber beseitigt werden, da sie sonst die primitive Motorfunktion zerstören. Eine solche Beseitigung ist grundsätzlich zwar möglich, erfordert aber weitere vorteilhafte Mutationen. Während auf die retten-
den Mutationen gewartet wird, werden allerdings wieder andere nachteilige Muta-
tionen auftreten, die wiederum kompensatorische Mutationen nötig machen usw. Es ist nicht einsichtig, weshalb dieses Rennen am Ende von den wenigen „posi-
tiven" (= präadaptiven) Mutationen gewonnen werden sollte.
Eine präzise Be-
rechnung dieser Prozesse ist allerdings bisher kaum vorstellbar.

Zwischenergebnis. Beide Rechnungen der vorigen Abschnitte beruhen auf biolo-
gisch nicht haltbaren Annahmen: Es ist offensichtlich, dass neutrale Evolution ab-
läuft und es ist offensichtlich, dass mehr nachteilige als vorteilhafte Mutationen auftreten. Leider kann man bisher nur dann konkrete Wahrscheinlichkeiten be-
rechnen, wenn man derart grob falsche Annahmen einführt. Die Realität dürfte ir-
gendwo zwischen den beiden extremen Hypothesen liegen. Im folgenden Ab-
schnitt wird besprochen, wie realistische Berechnungen hierzu aussehen könnten.

 
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Voraussetzungen für das Verständnis der Motorevolution

 

Um einen Evolutionsprozess auf molekularer Ebene zu erfassen, benötigen wir Modelle, die sowohl genetische Drift als auch nachteilige Mutationen berücksich-
tigen und genügend nahe an der biologischen Realität sind, um einen glaubhaf-
teren Eindruck zu hinterlassen als obige Spezialfälle.

Die gesuchten Modelle gibt es (noch) nicht. Solche Modelle sind auch für die bes-
ten Mathematiker kaum noch durch analytische Formeln beschreibbar. Sie werden berechnet, indem ihre elementaren biologischen Prozesse in schnellen Computern simuliert werden. Der Computer beobachtet dabei sozusagen die Vorhersagen des Modells. Weil interessante Modelle viele verschiedene Eingabewerte besitzen (z.B. Mutationsraten, Selektionskoeffizienten, Populationsgrößen, etc.), sind sehr viele verschiedene Simulationen erforderlich, um ein bestimmtes Modell zu testen. Zuverlässige Aussagen wird man aber erst gewinnen, wenn verschiedene Model-
le, welche die gleiche Realität verschieden beschreiben, zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen. Um der biologischen Realität näher zu kommen gilt es unter anderem folgendes zu berücksichtige.

  • Vorteilhafte, neutrale und nachteilige Mutationen verschiedener Effekte, in Kom-
    bination mit verschiedenen Populationsgröße.
  • Mutationen sitzen alle in einem Genom, welches bei Bakterien entweder gar nicht, oder selten oder gelegentlich rekombiniert. Durch diese wechselnden Kopplungen verschiedener Stärke wird die Ausbreitung der beteiligten Mutationen beeinfluss.
  • Populationsgröße und Populationsstruktur haben einen nicht geringen Einfluss auf Evolution. Verschiedene realistische Szenarien sollten getestet werde.
  • Ausführliche Proteindesignexperimente müssen klären, wie viele Mutationen wirklich nötig sind, damit ein primitiver Motor auch tatsächlich funktioniert.
  • Molekularbiologische Genomanalysen müssen zeigen, ob es Gene gibt, welche als präadaptiert für die Motorevolution betrachtet werden können und, wenn ja, wie sie evolvieren könnte.
  • Ökologische Untersuchungen zum tatsächlichen Selektionswert des Motor.
  • Wie geht die Evolution eigentlich nach dem primitiven Motor weiter? Läuft eine Optimierung ohne weiteres ab, oder gibt es dann noch ungeahnte Schwierigkeiten.

Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich hierbei um ein ganzes Forschungs-
programm. Evolution komplexer Strukturen ist offenbar nicht einfach zu verstehen. Doch nun noch etwas Grundsätzliches zu Entstehungswahrscheinlichkeiten.

 
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Wahrscheinlichkeitsaussagen zur Evolution sind grundsätzlich problematisch

 

Was wird die beste von Menschen konstruierbare Motorevolutionshypothese über Evolutionswahrscheinlichkeiten aussagen können? Sie wird keine überastronomi-
schen Unwahrscheinlichkeiten berechnen, auch dann nicht, wenn Motorevolution praktisch unmöglich sein sollte. Das hängt damit zusammen, dass die Wahrschein-
lichkeit eines Ereignisses nur angegeben werden kann, wenn es auch beobachtet wird. Nicht beobachtete Ereignisse können nur durch eine Obergrenze der Wahr-
scheinlichkeit charakterisiert werden: Daran ändern auch große Zahlen von Simu-
lationen nichts: Selbst nach 100 Millionen Simulationen mit negativem Ergebnis wird man nur festhalten, dass eine Motorentstehung weniger wahrscheinlich ist als etwa 10-8 (der Kehrwert der Zahl der Simulationen) – diese Zahl ist aber nicht sehr klein, obwohl man 100 Millionen Simulationen kaum durchführen kann. Auch künftig wird man den mathematischen „Quasi-Beweis" für oder gegen Evolu-
tion also vergeblich suchen.

Komplexe Modelle bieten aber viel mehr Möglichkeiten, als nur Ja/Nein-Ergebnisse zu registrieren. Sie können Trends erfassen: Ist ein Motor am Entstehen oder wird ein Motor eher zerlegt? (Schließlich muss in jeder Simulation entschieden werden, ob der Motor schon evolviert ist oder nicht.) Beobachtet man diese Trends, so wird man eine starke Aussage dazu bekommen, ob Motorevolution realistisch ist oder nicht. Wahrscheinlichkeiten spielen dann keine so große Rolle mehr.

 
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Zusammenfassung

 

1. Man kann vereinfachte Modelle zur Evolution komplexer Strukturen entwerfen, die konkrete Zahlen über die Wahrscheinlichkeit der Evolutionsprozesse ergeben. Diese Modelle müssen jedoch mit Annahmen arbeiten, die biologisch gesehen falsch sind..

2. Die mechanistische Analyse von Makroevolution führt uns an die Grenzen unse-
res Wissens in Molekularbiologie, Populationsgenetik, Ökologie, Mathematik und Informatik. Viel Forschung wird nötig sein, um hier weiterzukommen..

3. Die realistische Modellierung von Evolutionsprozessen wird auch bei zunehmen-
der biologischer Erkenntnis nur über Computersimulationen möglich sein. Sollte dabei als Ergebnis herauskommen, dass ein solcher Evolutionsprozess sehr unre-
alistisch ist, wird es trotzdem nicht sinnvoll sein, daraus konkrete Wahrscheinlich-
keitswerte abzuleiten..

4. Trotz aller Kenntnislücken scheint sich abzuzeichnen, dass die bekannten mole-
kularen Evolutionsmechanismen den Ursprung einer komplexen Struktur wie des Bakterienmotors nicht erklären können. Das Hauptproblem liegt in der Tatsache, dass Makroevolution ein Konstruktionsproblem ist (eine Struktur zeigt nur dann eine Funktion, wenn viele Einzelteile zugleich zusammenkommen), während mikro-
evolutive Vorgänge teilweise gut verstandene Optimierungsprobleme sind, die über kleinste Selektionsschritte laufen können.

 
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Literatur

 

Junker R & Scherer S (2001) Evolution – ein kritisches Lehrbuch. Giessen.

Scherer S (1983) Basic functional states in the evolution of cyclic photosynthetic electron transport. J. Theor. Biol. 104, 289-299.

 
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Autor: Studiengemeinschaft Wort und Wissen, 07.09.2004

 
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