Evolution: Biologie | |
Interessierte: Beispiel Bakterienmotor |
InhaltIn diesem Artikel wird zunächst der Bakterien-Rotationsmotor beschrieben. An- Ein hypothetischer „einfachster Motor“ Hypothese 1: Entstehung eines „primitiven“ Bakterienmotors ohne Berücksichtigung neutraler Evolution Ist Neutrale Evolution die Lösung für alle Evolutionsprobleme? Voraussetzungen für das Verständnis der Motorevolution Wahrscheinlichkeitsaussagen zur Evolution sind grundsätzlich problematisch |
Ausgangssituation |
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Im Artikel „Grundsätzliches zu Wahrscheinlichkeitsrechnungen" wurden Einwände gegen evolutionskritische Wahrscheinlichkeits-Abschätzungen besprochen. Im folgenden sollen anhand des Bakterien-Rotationsmotor solche Wahrscheinlichkeits-Abschätzungen zur evolutiven Entstehung durchgeführt wer- 1. Der molekulare Aufbau des Bakterienmotors ist bekannt (s. u.). |
1. Nur fünf Elemente. Ein erster Motor benötigt jedes der vorstehend genannten fünf Grundelemente, also Bakteriengeißel, Winkelstück, Rotationsachse, Lager und Motorprotein (Abb. 41). Wenn eines dieser Grundelemente fehlt, wird, wie man leicht sehen kann, die entstandene Struktur keine Motorfunktion ausüben können, sondern nur unnötige Stoffwechselenergie kosten. Ein solches Bakterium wird im Selektionsprozess nicht bestehen können, sondern aussterben und so für weitere Evolutionsexperimente nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine molekularbiologi- 2. Eine Steuerung ist erforderlich. Ein laufender Motor ist ein Selektionsnachteil, wenn er nicht gesteuert werden kann. Daher muss auch eine Steuerung vorhan- 3. Umbau vorhandener Proteine. Die erforderlichen Proteine sollen durch den Umbau von schon vorhandenen ähnlichen Proteinen mit einer vorher anderen Funktion erzeugt worden sein. Welche Gene dafür zur Verfügung standen, ist unbekannt. 4. Voranpassungen. Diese Vorläuferproteine sollen, obwohl sie eine andere Funktion hatten, doch den späteren Motorproteinen durch eine unbekannte Präadaptationen (=Voranpassungen) so ähnlich gewesen sein, dass nur an je drei unbekannten Aminosäurepositionen ein Umbau erforderlich war, um das Motorprotein mit neuer Funktion, also etwa ein Rotationsachsenprotein, zu erzeugen. Dies ist wiederum ziemlich unwahrscheinlich, da ein Protein mit drei veränderten Aminosäuren praktisch immer noch das gleiche ist. Ein Blick in die modernen Datenbanken zeigt, dass Proteine, bei denen bis zu 50% der Amino- 5. Duplikationen. Die für die neuartige Konstruktion notwendigen Umbauten sollen in Duplikaten der „präadaptierten" Gene erfolgen. Wie von Osche treffend formuliert wurde, kann ein Lebewesen während der Veränderungen im angenom- Zwischenergebnis: zwei Basisfunktionszustände. Wir haben damit zwei Basis- Wir halten nochmals fest, dass bei dieser Abschätzung zugunsten der Evolutions- |
Hypothese 1: Entstehung eines „primitiven“ Bakterienmotors ohne Berücksichtigung neutraler Evolution |
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Mutationsereignisse kann man besonders gut bei Bakterien messen. Die heutige Punktmutationshäufigkeit bei Bakterien wird pro Nukleotid (=Einzelbaustein des Erbmoleküls DNS) mit rund 7 • 10-10 gemessen. Wenn im Folgenden von Mutationen die Rede ist, dann schränken wir uns nicht auf Punktmutationen (=Mutation, bei der nur ein einziges Nukleotid = DNS-Baustein verändert wird) ein. Alle anderen Mutationsarten sollen, auch gemischt, vorkommen können. Dabei gehen wir von der groben Vereinfachung aus, dass alle Mutationen in etwa mit der Häufigkeit von Punktmutationen auftreten. Wir wollen jedoch zugunsten der Evolutionshypothese voraussetzen, dass die Mutationshäufigkeit in früheren Erdzeitaltern mit 10-8 über 10 mal so hoch wie heute gewesen sein soll. Wenn ein Gen aus 1000 Basenpaaren besteht, dann liegt die Wahrscheinlichkeit P für irgendeine Mutation in diesem Gen. P(1) = 1000 • 10-8 = 10-5. Das bedeutet, dass unter 100.000 Bakterienzellen eine zu finden ist, die in diesem Gen eine Mutation an einer beliebigen (!) Position trägt. Wir nehmen ferner an, dass die Mutationsereignisse voneinander unabhängig sind. Dies ist der Fall, wenn eine einzige Mutation nicht ausreicht, um eine neue, erste, einfache, auf jeden Fall selektierbare Funktion eines Gens zu erzeugen. Wenn wir eines der oben genannten „präadaptierten" Gene durch nur drei Mutationen zu einem sehr einfachen Bakterienmotorprotein „umbauen" wollen, dann ergibt sich als Wahrscheinlichkeit dafür P(3) = (10-5)3 = 10-15, vorausgesetzt, dass keine nachteiligen Mutationen aufgetreten sind. Die Entstehung eines einzigen Motorproteins führt aber nicht zu einer Motorfunktion, die von der Selektion begünstigt wird. Eine Bakterienzelle mit nur einem solchen Protein würde im Gegenteil von der Selektion ausgemerzt werden, da kostbare Stoffwechselenergie in momentan sinnlose Proteine vergeudet würde. Für einen spürbaren Selektionsvorteil benötigen wir, wie oben ausgeführt, fünf Motorproteine sowie zwei Steuerproteine – denn ein ungesteuerter Motor ist für eine Bakterienzelle nur nachteilig. Für den Umbau von sieben entsprechend „präadaptierten" Proteinen benötigen wir insgesamt also 3 • 7 = 21 Mutationen. Da diese Mutationen jedoch in duplizierten Genen geschehen müssen, damit die bisherigen Funktionen der Zelle nicht gestört werden, benötigen wir noch zusätzlich sieben Genduplikationen (=Verdopplung von Genen) (Abb. 42). 28 Veränderungen werden wegen ihrer Unabhängigkeit mit einer Wahrscheinlichkeit von |
P(28) = (10-5)28 = 10-140. auftreten. Diese Zahl ist unvorstellbar klein. Sie bezieht sich allerdings auf eine Bakterienzelle und eine einzige Zellteilung (Generationszeit). Im Laufe der Erdge- Die Wahrscheinlichkeit, dass in irgendeiner dieser Bakterienzellen irgendwann die gewünschten 28 Mutationen zusammen aufgetreten sind, beträgt demnach: P(28, Erde) = 10-140 • 1046 = 10-94. Diese Zahl ist immer noch unvorstellbar klein. Ist damit die Evolution komplexer Strukturen ad absurdum geführt? In der eben beschriebenen ersten Hypothese steckt eine höchst problematische Annah- |
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Hypothese 2: Entstehung eines „primitiven“ Bakterienmotors durch neutrale Evolution ohne Berücksichtigung nachteiliger Mutationen |
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In einem für einen primitiven Motor präadaptierten, duplizierten Gen ereigne sich eine Mutation, welche für den späteren Funktionswechsel gebraucht wird, aber an sich noch keinen positiven Selektionswert besitzt. Diese Mutation breitet sich in der Population durch genetische Drift (=zufällige Änderung der Häufigkeit der Genvarianten ohne Selektionswirkung) aus (d.h. ohne dass sie selektiert wird). Zu einem späteren Zeitpunkt ereigne sich eine zweite, für den Motor notwendige Mutation, welche ebenfalls durch neutrale Evolution (=Evolution durch Gendrift bzw. neutrale Mutationen) fixiert wird, dann folgen weitere Mutationen, auch in anderen präadaptierten, späteren Motorgenen, bis die notwendigen Veränderungen für einen „primitiven Motor" zustandegekommen sind. Dieser kann jetzt durch Selektion optimiert werde.. Die Akkumulation der benötigten Mutationen lässt sich unter folgenden Bedingun-
Da unter diesen Bedingungen im Durchschnitt alle 1/µ Generationen eine neutrale Mutation fixiert wird, dauert es lediglich. (1/µ) • 28 = 2.800.000.000 Generation. oder ca. 100.000 Jahr. um so die benötigten 28 Mutationen zusammenzubringen. Weil die Fixierungsrate nur von der Mutationsrate bestimmt wird, bleibt sie für alle Populationsgrößen konstant. Bisher wurde nur der Abstand zwischen den einzelnen Fixierungen be- 2Ne = 6 • 109 Generationen = ca. 200.000 Jahr. In einer kleineren Population erfolgt die Fixierung der ersten Mutation jedoch viel schneller. Insgesamt kann die Evolution des gesamten primitiven Bakterienmotors unter diesen Bedingungen in einigen hunderttausend Jahren erfolgen. Hypothe- |
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