Evolution: Ursprungsforschung und Naturalismus - Evolutionsparadigma und Naturwissenschaft  

Evolution: Ursprungsforschung und Naturalismus

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Experten: Evolutionsparadigma und Naturwissenschaft

Inhalt

In diesem Artikel wird gezeigt, worin der Unterschied zwischen „Evolutionsparadigma" und „Evolutionstheorie" besteht, und weshalb das Evolutionsparadigma kaum widerlegbar ist. In vielen Fällen können gegensätzliche Sachverhalte ins Paradigma eingebaut werden, indem einzelne untergeordnete Hypothesen geändert oder ersetzt werden. Viele evolutionstheoretische Vorhersagen sind nicht eingetroffen, ohne dass das zugrundeliegende Paradigma deshalb in Frage gestellt wurde.

evolution, schöpfung Evolutionsparadigma und Evolutionstheorien

evolution, schöpfung Inwiefern ist das Evolutionsparadigma heuristisch fruchtbar?

evolution, schöpfung Evolution erklärt Sachverhalte und ihr Gegenteil

evolution, schöpfung Nicht eingetroffene Vorhersagen des Evolutionsparadigmas

evolution, schöpfung Ist das Evolutionsparadigma falsifizierbar?

evolution, schöpfung Beispiele, wie Falsifizierungen umgangen werden

evolution, schöpfung Grenzen der Ergebnisoffenheit

evolution, schöpfung „Scheintests" evolutionärer Hypothesen

evolution, schöpfung Die Plausibilität der Abstammungslehre ist vom Stand der Ursachenforschung abhängig

evolution, schöpfung Schlussfolgerungen

evolution, schöpfung Anhang: Widerlegen chaotische Merkmalsverteilungen das Evolutionsparadigma?

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evolution, schöpfung Weitere Fragen zu diesem Thema

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Evolutionsparadigma und Evolutionstheorien

In diesem Artikel sollen einige wissenschaftstheoretische Aspekte von Evolutionstheorien diskutiert werden. Der Plural „Evolutionstheorien" ist bewusst gewählt, da es die Evolutionstheorie nicht gibt. Vielmehr ist das Gesamtgebäude „Evolution" eine mehr oder weniger heterogene Sammlung von Teiltheorien, die nur teilweise erklärend und zu einem großen Teil nur beschreibend sind. Vor diesem Hintergrund ist eine Differenzierung in zwei Ebenen – „Evolutionsparadigma" und „Evolutionstheorien" – zweckmäßig. Mit dem Evolutionsparadigma ist das Fundament gemeint, auf dem evolutionäre Hypothesen aufgestellt und zu Theorien zusammengefügt werden (vgl. die Artikel Methodik der empirischen Forschung und Methodik der historischen Forschung, deren Kenntnis zum Verständnis der folgenden Ausführungen empfohlen wird). Genauer: Unter „Evolutionsparadigma" soll in diesem Artikel die Anschauung verstanden werden, dass alle Lebensformen von andersartigen Vorläufern abstammen und letztlich auf einen oder allenfalls sehr wenige einzellige Vorläufer abstammungsmäßig zurückgehen. Weiter soll dieser Begriff bezüglich der Evolutionsmechanismen die allgemeine Aussage beinhalten, dass der Evolutionsprozess durch ausschließlich natürliche Prozesse erfolgte. Das „Evolutionsparadigma" impliziert jedoch keine bestimmten Vorstellungen über die Ablaufformen und die Mechanismen der Evolutionsvorgänge (daher kann es im Rahmen des Evolutionsparadigmas sehr verschiedene Evolutionstheorien geben).

Unter „Evolutionstheorien" sollen Hypothesen und Theorien zusammengefasst werden, die im Rahmen des Evolutionsparadigmas entwickelt werden. Dazu gehören Theorien über phylogenetische Zusammenhänge und über Mechanismen der Evolution. Im mikroevolutiven Bereich (Mikro- und Makroevolution) gibt es hier übrigens weite Überlappungen mit der Grundtypenbiologie (Heutige Grundtypen, Genetisch polyvalente Stammformen von Grundtypen).

Das Evolutionsparadigma steht ebenso wie das Schöpfungsparadigma (Schöpfung und Wissenschaft) für Voreinstellungen oder Grundhaltungen, die selbst nicht theoriefähig sind. Aus diesen Einstellungen resultieren erst konkrete Hypothesen und Theorien.

Die kritische Auseinandersetzung mit wissenschaftstheoretischen Aspekten der Evolutionsforschung geschieht hier auch vor dem Hintergrund der Kontroversen um die Existenzberechtigung von Wissenschaft, die im Rahmen des Schöpfungsparadigmas betrieben wird (vgl. Schöpfung und Wissenschaft). Viele Kritikpunkte, die an Forschung im Rahmen des Schöpfungsparadigmas gerichtet werden, betreffen in ähnlicher oder sogar in identischer Form auch die Forschung im Rahmen des Evolutionsparadigmas. Dies sollen die nachfolgenden Ausführungen belegen. Dem Evolutionsparadigma wird häufig ein größeres Maß an Wissenschaftlichkeit und Objektivität zugeschrieben als ihm zusteht.

Vorab soll jedoch klargestellt werden, dass im Rahmen des Evolutionsparadigmas sehr wohl fruchtbare Wissenschaft möglich ist, dass viele Impulse für Forschung gegeben und neue Erkenntnisse gewonnen werden. Dies gilt aber auch für Wissenschaft im Rahmen des Schöpfungsparadigmas, wie z.B. in den Artikeln Schöpfung und Wissenschaft, Kontroverse um „Intelligent-Design“ oder Forschungsfelder in der Biologie gezeigt wird. Es soll also keineswegs der Forschung, die unter evolutionstheoretischen Vorgaben betrieben wird, die Wissenschaftlichkeit abgesprochen werden.

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Inwiefern ist das Evolutionsparadigma heuristisch fruchtbar?

Zweifellos regt das Evolutionsparadigma Forschung an. Doch diese Forschung ist in der Regel auch unter der Vorgabe von Schöpfung von Interesse. Beispielsweise wurden und werden taxonomische Untersuchungen vorgenommen, um Abstammungsverhältnisse abzuklären. Genau dieselben Untersuchungen sind aber auch im Rahmen des Schöpfungsparadigmas von Interesse, nur die Erwartungen an die Ergebnisse sind unter Umständen verschieden. Viele weitere Beispiele könnten hier angeführt werden, es sei an Schöpfung und Wissenschaft verwiesen. Vermutlich ist der überwiegende Teil aller Forschungsergebnisse der Biologie unabhängig vom zugrundeliegenden Ursprungsmodell. Zur Verdeutlichung dieser Vermutung kann man folgende Fragen stellen: Welche Erkenntnisse wurden nur deshalb gewonnen, weil das Evolutionsparadigma vorausgesetzt wurde? Hätten diese Erkenntnisse im Rahmen eines Schöpfungsparadigmas nicht ermittelt werden können?

Vorhersagen? Ein Großteil der Evolutionsforschung bewegt sich im Rahmen von Mikroevolution, also einem Bereich, der zwischen den beiden Ursprungsmodellen Evolution und Schöpfung im Wesentlichen unstrittig ist. In diesem Bereich sind Vorhersagen vergleichsweise leicht möglich und oft auch experimentell oder durch Beobachtungen im Freiland prüfbar. Beispielweise sind Vorhersagen möglich, wie sich Lebewesen im Laufe der Generationen verändern werden, wenn sich bestimmte Umweltparameter verändern. Hierin unterscheiden sich die konkurrierenden Ursprungsmodelle nicht. (Allerdings dürften schon im mikroevolutiven Bereich viele Befunde, die heute evolutionstheoretisch erklärt werden, nicht vorhergesagt gewesen sein.)

Ganz anders ist die Situation, wenn es um Vorhersagen im Bereich von Makroevolution geht. Es ist nicht möglich, vorherzusagen, welche neuen Baupläne die Lebewesen sich in Zukunft evolutiv entwickeln werden. Das wird von Evolutionstheoretikern gewöhnlich auch eingeräumt. Dennoch seien Vorhersagen in einem anderen Sinne möglich: Man könne bestimmte Phänomene (etwa im Fossilbericht oder im Erbgut heutiger Arten) erwarten, wenn in der Vergangenheit Evolution abgelaufen ist. Oft genannt werden in diesen Zusammenhang die hierarchisch gestaffelten Ähnlichkeiten unter den Lebewesen, die Reihenfolge der Fossilformen in der geologischen Schichtenabfolge, Übereinstimmung der Dendrogramme bei Zugrundelegung morphologischer und molekularer Daten und vieles andere. Außerdem mache das Evolutionsparadigma Verbote an die Empirie: man könne aus ihm eine Menge von Beobachtungen ableiten, die nicht gemacht werden dürfen, wenn es eine allgemeine Evolution der Lebewesen gegeben hat. (Weiter unten werden dazu aber Kritikpunkte genannt.) Dagegen könne das Schöpfungsparadigma weder spezifische Vorhersagen über zu erwartende Befunde machen, noch bestimmte Befunde ausschließen, da beliebige Daten erwartet werden könnten. Ob diese Behauptungen über das Schöpfungsparadigma zutreffen, wird in Schöpfung und Wissenschaft untersucht. In diesem Artikel geht es um den Status des Evolutionsparadigmas.

Dazu ist zunächst noch einmal an die oben vorgenommene wichtige Unterscheidung zu erinnern, die Unterscheidung zwischen dem Evolutionsparadigma als Rahmenkonzept und bestimmten Evolutionstheorien, die innerhalb dieses Rahmens entwickelt werden. Evolutionstheorien beschreiben zum einen Mechanismen, zum anderen hypothetische Abstammungsverhältnisse. (Am Rande vermerkt sei, dass beides auch Fragen sind, die sich im Rahmen von Schöpfungsmodellen stellen; verschieden sind nur die Erwartungen an die Empirie; siehe Schöpfung und Wissenschaft.) Im Folgenden wird es also nicht darum gehen, ob Erwartungen spezieller Evolutionstheorien oder evolutionärer Hypothesen formuliert und geprüft werden können – das ist zweifellos möglich –, sondern ob aus dem allgemeinen Evolutionsparadigma solche Erwartungen und auszuschließende Befunde abgeleitet werden können.

Dazu soll zunächst folgende Behauptung aufgestellt werden: Das Evolutionsparadigma nimmt Vorhersagen für sich in Anspruch, die es gar nicht gemacht hat oder die nicht zwingend aus ihm folgen. Beispielsweise wird manchmal die Universalität des genetischen Codes als evolutionstheoretisch vorhergesagt und erfolgreich getestet angeführt. Doch konnte man die Universalität des genetischen Codes wirklich aus dem Evolutionsparadigma ableiten? Diese Frage stellt sich insbesondere angesichts der Tatsache, dass die zur Entstehung des genetischen Codes erforderlichen Mechanismen unbekannt sind. Mit welchem aus dem Evolutionsparadigma resultierenden Argument will man ausschließen, dass sich auch verschiedene Codes hätten entwickeln können? Auch das Leben selber hätte evolutionär mehrfach unabhängig entstehen können. Verschiedene Lebensformen könnten daher sowohl recht ähnlich als auch mehr oder weniger unähnlich sein – es sei denn, es gibt funktionelle Zwänge, die das verbieten (das würde dann aber auch im Rahmen des Schöpfungsparadigmas gelten, denn funktionelle Zwänge gelten notwendigerweise für alle Paradigmen). Vorhersagbar ist beides nicht. Voraussagen kann man auch in anderen Gebieten nicht treffen, wenn man den Evolutionsmechanismus nicht kennt, etwa Voraussagen für die zu erwartenden Merkmalsverteilungen bzw. Ähnlichkeitsmuster der Lebewesen (vgl. dazu Grundtypen und Makrotaxonomie).

Mittlerweile ist eine Reihe von Ausnahmen vom genetischen Code bekannt. Welche spezifische Vorhersage gilt nun? Offenbar ist evolutionär mindestens einiges möglich, vielleicht sogar ein Großteil der möglichen Codes. Welches sind hier die ausgeschlossenen Daten, die nicht beobachtet werden dürften, wenn es Evolution gab?

Freeland & Hurst (2004) argumentieren für eine Evolutionsfähigkeit des Codes und betrachten den Code als Resultat eines Evolutionsprozesses. Wenn aber der Code tatsächlich evolvierbar ist, gibt es keinen zwingenden Grund mehr anzunehmen, warum er universal sein sollte. Man könnte nur noch für funktionelle Zwänge argumentieren, nicht aber für historische Zwänge. Und selbst wenn funktionelle Zwänge angenommen werden, hätten dennoch auch Organismen mit suboptimalem Code in Nischen überleben können. Welches sind also die spezifischen Erwartungen im Rahmen des Evolutionsparadigmas?

Schon an dieser Stelle soll angesichts dieses Beispiels (dem weiter unten eine längere Aufzählung von anderen Beispiele folgt) eine generelle These formuliert werden: In historischen Fragen sind spezifische Erwartungen und auszuschließende Befunde aus den zugrundeliegenden Rahmenparadigmen nicht zwingend ableitbar. Vielmehr kann nur mit Plausibilitäten argumentiert werden, die jedoch subjektiven Einschätzungen unterworfen sind (vgl. dazu Methodik der historischen Forschung. Dies wird im Weiteren an Beispielen gezeigt und es wird zu zeigen sein, dass in dieser Hinsicht Schöpfungs- und Evolutionsparadigma nicht grundsätzlich verschieden sind.

In der Praxis handelt es sich bei den vermeintlichen Vorhersagen an zu erwartende Befunde in der Regel um Deutungen im Nachhinein. Das ist legitim und meist gar nicht anders möglich, sollte aber klar benannt werden.

Dass das oben genannte Beispiel vom genetischen Code kein Einzelbeispiel ist, wird im folgenden Abschnitt gezeigt.

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Evolution erklärt Sachverhalte und ihr Gegenteil

Es gibt eine Reihe von Beispielen, wo im Rahmen des Evolutionsparadigmas „A" und „Nicht-A" zugleich „erklärt" werden bzw. wo Befunde, die den Erwartungen bestimmten Evolutionstheorien direkt entgegengesetzt waren, das Paradigma nicht ins Wanken brachten, was auf eine ausgeprägte Flexibilität des Evolutionsparadigmas hinweist. So können evolutionstheoretisch „erklärt" werden (Anführungszeichen, weil es sich m. E. oft nur um Behauptungen handelt):

Wie gut einzelne Evolutionstheorien diese gegensätzlichen Situationen erklären können, soll hier nicht diskutiert werden (das sind Punkt für Punkt mehr oder weniger anspruchsvolle Aufgaben; es sei auf die verlinkten Artikel hingewiesen). Hier geht es nur um die Feststellung, dass in allen diesen zahlreichen Fällen gegensätzliche Befunde für mit dem Evolutionsparadigma konform gehalten werden. Dies bedeutet gleichzeitig, dass alle diese widersprechenden Befunde keine unabhängigen Belege für Evolution sein und nicht als Vorhersagen des Evolutionsparadigmas gelten können. Damit kommen wir zu einem weiteren Aspekt.

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Nicht eingetroffene Vorhersagen des Evolutionsparadigmas

Die im vorigen Abschnitt zusammengestellten Beispiele besagen auch, dass Vorhersagen, die im Rahmen des Evolutionsparadigmas formuliert wurden, nicht eintrafen, ohne dass dies das Evolutionsparadigma in Frage gestellt hätte.

Auch Charles Darwin hat in Origin of species an einigen Stellen Prognosen formuliert – er hat hypothetico-deduktiv argumentiert. Diese Prognosen sind entweder nicht eingetroffen oder es handelt sich bei genauerer Betrachtung um nicht-prüfbare Vorhersagen. Hierzu ein Beispiel: „If it could be demonstrated that any complex organ existed, which could not possibly have been formed by numerous, successive, slight modifications, my theory would absolutely break down" (Darwin 1968 [1859], Kapitel 6, S. 219f.).

Zusammenfassend kann mit Hull (1999, 488) festgehalten werden: „Time and again, scientists will say that such-and-such would be fatal to my theory, but once it becomes clear that such problem cases do occur, scientists rework their theory to incorporate these phenomena."

Nun kann man argumentieren, dass das Überarbeiten von Theorien aufgrund unerwarteter Befunde die Dynamik der Wissenschaft widerspiegle. Gegen dieses Argument ist nichts einzuwenden, doch ist seine Anwendung auch im Rahmen des Schöpfungsparadigmas erlaubt. Die Behauptung, das Evolutionsparadigma spreche (im Gegensatz zum Schöpfungsparadigma) eine Klasse von Verboten aus, ist jedoch sehr fragwürdig, wenn das Durchbrechen der Verbote nicht zur Aufgabe des zugrundeliegenden Paradigmas führt.

Weiter könnte argumentiert werden, dass die oben zusammengestellten Beispiele nicht scharf genug gefasst sind, um Falsifikationen zu ermöglichen, und dass es gravierendere Befunde geben könnte, denen das Evolutionsparadigma nicht mehr standhalten könnte. Darauf kommen wir im folgenden Abschnitt zu sprechen.

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Ist das Evolutionsparadigma falsifizierbar?

Diese Frage wird erstaunlich selten aufgeworfen. Wohlgemerkt geht es hier nicht darum, ob einzelne evolutionäre Hypothesen falsifiziert werden können – das wird nicht bestritten –, sondern das Rahmenparadigma als Ganzes soll zur Disposition stehen. Beispielsweise schreibt Waschke (2003): „Es ließe sich leicht eine Welt vorstellen, in der eine Evolutionsauffassung gar nicht erst aufkommen würde: Fände man in Gesteinen die Fossilien in regelloser Abfolge oder hätte jede Organismengruppe einen eigenen genetischen Code oder einzigartige Enzymausstattungen, käme niemand auf die Idee, es könne so etwas wie eine gemeinsame Abstammung geben. So gesehen ist die Evolutionsvorstellung prinzipiell falsifizierbar." Diese und andere Falsifizierungsvorschläge werden im folgenden erläutert und diskutiert.

Säugerfossilien im Präkambrium. Würden im Präkambrium Säugetiere, Vögel oder andere Formen gefunden, die nach gegenwärtiger Befundlage erst spät entstanden sind, wäre das Evolutionsparadigma widerlegt. Diese Situation ist in leicht abgeschwächter Form jedoch mit der „kambrischen Explosion" des Lebens gegeben. Alle Tierstämme, die Hartteile besitzen, sind im Kambrium bereits vertreten (Valentine 2004; vgl. Kambrische Explosion). Wenn noch weitere Formen hinzukämen oder diese noch früher im Fossilbericht auftauchen, würde sich an der Situation nichts grundsätzlich ändern. Natürlich würden sich bestimmte Evolutionstheorien ändern, das zugrundeliegende Evolutionsparadigma (um welches es hier geht) bliebe unangetastet.

In diesem Sinne kann auch gegen das folgende Beispiel von van Dongen & Vossen (1984, 41) argumentiert werden; diese Autoren meinen: „Without evolution ... a new human-like fossil could well be as old as 400 million years..." So argumentiert auch Beyer (2004, 8): „Zeige mir einen einzigen menschlichen Schädel als Beuteüberrest in einem Dinosauriernest, und wieder begraben wir die Evolutionstheorie." Was würde mit dem Evolutionsparadigma geschehen, wenn solche alten Menschenfossilien gefunden würden? Das Paradigma bliebe sehr wahrscheinlich bestehen; nur die phylogenetischen Hypothesen würden sich ändern, wenn auch in diesem Fall massiv. Sicher würde die Plausibilität des Evolutionsparadigmas geschwächt, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Kurz: Wenn das Evolutionsparadigma die kambrische Explosion verkraftet, dann auch solche Beispiele von stratigraphisch unpassenden Fossilfunden. Man muss sich hier folgendes klarmachen: Es wird evolutionstheoretisch für möglich gehalten, dass innerhalb von 10-20 Millionen Jahren alle Grundbaupläne des Tierreichs entstanden sein könnten (kambrische Explosion). Auch wenn die Meinungen darüber auseinandergehen, so gibt es doch diese Position (neuerdings von Valentine 2004 bekräftigt). Dann kann man aber nicht argumentieren, dass Säugetiere im Präkambrium unmöglich seien.

Zudem kann die Frage, was evolutionstheoretisch zu erwarten ist, nicht von der Frage der Evolutionsmechanismen abgekoppelt werden. Denn diese generieren in dieser Sichtweise das Muster des Lebens. Wenn die Evolutionsmechanismen nicht genügend bekannt sind, kann man auch kaum sagen, welche Muster durch ihre Wirkungen zu erwarten sind und welche nicht.

Das Auftreten stratigraphisch (=die Schichtenfolge betreffend) unpassender Funde ist in abgeschwächter Form bereits dokumentiert: Es gibt Steinwerkzeuge, die nach allgemein anerkannten Kriterien nur von Menschen angefertigt worden sein können, aus dem Miozän und sehr wahrscheinlich auch aus dem Oligozän (Dokumentation bei Cremo & Thompson 1994; in kürzerer Form bei Stephan 2002). Diese Funde würden die gängigen Vorstellungen zur Evolution des Menschen falsifizieren, doch nach einer nicht abgeschlossenen kontroversen Diskussion sind sie im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend in Vergessenheit geraten. Weshalb interessieren sich Evolutionstheoretiker nicht mehr für diese Funde?

Chaotische Fossilabfolge. „If all organisms are indeed descended from a single common ancestor, then it must be true that the stratigraphic sequence of life should be consistent with an independent evaluation of the phylogenetic relationships among all forms of life – and the sequence of phylogeny inferred from that general cladogram" (Eldredge 1993, 35). Diese Falsifizierungsmöglichkeit ist ähnlich wie die vorige. Eine allgemein chaotische Fossilabfolge bedeutete in der Tat eine schwerwiegende Plausibilitätsschwächung für das Evolutionsparadigma, aber ebenfalls keine Falsifizierung. Auch dieser Befund ist nicht „verboten". Tatsächlich ist er im kleineren Maßstab (innerhalb von geologischen Systemen) häufig, ja kommt sogar regelmäßig vor (Junker 1996; 2000; 2005).

Die unabhängige Bewertung, von der Eldredge spricht, soll vermutlich mit Hilfe der Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen den Organismen erfolgen. Das Ähnlichkeitsmuster ist aber Resultat der Evolutionsmechanismen. Wenn also die Fossilabfolge nicht mit dem Ähnlichkeitsmuster übereinstimmt, wird auf Unkenntnis im mechanismischen Bereich geschlossen und dort der Grund für die Unstimmigkeiten gesucht. Die Vorstellung einer Gesamtevolution ist also wiederum nicht falsifizierbar.

Völlig unähnliche Lebewesen. Auch hier gilt: Evolution „erklärt" beides: Abgestufte Ähnlichkeiten als auch ausgeprägte Unähnlichkeiten. Lässt man die Vielfalt des Lebens Revue passieren, wird schnell klar, dass es ja sehr unähnliche Lebewesen in der Tat gibt.

Man könnte die Falsifizierungsmöglichkeit noch verschärfen, indem als falsifizierend gewertet wird, wenn Lebewesen untereinander gar keine Gemeinsamkeiten aufweisen. Doch würde selbst ein solcher Befund das Evolutionsparadigma zu Fall bringen? Die SETI-Forschung (Search for Extra-Terrestrial Intelligence) rechnet ja durchaus mit der Möglichkeit völlig anders gearteter Lebewesen im Weltall – natürlich im Kontext des Evolutionsparadigmas. Würde man solche Lebewesen entdecken, würde man daraus bestimmt keinen Zweifel am Evolutionsparadigma ableiten. Es hätten also auch auf der Erde ganz unähnliche Formen evolutiv entstehen können. Das hängt davon ab, welche mechanismische Theorie der Abiogenese zugrundeliegt.

Außerdem muss man bedenken, dass alle Lebewesen in vielerlei Hinsicht unter ähnlichen Rahmenbedingungen leben, was mit funktionellen Zwängen einhergeht. Dies schließt das Auftreten völlig unähnlicher Baupläne unabhängig vom zugrundegelegten Ursprungsmodell aus. Das heißt: Schon aus funktionellen Gründen kann vermutlich die Existenz völlig unähnlicher Lebewesen allgemein ausgeschlossen werden. Damit bietet diese Option aber auch keine Falsifizierungsmöglichkeit.

Als falsifizierend wird auch das Auftreten von Formen angesehen, die man im Volksmund als „eierlegende Wollmilchsau" bezeichnet. So etwas dürfe es evolutionär gesehen nicht geben, z. B. Fledermäuse mit Federn. Auch hier müsste zunächst geprüft werden, ob eine solche Konstruktion funktionell überhaupt Sinn macht. Wenn bestimmte Merkmalskombinationen funktionell ausgeschlossen sind, kann deren Vorkommen nicht als Falsifizierungsmöglichkeit genannt werden, da sie in jedem Ursprungsmodell ausgeschlossen sind. Zudem weisen manche Organismen wie z. B. das Schnabeltier ausgeprägte Mosaikmerkmale auf.

Aber selbst wenn es Fledermäuse mit Federn gäbe und diese funktionell Sinn machen würden, würde man postulieren, dass Federn konvergent entstanden sind (ein Szenario, das angesichts der Fülle kreidezeitlicher Vögel innerhalb der Theropoden tatsächlich diskutiert wird [Zhang & Zhou 2000, 1957]).

Chaotische Merkmalsverteilungen. Eine relativ häufig vorgeschlagene Falsifizierungsmöglichkeit ist der Befund chaotischer anstelle von hierarchisch anordenbaren Merkmalsverteilungen. „If all organisms are indeed descended from a single common ancestor, then it must be true that ... there is a nested pattern of similarity linking up all forms of life (fossil and recent)" (Eldredge 1993, 35). Tatsächlich ist diese evolutionäre Erwartung in dieser allgemeinen Formulierung widerlegt, denn eine eingeschachtelte Hierarchie von Ähnlichkeiten wird oft massiv verletzt (vgl. Junker 2002, 81ff., siehe beispielhaft Abb. 206 und Abb. 207), ohne dass das Evolutionsparadigma deswegen zur Disposition gestellt wird (entgegen Neukamm [2004]: Die Evolutionstheorie habe „den konkreten Fall der abgestuften Formenähnlichkeit zwischen den Arten zu erklären – sie kann demnach nicht ohne weiteres auch den gegenteiligen Fall erklären"). Bis zu einem gewissen Grad gibt es chaotische Merkmalsverteilungen in vielen Tier- und Pflanzengruppen. Ein noch größeres Chaos würde das Evolutionsparadigma ebenfalls nicht widerlegen. Junker (2003) diskutiert Strategien, mit denen Evolutionstheoretiker diese Befunde im Rahmen ihres Paradigmas zu erklären versuchen.

Völlig verschiedene genetische Codes. Diese vermeintliche Falsifizierungsmöglichkeit kann man ähnlich beurteilen wie das Argument "Völlig unähnliche Lebewesen" (s. o.). Ähnliche Argumente kann man anführen, wenn man ganz verschiedene Enzymausstattungen bei verschiedenen Lebewesen fände. Wieder muss bedacht werden, dass es funktionelle Zwänge geben könnte, die eine Beliebigkeit grundsätzlich (unabhängig vom Ursprungsmodell) verhindern. Schließlich sind die Lebewesen auf der Erde vielfältig miteinander verbunden; man denke etwa an die Nahrungsketten und -netze. Hätte alles eine völlig unterschiedliche Biochemie, wäre diese Vernetzung wohl kaum mehr möglich.

Beweis einer jungen Erde. Eine Falsifikationsmöglichkeit des Evolutionsparadigmas könnte im Nachweis einer „jungen" Erde gesehen werden, da dies eine Gesamtevolution aller Lebewesen, ausgehend von einfachsten Vorläufern ausschließen würde. Doch eine junge Erde kann prinzipiell nicht bewiesen, allenfalls plausibel gemacht werden. Der Grund dafür ist, dass man immer irgendwelche Dinge in der Vergangenheit vermuten kann, die den Naturbeobachter in seinen Rekonstruktionsversuchen irreführen könnten. Damit ist mit dem Argument „Nachweis einer junge Erde" aber umgekehrt die Evolutionstheorie auch nicht falsifizierbar, sondern es kann lediglich die Plausibilität einer notwendigen Voraussetzung für eine Makroevolution geschwächt werden.

Dazu ein Beispiel: Die Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun haben Ringe. Nach allem, was man über sie weiß, sind das kurzlebige Gebilde; sie können nicht länger als ca. 10.000 Jahre existieren. Daher muss es eine Nachschubquelle geben; das aber gleich viermal zur gleichen Zeit bei recht verschiedenen Konstellationen (Pailer 1999). Die Existenz der Ringe ist in einem jungen Planetensystem leicht verständlich. Man kann aber dagegenargumentieren, dass unbekannte Quellen diese Ringe speisen (es gibt dazu auch eine nicht abgeschlossene Diskussion) oder dass die Ringe alle erst kürzlich entstanden sind, die Planeten selber aber ca. 5 Milliarden Jahre alt sind. Ein ähnliches Problem für unser Planetensystem ist die Existenz kurzperiodischer Kometen (Korevaar 2004).

Stütze ja – Falsifizierung nein. Zweifellos können viele Befunde einerseits und das Nichteintreffen von bestimmten Befunden (z. B. keine Säuger im Präkambrium) andererseits als Stützen für das Evolutionsparadigma gewertet werden. Doch das ist nicht der springende Punkt in der aufgeworfenen Frage, denn auch für das Schöpfungsparadigma gibt es zahlreiche stützende Befunde (auch wenn diese von den Gegnern meist nicht anerkannt werden). Die genannten Beispiele sollten jedoch deutlich machen, dass die Behauptung, das Evolutionsparadigma schließe bestimmte Befunde definitiv aus, nicht zutrifft. Falsifizierungen treffen in der Regel nur Teiltheorien oder untergeordnete Hypothesen. Waschkes (2003) Auffassung, dass beim Vorliegen der oben genannten Befunde eine Evolutionsauffassung kaum aufgekommen wäre (vgl. das oben genannte Zitat), hat sicher einiges für sich; dennoch ist zu bedenken, dass der Evolutionsgedanke lange vor dem Vorliegen von Belegen präsent war. Von Widerlegung kann jedenfalls nicht gesprochen werden, sondern nur von Plausibilitätsschwächung. Es würde sich in solchen Fällen einfach die Frage nach anderen Evolutionsmechanismen stellen. Ob das Evolutionsparadigma also wirklich falsifizierbar ist, muss dahingestellt bleiben. Die Behauptung von van Dongen & Vossen (1984, 41), die Theorie der gemeinsamen Abstammung sei „leicht falsifizierbar" („easily falsifiable") trifft jedenfalls nicht zu.

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Beispiele, wie Falsifizierungen umgangen werden

Im folgenden werden – zunächst kommentarlos – einige Aussagen von Evolutionstheoretikern zitiert, aus denen die Problematik des Falsifizierens nicht nur des Evolutionsparadigmas, sondern auch von Evolutionstheorien hervorgeht:

„Within the history of paleontology, there have been numerous apparent falsifiers of the paleontological argument; these have usually been rendered impotent as falsifiers by the ad hoc alternative that the fossil record was not as complete as previously believed" (Nelson & Platnick 1981, 335).

„Anything that cannot be made to support the theory turns out to be an unimportant exception" (Stevens 1984, 403).

„Cladograms predict the order in which fossil taxa appeared and, thus, make predictions about general patterns in the stratigraphic record. Inconsistencies between cladistic predictions and the observed stratigraphic record reflect either inadequate sampling of a clade‘s species, incomplete estimates of stratigraphic ranges, or homoplasy producing an incorrect phylogenetic hypothesis" (Wagner 1995, 153).

„Die Aussage (Archaeopteryx sei der Vorfahr der höheren Vögel; Erg.) bleibt stets geschützt, denn jedes Merkmal, das gegen sie sprechen würde, kann mit der Annahme einer Umkehr der Merkmalsentwicklung wegdiskutiert werden" (Rieppel 1984, 73).

Zur evolutionstheoretisch zu erwartenden Kongruenz von morphologischen und molekularen Dendrogrammen: „Congruence between studies is strong evidence that the underlying historical pattern has been discovered; conflict may indicate theoretical or procedural problems in one or both analyses, or it may indicate that additional data are needed to resolve the phylogenetic relationships in question" (Hillis 1987, 23).

Wägele (2001) stellt in einer Abbildung (Abb. 206; im Original Abb. 54, S. 102) hochgradig inkompatible Verwandtschaftsbeziehungen unter den Arthropoden dar. Diese Beziehungen sind weit entfernt von einer evolutionstheoretisch naheliegenden enkaptischen (=eingeschachtelten) Ordnung (vgl. Grundtypen und Makrotaxonomie). Er kommentiert die zugrundeliegenden Untersuchungen wie folgt: „... mehrere davon oder alle müssen demnach fehlerhaft sein" (S. 102). Die Möglichkeit, dass das zugrundeliegende Evolutionsparadigma falsch sein könnte, wird hier offenbar nicht in Betracht gezogen.

In vielen Fällen dieser Art gilt: Wenn die Befunde den theoretischen Erwartungen entsprechen, dann gilt dies als Bestätigung der zugrundeliegenden Theorie; in den anderen Fällen wird ein Fehler außerhalb der getesteten Theorie gesucht. Falsifizierung ist damit nicht möglich. Falsifizierungen treffen zwar einzelne Hypothesen, meistens nicht aber die übergeordnete Theorie und schon gar nicht das Paradigma. Diese werden durch Hilfshypothesen und ad-hoc-Annahmen geschützt.

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Grenzen der Ergebnisoffenheit

Aus dem oben gesagten wird deutlich, dass das Evolutionsparadigma apriorische Vorgaben macht, die vor empirischer Kritik geschützt werden. Erkenntnisfortschritt erfolgt nur innerhalb eines festgesetzten Rahmens und nur innerhalb dieses Rahmens ist Evolutionsforschung ergebnisoffen. Dieser Rahmen ist zwar sehr weit gefasst, aber es gibt ihn und man stößt immer wieder an seine Grenzen. Diese Vorgehensweise apriorischer Vorgaben ist demnach kein Spezifikum von Theorien, die innerhalb des Schöpfungsparadigmas aufgestellt werden, wo ein solcher Rahmen explizit vorgegeben wird (Forschung ist innerhalb dieses Rahmens ebenfalls ergebnisoffen). Es entspricht durchaus nicht der Praxis des Wissenschaftsbetriebs im Rahmen der Evolutionsbiologie, dass jeder Satz vorläufig ist und immer wieder auf empirische Adäquatheit getestet wird, wie Neukamm (2004) und andere immer wieder behaupten.

Neukamm (2004) bildet einen interessanten Cartoon (Abb. 208A, B) ab, um den Ansatz des Kreationismus pointiert zu kritisieren. Man kann diesen Cartoon aber durchaus auch für eine seriöse Behandlung der anstehenden Fragen über das Verhältnis dogmatischer Vorgaben, davon motivierten Theorien und empirischen Daten verwenden. Die in diesem Cartoon dargestellte „kreationistische Methode" unterscheidet sich in der Praxis nicht grundsätzlich von der evolutionistischen (Abb. 208C). Man mache sich das anhand der oben genannten Zitate über die Vermeidung von Falsifikationen klar. Wenn das Verfehlen theoretischer Erwartungen darauf zurückgeführt wird, dass die Untersuchungen fehlerhaft sind, so bedeutet dies doch nichts anderes als eine Einschränkung einer Ergebnisoffenheit: Beispielsweise ist man in der Makrotaxonomie für ein kompliziertes Netzwerk von Verwandtschaftsbeziehungen offenbar nicht offen. Würden Kreationisten auf diese Weise argumentieren, wäre ihnen heftige Kritik sicher. Für die sogenannte „kreationistische Methode", die der Cartoon karikiert, gibt es daher eine evolutionistische Entsprechung: „Evolution ist ein Faktum. Welche Daten finden wir um es zu stützen?"

Im Artikel Methodik der historischen Forschung wird gezeigt, dass letztlich jede historische Forschung auf diese Weise arbeitet, weil Falsifikationsmöglichkeiten eingeschränkt sind und viel mehr nach verifizierenden bzw. stützenden Befunde gesucht wird. In historischen Fragen wird notgedrungen weit mehr verifizierend als falsifizierend gearbeitet. Es handelt sich also im Grunde genommen bei Abb. 208B gar nicht um eine Karikatur, sondern um eine generelle Vorgehensweise historischer Forschung. Das wird im Cartoon in Version D zum Ausdruck gebracht.

Besonders ausgeprägt stellt sich diese Situation in der Kosmologie dar. Dort wird sehr oft nach Verifikationen bzw. stützenden Befunden im Rahmen von Modellen gesucht, die in Anbetracht der Komplexität eine ganze Reihe anpassbarer Parameter haben, was eine Falsifizierung schwierig macht. Die Suche nach Falsifizierungen steht dabei sicher nicht im Vordergrund. Vielmehr würden in der Kosmologie Versuche zur Falsifizierung wohl dazu führen, dass man jedes bisherige Modell aufgeben müsste. So kann das Standardmodell (Urknallmodell) nur dadurch aufrechterhalten werden, dass man hypothetische Größen wie Dunkle Materie und dunkle Energie etc. einführt (vgl. z. B. Trüb 2004).

Ein aktuelles Beispiel soll das Gesagte verdeutlichen: Conway-Morris (2005) schreibt zur Evolution der Ediacara-Organismen: „Did they evolve? What a strange question! Clearly they evolved from something, but from what? In addition, the idea that there is an evolutionary succession is now under scrutiny. What is clear is that there are three principal Ediacaran assemblages, and each is controlled by specific environmental conditions. However, when you track each assemblage through geological time there is effectively no change within it. Another puzzle is that there is little evidence for species diversity changing along latitudinal gradients. Once again, the Ediacarans don’t readily fit into preconceived moulds" (Hervorhebungen nicht im Original): Hier wird beispielhaft deutlich, dass ein Deutungsrahmen von vornherein feststeht und nicht mehr zur Disposition gestellt wird, auch wenn massiv unpassende Befunde vorliegen.

Die mangelnde Ergebnisoffenheit im Rahmen des Evolutionsparadigmas soll auch am oben bereits erwähnten Beispiel tertiärer Werkzeuge kurz illustriert werden. Aus dem Tertiär sind bis ins Alttertiär Artefakte bekannt, die nach sonst üblichen Kriterien als Belege für die Existenz von Menschen gewertet werden. Eine detaillierte Dokumentation dazu präsentieren Cremo & Thompson (1994). Eine unabhängige Sichtung der zugrundeliegenden Originalliteratur zeigte, dass deren Recherchen glaubwürdig sind (vgl. Stephan 2002, 148ff.). Die Bedeutung dieser Werkzeuge für das Verständnis des Ursprungs des Menschen wurde bis in die 1930er Jahre kontrovers diskutiert. Dass es sich dabei um Werkzeuge gehandelt hat, wurde zwar bestritten, aber die betreffenden Argumente waren unhaltbar (siehe dazu die Diskussion in Stephan 2002). Dennoch gerieten diese Funde in Vergessenheit, vermutlich weil sie in die sich etablierenden Vorstellungen von der Evolution des Menschen nicht passten. Es gibt nur einen Grund, sich diesen Funden nicht zu stellen: Das dogmatische Festhalten an der Vorstellung, der Mensch (Gattung Homo) sei erst in den letzten zwei bis vier Millionen Jahren aufgetreten. Würde man die tertiären Werkzeugfunde anerkennen, verlören die Australopithecinen und die Hominidenfunde der letzten Jahrzehnte ihre Bedeutung für die Humanevolution vollständig. Dafür ist unter Evolutionstheoretikern keinerlei Offenheit erkennbar. Von Ergebnisoffenheit ist hier keine Spur. Selbst wenn offen bleiben müsste, ob die tertiären Artefakte richtig interpretiert und den richtigen Schichten zugeordnet worden sind (worüber es kontroverse Diskussionen gab, über die Cremo & Thompson 1994 berichten), wäre selbst das kein Grund, diese Funde zu ignorieren, wenn ergebnisoffen geforscht würde – im Gegenteil: gerade dann müsste man weitere Forschungen betreiben, um zu klären, ob es sich bestätigen lässt, dass es Werkzeuge bis weit ins Tertiär zurück gibt. Hier leistet man sich im Rahmen des Evolutionsparadigmas einen Erkenntnisverzicht.

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„Scheintests" evolutionärer Hypothesen

Viele „Tests" evolutionärer Hypothesen sind keine Tests auf die postulierten hypothetischen evolutionären Prozesse, sondern nur Tests auf notwendige Randbedingungen. Ein typisches Beispiel dieser Art ist die Hypothese, wonach sich die weitgehende Haarlosigkeit des Menschen in der Stammesgeschichte wegen der Parasiten verändert habe, die den Menschen befallen. Die Haarlosigkeit habe geholfen, Probleme mit Ektoparasiten zu verringern, daher habe sie sich entwickelt. Dies „adaptive storytelling" (Gould & Lewontin 1979), das faktisch nicht geprüft werden kann. Natürlich kann man sich vorstellen, dass Haarlosigkeit gut ist, um weniger Probleme mit Ektoparasiten zu haben, doch das hat mit einer evolutiven Entstehung der Haarlosigkeit nicht notwendigerweise etwas zu tun. Ein plausibler Vorteil erklärt keineswegs eine evolutive Entstehung, es ist nur eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Das, was man tatsächlich prüfen kann, hat mit der eigentlichen Hypothese eines evolutionären Wandels direkt nichts zu tun. Denn die Haarlosigkeit ist auch verständlich, wenn man von einer Erschaffung des Menschen ausgeht; die Erwartung der Haarlosigkeit folgt nicht spezifisch nur aus der Vorgabe eines evolutionären Szenarios.

Man könnte hier zwar einwenden, dass diese Hypothese von der Haarlosigkeit aufgrund von Parasiten dadurch geprüft werden könne, ob auch Tiere, die in Gebieten mit zahlreichen Ektoparasiten leben, haarlos werden, aber auch damit würde wieder nur eine notwendige Randbedingung getestet, nicht aber der hypothetische evolutive Prozess. (Und dazu stellt sich vor dem Hintergrund dieser Hypothese die Frage, weshalb es so wenig nackte Tiere gibt.)

Beispiele dieser Art kann man in der evolutionstheoretischen Literatur in Hülle und Fülle finden. Eine vergleichbare Kritik wird auch am Schöpfungsparadigma geübt (vgl. Schöpfung und Wissenschaft).

In den letzten Abschnitten wurde gezeigt, dass das Evolutionsparadigma nur schwer falsifiziert werden kann, dass Möglichkeiten gibt, Falsifikationen zu vermeiden, dass ins Evolutionsparadigma gegensätzliche Aussagen eingepasst werden können und dass viele „Tests" nicht das Paradigma testen. Aus alledem folgt: Im Rahmen des Evolutionsparadigmas wird ein harter Kern von Aussagen geschützt, der nicht der empirischen Kritik unterliegt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Evolutionsparadigma nicht vom Schöpfungsparadigma.

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Die Plausibilität der Abstammungslehre ist vom Stand der Ursachenforschung abhängig

Im Artikel Methodik der historischen Forschung wird gezeigt, dass historische Rekonstruktionen (H-N E (=historisch-narrative Erklärungen)) bekannte Gesetzmäßigkeiten (N-D E (=nomologisch-deduktive Erklärungen)) berücksichtigen müssen. H-N E können abgewiesen werden, wenn die N-D E, auf die Bezug genommen wird, sich nicht bewährt haben. Daher gilt der oben bereits angedeutete Satz: Die historische Evolutionsforschung darf nicht strikt von der kausalen abgekoppelt werden. Allgemein stellt Bock (2000, 33) folgende These in den Raum: „The basic thesis to be advocated in this paper is that all evolutionary explanations are dependent on prior functional explanations – that is, functional explanations precede all evolutionary explanations, both nomological-deductive and historical-narrative."

Es trifft also nur das Folgende zu: Funktionelle Erklärungen sind unabhängig von evolutionären Erklärungen, nciht umgekehrt. Daher ist der berühmte Satz Dobzhanskys „Nothing makes sense in biology except in the light of evolution" falsch (Bock 2000, 34). Funktionelle Erklärungen machen nicht nur eminenten Sinn auch ohne irgendeine und ohne alle evolutionären Erklärungen, sondern sie bilden die große Mehrheit von Erklärungen in der Biologie, sowohl in der theoretischen als auch angewandten (Bock 2000, 34). „Major portions of explanatory systems in biology (= functional explanations) are possible in the complete absence of any theory of evolution, Darwinian or otherwise" (Bock 2000, 41).

Dagegen wird in der Auseinandersetzung um das Evolutionsparadigma immer wieder behauptet, dass historische und kausale Evolutionsforschung logisch unabhängig seien, so dass beispielsweise selbst aus der Widerlegung aller Kausaltheorien nicht folgte, dass auch die Deszendenzhypothese falsch wäre. So schreibt Neukamm (2002): „Zur Verdeutlichung dieses Sachverhalts wollen wir uns vorstellen, wir fänden ein in Trümmern liegendes Gebäude. Ohne weitere Information können wir die Grundfrage bejahen, ob dem Phänomen ein zerstörerisches Ereignis vorgelagert gewesen sein muss. Damit ist aber die Faktorenfrage, die nach den Ursachen des Katastrophenereignisses sucht, noch überhaupt nicht beantwortet. Die Gründe könnten in natürlichen Ursachen zu finden sein, wie beispielsweise in einem Erdbeben, einem Blitzeinschlag oder in einem Orkan. Es könnte aber auch ein Abriss, eine Sprengung erfolgt oder ein Brand gelegt worden sein. Die Frage also, ob Ursache und Verlauf des Ereignisses bekannt sind oder nicht, ändert überhaupt nichts an der historischen Grundeinsicht, dass es tatsächlich stattgefunden hat."

Der Vergleich „Trümmer eines Hauses" – Evolution der Organismen" (i.S.v. Makroevolution) ist jedoch völlig unpassend: Denn er setzt er voraus, dass das in Rede stehende Ereignis sicher geschehen ist: Die Trümmer sind da und werden durch eine Zerstörung erklärt. Aus unzähligen direkten Erfahrungen ist bekannt, durch welche (unterschiedlichen) Zerstörungsmechanismen Häuser in Trümmer gelegt werden können. Im Falle der Ursprungsfrage stellt sich der Sachverhalt sehr viel anders dar. Im Vergleich gesprochen: Die „Trümmer" (d.h. „es gab eine allgemeine Evolution aller Lebewesen") sind eben nicht einfach da; vielmehr wird ihre Existenz nur indirekt hypothetisch erschlossen und bzw. umgekehrt mit Argumenten bestritten. Wenn aber gar nicht sicher ist, ob ein Ereignis (hier: allgemeine Evolution der Lebewesen) überhaupt stattgefunden hat, spielt die Frage, ob es denn überhaupt stattfinden kann, sehr wohl eine Rolle.

Zudem könnten die Trümmer auch eine Müllkippe oder eine Filmkulisse darstellen und wären dann gar nicht auf die Zerstörung eines Hauses zurückzuführen. Das Beispiel zeigt daher gerade (entgegen der Absicht Neukamms), dass aus einem gegenwärtigen Zustand nicht zweifelsfrei auf einen vergangenen Vorgang geschlossen werden kann.

Neukamm (2002) schreibt weiter: „Andernfalls wäre das ungefähr so, als wollte man die Theorie der Planetenentstehung infragestellen, weil man die spezifischen Abstände der Planeten zum Zentralgestirn, deren Massen und Zahl der Monde, sowie die Neigungswinkel deren Rotationsachsen gegen die Bahnebenen nicht aus dem Modell schlussfolgern kann." Dieses Beispiel zeigt jedoch im Gegenteil gerade, dass aufgrund der Mechanismenfrage auch die zugrundeliegende Planetenbildungstheorie in Frage gestellt werden muss. Planetenbildungstheorien sind keinesfalls gesichert und werden heute wieder mehr als in den letzten Jahren kontrovers diskutiert (Pailer 2002; 2003). Dabei spielt die Mechanismenfrage eine wesentliche Rolle. Die von Neukamm genannten Indizien sind in Wirklichkeit ein wichtiger Grund, die zugrundeliegende Theorie zu hinterfragen.

Schließlich: Wenn der Neukammsche Vergleich korrekt angewendet würde, müssten die „Trümmer" mit den heute zugänglichen Daten der Biologie und nicht mit einem hypothetischen Prozess verglichen werden, und dann müsste die Frage gestellt werden: Woher kommen diese Daten (Lebewesen)? Antwort: Sie könnten in einem evolutionären Prozess entstanden sein, sie könnten aber auch erschaffen worden sein. Klar ist nur: Sie sind heute da; nur das gilt unabhängig von den Mechanismen.

Auch das in diesem Zusammenhang beliebte Beispiel der Kontinentalverschiebung zeigt, dass ein historischer Vorgang trotz empirischer Hinweise, daß er abgelaufen ist, solange ernsthaft bezweifelt wurde, als noch kein plausibler Mechanismus vorgeschlagen wurde, das Wie also unbekannt war. Ayala (1994, 238) schreibt dazu: „Wegener tested his hypothesis that the continents had drifted by searching the literature for relevant geological, biogeographical, and paleoclimatical evidence. The evidence was striking, showing for example that strata and folds on opposite sides of the Atlantic fitted precisely with each other, and extended beyond the coastlines in complementary patterns. Wegener, however, was unable to produce a convincing explanation of how the continents could move. His hypothesis was rejected with disbelief and the evidence relegated to a curiosity. It was only three decades later that continental drift would become accepted, after the theory of plate tectonics provided a plausible mechanism for continental displacement." Nicht anders erging es bekanntlich selbst der Deszendenztheorie. Vorstellungen über eine stammesgeschichtliche Evolution der Lebewesen gab es lange vor Darwin. Der Durchbruch erfolgte erst damit, dass Darwin (zusammen mit Wallace) einen plausibel erscheinenden Mechanismus für den Artenwandel präsentieren konnte. Ohne Mechanismus erschien der Vorgang selber fraglich; das ist heute nicht anders. Denn heute wie damals können die Indizien, die für Makroevolution sprechen, auch anders interpretiert werden. (Makro-)Evolutionstheorien stehen ohne einen nachweislich funktionierenden Mechanismus nicht anders da als andere Ursprungstheorien: Sie interpretieren Indizien und sind nur beschreibend, nicht aber erklärend.

Wir können festhalten: Die Plausibilität eines Vorgangs, dessen Realität nicht als gesichert gelten kann, hängt auch davon ab, ob er mechanistisch möglich ist. Dies ist ja auch einer der Gründe, weshalb die Option „Schöpfung durch das Wort Gottes" abgelehnt wird, weil ein solcher Vorgang nicht durch Gesetzmäßigkeiten beschrieben werden kann. Wenn man keinen Mechanismus für die (erstmalige) Entstehung der Lebewesen vorweisen kann, bleibt nur noch ein wie auch immer gearteter Glaube, sei es der Glaube an noch unentdeckte Mechanismen oder der Glaube an einen Urheber.

Vorhersagen ohne Mechanismus? Ein weiterer, bereits weiter oben angesprochener Gesichtspunkt kommt noch hinzu: Es ist schwierig, aus der Abstammungslehre Voraussagen abzuleiten, wenn die Evolutionsmechanismen nicht oder nur unzureichend bekannt sind. Der Mechanismus produziert nämlich das Muster der Merkmalsverteilung. Wird also behauptet, dieses oder jenes Muster sei bevorzugt oder nur im Sinne einer gemeinsamen realgenetischen Abstammung zu deuten, so muss der das Muster erzeugende Mechanismus bekannt sein; erst daraus kann man schließen, welches Muster daraus resultieren sollte. Man hat das in der Tat auch gemacht, indem aus dem darwinistischen Gradualismus ein im Wesentlichen dichotomes Verzweigungsschema gefolgert wurde (ein solches Schema zeigt die einzige Abbildung, die in Darwins Origin of species abgedruckt ist; s. Abb. 209). Die tatsächlich anzutreffenden Merkmalsverteilungen passen in dieses Schema so häufig nicht, dass dies wiederum Rückwirkungen auf die Mechanismenfrage hatte (Beispiele: Evo-Devo, Gentransfer, genetische co-option usw.).

Es hängt also maßgeblich von den Evolutionsmechanismen ab, ob beispielsweise ein Merkmalsmuster mit vielen oder wenigen Konvergenzen zu erwarten ist, ob optimale oder suboptimale Strukturen zu erwarten sind, ob eine Konservierung von Ahnenbauplänen in der Ontogenese zu erwarten ist, was von der Plastizität ontogenetischer Vorgänge anhängt, usw. Natürlich kann und muss man das Konzept einer gemeinsamen Abstammung und die Frage nach den Mechanismen teilweise trennen, aber die Auffassung, es gebe keine Wechselwirkungen und Abhängigkeiten, ist illusionär. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang, dass es den Evolutionsgedanken schon lange vor Darwin gab, er aber erst mit Darwins plausibel erscheinendem Mechanismus zum Durchbruch kam. Das wäre unverständlich, wenn die „Dass"-Frage vom „Wie" unabhängig wäre.

Dagegen schreibt Hemminger (1988): „Selbst wenn die bisherige kausale Evolutionsforschung widerlegt würde und Darwin erhielte, was weitreichende Veränderungen angeht, endgültig den Abschied, würde die Abstammungslehre bestehen bleiben. Da sie beschreibend vorgeht, hat sie es nicht nötig, einen Kausalmechanismus zu demonstrieren, um alternativen Theorien überlegen zu sein." Diese beiden Sätze sind sehr fragwürdig. Wenn sich nämlich beispielsweise zeigen würde, dass Makroevolution ausgesprochen sprunghaft verläuft, müsste man klar abgrenzbare Taxa erwarten – eine Erwartung, sie sich auch aus dem Schöpfungsmodell ergibt. Damit entfiele an dieser Stelle eine Vergleichsmöglichkeit der Plausibilität der konkurrierenden Theorien. Ohne Kenntnis der Mechanismen ist eine Vorhersage dessen, was an Daten zu erwarten ist, und damit eine Prüfung und ein Vergleich mit anderen Theorien nur noch eingeschränkt oder gar nicht möglich. Und eine nur beschreibende Theorie hat nach Auffassung mancher Wissenschaftstheoretiker den Status einer Theorie gar nicht „verdient" (vgl. Methodik der historischen Forschung).

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Schlussfolgerungen

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Anhang: Widerlegen chaotische Merkmalsverteilungen das Evolutionsparadigma?

Diese Frage wurde weiter oben schon kurz angeschnitten und soll hier noch etwas vertieft werden. Neukamm (2004) schreibt: „Evolutionstheorien stellen durchaus spezifische Erwartungen an die Merkmale, wie z.B. ausgeprägte Formähnlichkeiten sowie eine interdependente und hierarchische Ordnung in der Zusammenstellung der Merkmale. Obschon diese Ordnung oft von unerwarteten Inkongruenzen gestört wird, kennen wir keinen Fall, in dem sie wirklich aufgehoben wurde (Riedl 1990, S. 270). Evolutionstheorien liefern also keine ‘Allerklärungen’, sondern differenzierte, bruchstückhafte, in Teilen auch widerlegte, dafür jedoch über weite Bereiche mehr oder minder ‘tiefe’ (wenn auch nie zwingende) Erklärungen." In Junker (2003), worauf sich Neukamm bezieht, geht es allerdings um Erwartungen an Merkmalsmuster, nicht an Merkmale. Meine Behauptung lautet, dass sehr verschiedene Merkmalsmuster evolutionstheoretisch „erklärt" werden. In einer Frage ausgedrückt: Welches Merkmalsmuster falsifiziert das Evolutionsparadigma? Unklar ist weiter, was Neukamm unter Aufhebung der hierarchischen Ordnung versteht. Ist die Situation in Abb. 206 ein solcher Fall? Wägele (2001) kommentiert die in Abb. 206 dargestellten Befunde mit den Worten, dass mehrere, wenn nicht alle Untersuchungen fehlerhaft sein müssten. Dies heißt nichts anderes, als dass eines ganz bestimmt nicht erfolgt: Eine Hinterfragung des zugrundeliegenden Evolutionsparadigmas. Eine solche Vorgehensweise darf man wohl als dogmatisch bezeichnen.

Beyer (2004, 7) meint: „Die Evolutionstheorie sagt nun voraus, dass Apomorphien einmalig und unverwechselbar sind, und daher in unabhängigen Organismengruppen nicht auftreten dürfen" (Hervorhebung im Original). Diese Vorhersage ist widerlegt, auch für Schlüsselmerkmale. Beispielsweise stellen Sudhaus & Rehfeld (1992, 38) aufgrund der Merkmalsverteilung der Malpighischen Gefäße und Mandibeln unter den Taxa der Arthropoden fest: „Wir sind gehalten, eine konvergente Entwicklung entweder von Mandibeln oder von Malpighischen Gefäßen in Betracht zu ziehen. ... Die Komplexität von Mandibeln und Malpighischen Gefäßen kann als gleichwertig eingestuft werden." Dass ein Merkmalskomplex wie ein ganzer Vögelflügel (den Beyer in diesem Zusammenhang als Beispiel nennt) nur bei Wirbeltieren verwirklicht sein und nicht unabhängig bei anderen Tierstämmen auftreten kann, folgt aus Konstruktionszwängen, nicht aus evolutionstheoretischen Vorgaben. Bei weniger komplexen Merkmalen ist die Situation des mehrfach unabhängigen Erwerbs jedoch vielfach eingetreten: „Considering the distribution and combination of morphological characters in the fossil record it goes clear that many or even most characters considered typical of birds, like reduction of teeth, reduction of manual claws, the horny bill, the pygostyl, reduction of the fibula etc., evolved more than once" (Peters 2002, 353; Hervorhebung nicht im Original). „... the fact that avian features have arisen repeatedly and independently in theropod evolution now seems to be an inescapable conclusion" (Witmer 2002, 5). Zhang & Zhou (2000, 1957) halten sogar eine konvergente Entstehung von Federn nicht für ausgeschlossen. Hier ergibt sich zumindest die Aufgabe, genau anzugeben, wie komplex Merkmale sein müssen, damit mehrfache evolutionäre Entstehung definitiv nicht zu erwarten ist. Wo soll im makroevolutiven Bereich (um den es hier geht) eine Grenze zwischen Komplexitätsgraden gezogen werden?

Weiter schreibt Beyer (2004, 7): „Nichtsdestotrotz fordert sie [die Evolutionstheorie], dass Lebewesen in ein hierarchisches System abnehmender Ähnlichkeit eingeordnet werden können" (Hervorhebung im Original). Ein Blick auf Abb. 206 zeigt beispielhaft, dass auch dies nicht zutrifft. Viele weitere Beispiele könnten genannt werden (siehe z.B. Abb. 102, Abb. 210, Abb. 207 sowie Abb. 211; vgl. dieses mit Abb. 47).

Beyer (2004, 8) schlägt als weiteres Verbot von Beobachtungen bei Vorgabe des Evolutionsparadigmas vor: „Die evolutive Entwicklung ist eingleisig in dem Sinne, dass sich Entwicklungslinien zwar trennten, also aufspalten, aber nie wieder zusammen wachsen können. [Es darf nicht passieren, dass Elefanten dünner werden und längere Hälse bekommen, während Giraffen dick und grau werden, so dass die beiden Arten nach langer Entwicklung zu einer einzigen verschmelzen.] Zeige mir ein einziges solches Beispiel, und wir können die Evolutionstheorie als falsifiziert begraben" (Hervorhebung im Original). Wieso dies nicht aus der Evolutionstheorie (welcher?) folgen könne, wird nicht gesagt. Wenn Beyer mit „Evolutionstheorie" das Evolutionsparadigma im hier definierten Sinne meint, kann ein solcher Fall sicher nicht ausgeschlossen werden. Tatsächlich gibt es zuhauf Beispiele phylogenetischer Analysen, denen zufolge erhebliche Reversionen in größerer Zahl angenommen werden müssen. Damit wäre auch ein Szenario, wie Beyer es darstellt, nicht auszuschließen.

Wirklich kritisch für das Evolutionsparadigma würde es erst, wenn es beispielsweise Lebensformen mit völlig verschiedener Art der genetischen Codierung gäbe (nicht nur einige Ausnahmen eines grundsätzlich gleichartigen Codes) oder gar vollkommen verschiedenen Erbmolekülen oder wenn es viele Lebewesen gäbe, die untereinander überhaupt keine Ähnlichkeiten aufweisen. Ein solches Szenario hätte sicher ein Aufkommen der Evolutionsanschauung verhindert, aber es ist bei näherem Hinsehen völlig unrealistisch. Denn eine solche Welt wäre ökologisch unmöglich. Eine Interaktion der Lebewesen ist ohne Gemeinsamkeiten unter den Lebewesen gar nicht möglich, gleichgültig, wie man sich deren Entstehung vorstellt.

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Autor: Reinhard Junker, 11.06.2007

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