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Schöpfung - Fragen und Antworten: Design-Theorie

Ist „Intelligent Design“ wissenschaftsfeindlich?

Der nachfolgende Text ist eine leicht überarbeitete und gekürzte Version eines im November 2006 unter http://axonas.twoday.net/stories/2912241/ veröffentlichten Artikels. Auf den Text von „axonas" hat Martin Neukamm geantwortet; eine Entgegnung auf diese Antwort wurde am 13. 3. 2007 unter den „News" von Genesisnet veröffentlicht (Kontroverse über Wissenschaft und „Intelligent Design“).

Der Grundgedanke des „Intelligent Design" (ID) ist, dass an Strukturen der Lebewesen Eigenschaften erkennbar sind, die auf das Wirken eines intelligenten, willensbegabten Urhebers hinweisen und andere Möglichkeiten ihrer Herkunft unwahrscheinlich machen. Solche Eigenschaften können als „Design-Signale" bezeichnet werden; es gibt verschiedene Versuche, dies zu definieren (siehe Kontroverse um „Intelligent-Design"). Relativ stark beachtet, heftig diskutiert und kritisiert wurde beispielsweise das ID-Erkennungsmerkmal der sogenannten „nichtreduzierbaren Komplexität" (siehe Nichtreduzierbare Komplexität), das der Biochemiker Michael Behe im 1996 veröffentlichten Buch „Darwin’s Black Box" popularisiert hat. Zur Motivation für eine Forschung, die für ID offen ist, schreibt Phillip Johnson: „Intelligente Ursachen können bewirken, was nicht intelligente Ursachen nicht können, und eine naturwissenschaftliche Untersuchung kann diesen Unterschied aufzeigen." Obwohl also von einer „naturwissenschaftlichen Untersuchung" die Rede ist, wird gegen den ID-Ansatz häufig der Vorwurf erhoben, sie würde Wissenschaft blockieren, weil bei offenen Fragen auf einen Designer oder Schöpfer verwiesen würde, anstatt weiter zu forschen. Damit aber sei der ID-Ansatz wissenschaftsfeindlich. Da unsere Gesellschaft auf den Errungenschaften der Naturwissenschaften basiere, sei ID daher intolerabel.

Dieser sehr schwerwiegende Vorwurf ist indessen eine Konstruktion auf der Basis einer falschen Voraussetzung, nämlich der gerade zitierten Behauptung, Anhänger von ID würden bei offenen Fragen nicht weiterforschen. Das Gegenteil ist der Fall: Argumente für Planung in der Natur können nur dann begründet vorgetragen werden, wenn der betreffende Forschungsgegenstand gut untersucht ist. Und diese Argumente können gegen Kritik wiederum nur durch weitere Forschung behauptet werden. Um die Plausibilität von Argumenten für Planung zu erhöhen, ist also Forschung notwendig, nicht deren Beendigung. Der oben erwähnte Michael Behe betont in seinem Bestseller Darwin’s Black Box gerade, dass durch die Zunahme des Wissens im biochemischen Bereich das Design-Argument der sogenannten „nichtreduzierbaren Komplexität" erst plausibel wurde. Weitere Forschung kann ID-Argumente natürlich auch schwächen. Die Forschung ist ergebnisoffen und ID verliert z. B. dadurch an Plausibilität, dass die Entstehung von Strukuren mit einer nichtreduzierbaren Komplexität durch natürliche Prozesse erklärt werden kann.

In Wirklichkeit stellen sich viele wissenschaftliche Fragen gerade dann, wenn „Schöpfung" oder „Planung" in der Natur vorausgesetzt wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass verschiedene Weltsichten teilweise verschiedene Fragen an die Natur richten. (Details werden im Internetartikel „Wissenschaft im Rahmen des Schöpfungsparadigmas" diskutiert: http://www.wort-und-wissen.de/artikel/a02/a02.pdf) Die Forschungsmethoden und die Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns sind aber im Grundsatz dieselben. Zudem zeigt ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte, dass das christliche Weltbild die modernen Naturwissenschaft förderte. Denn aufgrund biblischer Schöpfungsaussagen wurde die Welt gerade nicht als von willkürlich agierenden Göttern beherrscht betrachtet. Vielmehr geht es gemäß christlicher Schöpfungsanschauung in der Welt mit regelhaften Abläufen zu, die erforschbar sind, weil die Welt von Gott geschaffen wurde und von ihm nach Ordnungen regiert wird; das garantiert Regelhaftigkeiten (biblische Grundaussagen dazu sind Genesis 8,22 sowie Jeremia 31,35f. und 33,25). Dieses Weltverständnis war geschichtlich der Ausgangspunkt für die Naturwissenschaft, wie wir sie heute betreiben.

 

Die Vermischung der Wie-Frage mit der Woher-Frage

Die Werkzeuge der Naturwissenschaft, mit denen empirische Forschung betrieben wird, sind vor allem geeignet, Fragen des Aufbaus und Funktionierens der Welt zu erforschen (in diesem Sinne „Wie-Fragen"). Z. B.: Wie sind die Lebewesen aufgebaut, wie funktionieren sie? Darüber hinaus ist die Wozu-Frage in der Biologie von großem heuristischem Wert: Z. B.: Welchen Zweck erfüllt das untersuchte Organ? Dagegen liegt die Woher-Frage – um die es beim ID-Ansatz geht – nur indirekt in der Reichweite empirischer Forschung. Sie kann zu ihrer Beantwortung zwar zahlreiche Indizien bereitstellen und ist daher eine unverzichtbare Hilfswissenschaft für Herkunftsfragen; dennoch sind Woher-Fragen ihrem Wesen nach historische Fragen.

Der Fortschritt der Wissenschaft in den Wie-Fragen geht nun nicht automatisch mit einem Fortschritt in der Beantwortung der Woher-Fragen einher. Es ist nicht so, dass zunehmendes naturwissenschaftliches Wissen unsere Kenntnislücken in Entstehungsfragen ohne weiteres verkleinern würde. Das Gegenteil liegt ebenso im möglichen Erkenntnisraum: Je mehr wir wissen, desto offenkundiger könnte unsere Unkenntnis in den Ursprungsfragen werden. Ob das zutrifft, muss von Fall zu Fall untersucht werden. Jedenfalls darf der Erfolg bei der Beantwortung von Wie-Fragen (im o. g. Sinne) keinesfalls unbesehen für Erfolge in Woher-Fragen reklamiert werden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Die Diskussion um Evolution, ID und Schöpfung berührt die Wie-Fragen, von deren Beantwortung unsere Gesellschaft in Medizin und Technik profitiert, überhaupt nicht. Die Behauptung, ID oder der Bezug auf „Schöpfung" bedrohten die Fundamente von Wissenschaft und Gesellschaft, sind daher abwegig.

 

Erkenntnisgewinnung in der Ursprungsforschung

Naturwissenschaftler verfolgen das Ziel, die Ursachen für die beobachteten Phänomene herauszufinden, welcher Art diese Ursachen auch immer sind, natürlich oder willensgesteuert. So muss ein Archäologe, der Artefakte von Naturprodukten unterscheiden möchte, bei einer Untersuchung von mutmaßlichen Steinwerkzeugen sowohl die Möglichkeit natürlicher Ursachen als auch das Vorliegen von zielorientierter Aktion einkalkulieren. Eine Beschränkung auf ausschließlich natürliche Ursachen wäre hier eine folgenreiche Vorentscheidung über das, was man überhaupt herausfinden kann. Das gilt für jede Ursprungsforschung. Eine solche Vorfestlegung könnte man nur philosophisch begründen, nicht durch empirische Forschung. Dazu kommt, dass es nach Auffassung von ID-Befürwortern schwerwiegende Verdachtsmomente für Planung gibt. (Sehr schön dargestellt und begründet wird dies von Markus Rammerstorfer in seinem Buch „Nur eine Illusion? Biologie und Design" (Marburg 2006); vgl. meine Rezension unter http://www.wort-und-wissen.de/info/rezens/b25.html.) Die Hinweise darauf, dass es noch andere als natürliche Ursachen für die Entstehung der beobachteten Phänomene gibt, sind überwältigend. Sogar Richard Dawkins – einer der größten Gegner des Gedankens an Planung in der Natur – definiert Biologie als „das Studium komplizierter Dinge, die so aussehen, als seien sie zu einem Zweck entworfen worden." Bei einer in der Akzeptanz möglicher Ursachen nicht von vornherein eingeschränkten Suche werden verschiedene Wege der Erkenntnisgewinnung beschritten, darunter selbstverständlich auch der naturwissenschaftliche. Es wäre jedoch eine unbegründete Kanalisierung, in Ursprungsfragen nur die Suche nach natürlichen, durch Gesetze beschreibbare Ursachen zuzulassen – genauso wie es eine Vorfestlegung wäre, diese von vornherein auszuschließen, indem auf besondere Schöpfungsakte verwiesen wird. Eine ideologiefreie Vorgehensweise zieht von vornherein alle möglichen Ursachen in Betracht, insbesondere wenn es entsprechende Hinweise gibt.

Aus alledem folgt erneut: Die Annahme von „Schöpfung" behindert wissenschaftliche Forschung keineswegs, sondern regt sie an, und zwar insbesondere dadurch, dass sie verschiedenen Spuren (natürliche Mechanismen und Indizien auf Planung) nachgeht. Die naturwissenschaftliche Methode wird dabei uneingeschränkt verwendet.

Es kommt noch hinzu, dass es keine universell gültige Vorgabe einer Forschungsmethode gibt, wie Wissenschaft zu betreiben ist. Diese Feststellung gehört zum wissenschaftstheoretischen Allgemeingut. Noch nicht einmal im Bereich einer harten Wissenschaft, wie der Physik, gibt es eine universelle Methode, wie A. F. Chalmers in seinem Standardwerk „Wege der Wissenschaft" (Berlin, 4. Aufl. 2001) herausstellt. Denkmögliche Erklärungen nur mit Hinweisen auf Methodik abzulehnen, ist nicht zu rechtfertigen. Stattdessen sollten mögliche Erklärungsweisen für wissenschaftliche Untersuchungen greifbar gemacht werden. Genau das versucht der ID-Ansatz im Bereich der biologischen Ursprungsfrage.

 

Verfehlte Vergleiche

In der Auseinandersetzung um ID lautet eine vielfach kolportierte Argumentationsfigur, es sei genauso unsinnig, die Evolutionstheorie zu hinterfragen wie es abwegig wäre, die Atomtheorie oder das Periodensystem der Elemente in Frage zu stellen. Vergleiche dieser Art sind grob irreführend. Zum einen handelt sich um einen Vergleich einer historischen Theorie mit einer Strukturtheorie, in welcher der Zeitaspekt keine Rolle spielt. Hier wird also der Unterschied zwischen einer Wie-Frage (hier: Aufbau der physikalischen Welt) und der Woher-Frage nicht beachtet. Doch davon abgesehen stellt sich ganz einfach die Frage: Gibt es empirische Gründe, eine Theorie – um welche es auch immer sich handelt – kritisch zu hinterfragen? Weshalb sollte Kritik an der Evolutionstheorie nicht zur Sprache kommen, nur weil es keine Kritik an der Atomtheorie oder dem Periodensystem der Elemente gibt? Was hat die eine Theorie mit der anderen zu tun? Vergleiche dieser Art dienen dem Schutz der Evolutionstheorie vor fundamentaler fachlicher Kritik; sie sind Teil einer Immunisierungsstrategie, die ideologische Züge trägt.

Zudem können auch bewährte Theorien aufgrund neuerer Erkenntnisse scheitern. Ein Beispiel ist die Geosynklinaltheorie in der Geologie, durch die bis zu Beginn der 1960er Jahre die Entstehung der Gebirge erklärt wurde. Diese Theorie galt lange Zeit als Lehrmeinung. Dennoch hat sie sich als falsch herausgestellt. Der Vergleich der Evolutionstheorie mit vermeintlich gesicherten Theorien könnte so zum Rohrkrepierer werden.

 

Schlussfolgerungen

Naturwissenschaft befasst sich primär mit dem Aufbau und dem Funktionieren der physikalischen und belebten Welt. Ihre Forschungsgebiete tangieren die Ursprungsfrage nur mittelbar. Naturwissenschaftliche Forschung ist daher bezüglich verschiedener Vorstellungen über Ursprung und Geschichte der Schöpfung weitgehend neutral. In den Wie-Fragen wird Naturwissenschaft durch schöpfungsbasierte Weltsichten in keiner Weise behindert – im Gegenteil: manche wissenschaftlich untersuchbaren Fragen werden gerade dann aufgeworfen, wenn die Option „Schöpfung" offengehalten wird. Der Vorwurf, ID sei ein „science stopper" erweist sich daher als unbegründet. In der Diskussion um Ursprungsfragen wird dieser Vorwurf vielmehr als „Kampfmittel" eingesetzt, um unliebsame Positionen als nicht diskurswürdig aus dem Wettbewerb konkurrierender Weltsichten zu werfen.


Autor: Reinhard Junker, 10.05.2008

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