Schöpfung: Design-Theorie |
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Interessierte: Nichtreduzierbare Komplexität |
InhaltIn diesem Artikel wird erklärt, was irreduzible Komplexität (IC) ist und gezeigt, weshalb die Entstehung von IC durch ungerichtete evolutive Prozesse derzeit unbekannt ist. Außerdem wird auf eine Reihe von Kritikpunkten gegen das IC-Argument eingegangen. Was ist irreduzible Komplexität? Theoretische Betrachtungen, die die Entstehung von IC plausibel machen sollen Co-option und Funktionswechsel Nachweis der evolutiven Entstehung einer IC-Struktur? |
Was ist irreduzible Komplexität? |
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In der Diskussion um „Intelligent Design“ (ID) (Einführung in „Intelligent-Design“ spielt irreduzible Komplexität („irreducible complexity“, IC) bei Lebewesen eine besondere Rolle. Organismen bestehen aus zahlreichen synorganisierten Teilsystemen, d. h. es wirken viele Komponenten zusammen, um eine oder mehrere Aufgaben zu erfüllen. Mindestens ein Teil dieser Systeme scheint unverzichtbar für die Funktion zu sein; er ist irreduzibel. Entsprechend wird irreduzible Komplexität wie folgt definiert: Ein System ist irreduzibel komplex, wenn es notwendigerweise aus mehreren fein aufeinander abgestimmten, interagierenden Teilen besteht, die für eine bestimmte Funktion benötigt werden, so dass die Entfernung eines beliebigen Teils die Funktion restlos zerstört (nach Michael Behe). Ein solches System wird nachfolgend als IC-System bezeichnet. Wichtig in der Definition von IC ist, dass es sich um interagierende Teile handelt, die aufeinander abgestimmt sind. |
Das IC-Argument |
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In diesem Artikel wird vom IC-Argument die Rede sein. Damit ist gemeint: Es ist nicht möglich, ein IC-System schrittweise durch ungerichtete graduelle Prozesse aufzubauen. Denn solange ein IC-System nicht alle für die Ausübung der betreffenden Funktion erforderlichen Teile besitzt, ist es aufgrund seiner Funktionslosigkeit selektionsnegativ oder bestenfalls selektionsneutral (falls das System sehr einfach ist). Das heißt: Irreduzible Systeme sind so gestaltet, dass die Selektion erst greifen kann, wenn das System komplett ist. Das Konzept der irreduziblen Komplexität berücksichtigt also ausdrücklich den Selektionsaspekt. Als eingängiges Anschauungsbeispiel für irreduzible Komplexität verwendet Michael Behe die Mausefalle. Auf keines ihrer fünf Teile kann verzichet werden, wenn die Funktion nicht vollständig verloren gehen soll. Die Entfernung irgendeines Teils zerstört die Funktion restlos. Außerdem müssen die Fallenteile auch zweckvoll gestaltet sein. Wichtig ist: Das IC-Argument schließt nicht aus, dass die Einzelteile der IC-Struktur eine andere Funktion als die IC-Struktur selber ausüben können. So hat beispielsweise eine Feder eine Funktion auch dann, wenn sie nicht Bestandteil einer Mausefalle ist, sie übt allerdings nicht die Funktion einer Mausefalle aus. Als reale biochemische Beispiele diskutiert Behe in seinem viel beachteten Buch „Darwin’s Black Box“ (Behe 1996) Cilien und die Bakteriengeißel, das Blutgerinnungssystem, den Transport durch die Zellmembran und das Immunsystem. Beispiele für irreduzible Komplexität gibt es auch auf morphologisch-anatomischer Ebene, doch dürften hier die Verhältnisse viel zu komplex und zu wenig durchschaut sein, um exakt argumentieren zu können. Doch kann irreduzible Komplexität mit solchen Beispielen auch dem Nichtbiologen leicht veranschaulicht werden. Irreduzible Komplexität stellt ein schwerwiegendes Problem für die Vorstellung einer ungelenkten Evolution dar: Da Selektion erst greifen kann, wenn eine wenigstens minimale Funktion vorliegt, kann eine IC-Struktur nicht schrittweise evolutiv aufgebaut werden. Ihre Vorstufen wären ja völlig funktionslos und daher nicht selektierbar. Wie der Sprung zu einer IC-Struktur evolutiv (durch ungerichtete Prozesse) möglich sein könnte, ist daher nach derzeitigem Kenntnisstand unbekannt. Darüber hinaus kann irreduzible Komplexität auch positiv als Argument für Design gewertet werden: Bei technischen Systemen ist bekannt, wie irreduzible Komplexität entsteht: durch das Wirken eines Konstrukteurs, der seine unfertigen, im Aufbau befindlichen Konstruktionen nicht einer Selektion ausliefern muss (sie müssen sich nicht im Wettbewerb des Handels durchsetzen). Eine vergleichare Konstellation von IC bei Lebewesen erlaubt daher einen Analogieschluss auf einen Urheber. Die mit diesem Schlussverfahren verbundenen und andere Probleme des Design-Arguments werden im Artikel Kontroverse um „Intelligent-Design“ diskutiert. IC ist ein starker Hinweis auf ID, weil hier Zielgerichtetheit besonders klar zum Ausdruck kommt. Irreduzible Komplexität muss gegen kumulative Komplexität abgegrenzt werden, also gegen eine Komplexität, die kleinschrittig allmählich aufgebaut werden kann. Eine Konstruktion mag in manchen Fällen teilweise reduzierbar sein, ohne dass ihre Funktion verloren geht.Für das IC-Argument ist daher nur wichtig, dass es eine irreduzible Teilstruktur gibt (ein IC-Kernbereich). Das IC-Argument greift natürlich nur für den unverzichtbaren Teil; es wird daher nicht dadurch entkräftet, dass man zeigt, dass ein kleiner Teil eines Systems reduzibel ist. Gegen das Konzept der irreduziblen Komplexität und das damit verbundene IC-Argument wurden verschiedene Kritikpunkte publiziert. Auf die wichtigsten kommen wir im folgenden zu sprechen. |
Co-option und Funktionswechsel |
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Als weiterer Einwand gegen das Konzept der irreduziblen Komplexität wird angeführt, dass die Einzelteile eines irreduzibel komplexen Systems zuvor bereits andere Funktionen erfüllt haben können und in einen neuen Funktionszusammenhang übernommen worden seien. Man spricht von „co-option“. Es gibt reale Beispiele, die in diesem Sinne interpretiert werden. Doch die Möglichkeit einer co-option trifft das IC-Argument nicht. Denn das IC-Argument lautet, dass die aktuelle Funktion eines Systems verloren geht, wenn ein beliebiges Bauelement entfernt wird. Ob die Einzelbausteine andere Funktionen haben (oder vor einem Einbau hatten), ist für das IC-Argument irrelevant. Um es unter Hinweis auf die Möglichkeit einer co-option zu widerlegen, müsste gezeigt werden, wie ein IC-System durch co-optionen auf der Basis bekannter Evolutionsmechanismen entstanden ist. Dazu muss folgendes geklärt werden: 1. die bisherige Funktion des eingebauten Bauteils, 2. die bisherige Funktion des Systems, in welches das Bauelement eingebaut wurde, 3. die Regulation des Einbaus und 4. die Selektionsdrücke, die dies gefördert haben, oder alternativ ein realistisches Modell, wie der Einbau durch die Mechanismen der neutralen Evolution erfolgt sein könnte. Für komplexe Systeme ist co-option bisher experimentell nicht nachgewiesen; dieser hypothetische Vorgang wird hauptsächlich aufgrund vergleichend-biologischer Argumente postuliert. Konkrete Beispiele, die im Zusammenhang mit IC vorgeschlagen wurden, werden im Expertenteil (Irreduzible Komplexität) diskutiert |
Nachweis der evolutiven Entstehung einer IC-Struktur? |
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Das IC-Argument könnte durch den Nachweis einer evolutiven Entstehung einer IC-Struktur widerlegt werden. Es würde genügen, diesen Nachweis in nur einem einzigen Fall zu führen, um zumindest die Plausibilität des IC-Arguments entscheidend zu schwächen. Es ist also nicht erforderlich, für jede IC-Struktur deren evolutive Entstehung nachzuweisen; das wäre aus praktischen Gründen unmöglich. Wenn es jedoch nur einmal gelingt, könnte man mit einigem Recht argumentieren, dass vergleichbare (!) Komplexitäten auch evolutiv entstehen können. Dieser Sachverhalt soll besonders betont werden, da kritisiert wird, dass ID-Vertreter einfach auf ein neues, noch unerforschtes Beispiel übergehen würden, wenn die evolutive Entstehung einer IC-Struktur bewiesen würde. Es muss hier aber auch bedacht werden: Der Nachweis der evolutiven Entstehung einer geringfügig komplexen Struktur würde die Entstehung höher komplexer Strukturen nicht erklären. Dabei muss natürlich ein Maß für den Grad der Komplexität gefunden werden, damit exakt argumentiert werden kann. Daher muss genau Rechenschaft darüber abgegeben werden, welche Qualität von Komplexität durch empirische Daten nachgewiesen werden kann. An diesem Punkt hakt Behe (2001) in seiner Antwort auf Kritiker ein. Er setzt sich mit einem Artikel von Miller auseinander, in welchem dieser behauptet, es sei bereits geglückt, die evolutive Entstehung einer IC-Struktur nachzuweisen. Miller beruft sich dabei auf eine Arbeit von Barry Hall über das Lactose verwertende System von E. coli. Tatsächlich wird in der Studie von Hall aber nur gezeigt, dass nach dem Ausschalten der Galactosidase, einem einzigen Teil des Systems, ein anderes Enzym dessen Funktion übernahm. Dabei waren nur geringfügige Änderungen mikroevolutiver Art erforderlich, denn das Ersatz-Enzym besaß bereits in gewissem Umfang die Fähigkeit, Lactose zu hydrolysieren. Eine solche Veränderung ist vergleichbar mit dem Erwerb von Antibiotikaresistenz und weit vom Erwerb einer neuen IC-Struktur entfernt. Der Ersatz durch das neue Enzym gelang zudem nicht durch ungelenkte Evolutionsmechanismen, denn das System musste durch Intervention künstlich am Leben erhalten werden, solange die Bakterien Lactose nicht verwerten konnten (Details dazu in Behe 2001, 689ff.). Damit zeigt die Originalarbeit von Hall das Gegenteil dessen, was Miller behauptete: Ohne Design geht die Funktion verloren. Hier wird auch beispielhaft deutlich, dass der Hinweis auf einen Designer kein Argument aufgrund von Nichtwissen ist, vielmehr wird der betreffende Vorgang aufgrund positiver Befunde angemessen beschrieben, wenn der Designer (der eingreifende Experimentator) nicht ausgeblendet wird. Ein weiteres Beispiel wird im Expertenteil (Irreduzible Komplexität) ausführlich diskutiert. |
Testbarkeit des IC-Arguments |
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Über die genannten Kritikpunkte hinaus wurde auch wissenschaftstheoretische Kritik formuliert. Darauf wird im Expertenteil (Irreduzible Komplexität) ausführlich eingegangen. Hier soll nur auf die Frage nach der Testbarkeit und Widerlegbarkeit des IC-Arguments eingegangen werden. Die Evolvierbarkeit von IC könnte in Zukunft durchaus nachgewiesen und das IC-Konzept damit als überflüssig erwiesen werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Es wird gezeigt, dass eine IC-Struktur ohne Funktionsverlust schrittweise reduzibel ist, d. h. dass es sich bei der betreffenden Struktur nicht um irreduzible, sondern um kumulative Komplexität handelt (vgl. Einleitung). Wie weiter oben bereits erwähnt, ist es nicht erforderlich, dies für jede Struktur nachzuweisen, die irreduzibel komplex zu sein scheint. Wenn dieser Nachweis wenigstens einmal oder einige wenige Male gelingt, so steigt die Plausibilität, dass es auch für nicht untersuchte vergleichbar komplexe Strukturen ebenfalls möglich ist. 2. Es wird experimentell gezeigt, dass eine IC-Struktur durch bekannte Evolutionsmechanismen ohne Eingriff eines Designers entstehen kann. Das IC-Konzept kann durchaus Impulse für Forschung geben. Es regt an, genauer hinzuschauen. Nur ein detailliertes Studium eines IC-verdächtigen Systems kann zeigen, ob es wirklich IC ist, und nur die weiter verbesserte Kenntnis der Evolutionsmechanismen kann die Plausibilität einer evolutiven Entstehung einer IC-Struktur begründen, erhöhen oder verringern. Das Ergebnis steht nicht von vornherein fest.
Quellen Behe MJ (1996) Darwin’s Black Box: the Biochemical Challenge to Evolution. New York. Behe MJ (2001) Reply to my critics: A response to reviews of Darwin’s Black Box: the Biochemical Challenge to Evolution. Biol. Philos. 16, 685-709. Leisola M (2004) Über die Entstehung neuer Proteine. Stud. Int. J. 11, 67-75. |
Weitere Fragen zu diesem Thema |
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