In diesem Artikel wird vom IC-Argument die Rede sein. Damit ist gemeint: Es ist nicht möglich, ein IC-System schrittweise durch ungerichtete graduelle Prozesse aufzubauen. Denn solange ein IC-System nicht alle für die Ausübung der betreffenden Funktion erforderlichen Teile besitzt, ist es aufgrund seiner Funktionslosigkeit selektionsnegativ oder bestenfalls selektionsneutral (falls das System sehr einfach ist). Das heißt: Irreduzible Systeme sind so gestaltet, dass die Selektion erst greifen kann, wenn das System komplett ist. Das Konzept der irreduziblen Komplexität berücksichtigt also ausdrücklich den Selektionsaspekt.
Als eingängiges Anschauungsbeispiel für irreduzible Komplexität verwendet Michael Behe die Mausefalle. Auf keines ihrer fünf Teile kann verzichet werden, wenn die Funktion nicht vollständig verloren gehen soll. Die Entfernung irgendeines Teils zerstört die Funktion restlos. Außerdem müssen die Fallenteile auch zweckvoll gestaltet sein.
Wichtig ist: Das IC-Argument schließt nicht aus, dass die Einzelteile der IC-Struktur eine andere Funktion als die IC-Struktur selber ausüben können. So hat beispielsweise eine Feder eine Funktion auch dann, wenn sie nicht Bestandteil einer Mausefalle ist, sie übt allerdings nicht die Funktion einer Mausefalle aus.
Als reale biochemische Beispiele diskutiert Behe in seinem viel beachteten Buch „Darwin’s Black Box“ (Behe 1996) Cilien und die Bakteriengeißel, das Blutgerinnungssystem, den Transport durch die Zellmembran und das Immunsystem. Beispiele für irreduzible Komplexität gibt es auch auf morphologisch-anatomischer Ebene, doch dürften hier die Verhältnisse viel zu komplex und zu wenig durchschaut sein, um exakt argumentieren zu können. Doch kann irreduzible Komplexität mit solchen Beispielen auch dem Nichtbiologen leicht veranschaulicht werden.
Irreduzible Komplexität stellt ein schwerwiegendes Problem für die Vorstellung einer ungelenkten Evolution dar: Da Selektion erst greifen kann, wenn eine wenigstens minimale Funktion vorliegt, kann eine IC-Struktur nicht schrittweise evolutiv aufgebaut werden. Ihre Vorstufen wären ja völlig funktionslos und daher nicht selektierbar. Wie der Sprung zu einer IC-Struktur evolutiv (durch ungerichtete Prozesse) möglich sein könnte, ist daher nach derzeitigem Kenntnisstand unbekannt.
Darüber hinaus kann irreduzible Komplexität auch positiv als Argument für Design gewertet werden: Bei technischen Systemen ist bekannt, wie irreduzible Komplexität entsteht: durch das Wirken eines Konstrukteurs, der seine unfertigen, im Aufbau befindlichen Konstruktionen nicht einer Selektion ausliefern muss (sie müssen sich nicht im Wettbewerb des Handels durchsetzen). Eine vergleichare Konstellation von IC bei Lebewesen erlaubt daher einen Analogieschluss auf einen Urheber. Die mit diesem Schlussverfahren verbundenen und andere Probleme des Design-Arguments werden im Artikel Kontroverse um „Intelligent-Design“ diskutiert. IC ist ein starker Hinweis auf ID, weil hier Zielgerichtetheit besonders klar zum Ausdruck kommt.
Irreduzible Komplexität muss gegen kumulative Komplexität abgegrenzt werden, also gegen eine Komplexität, die kleinschrittig allmählich aufgebaut werden kann.
Eine Konstruktion mag in manchen Fällen teilweise reduzierbar sein, ohne dass ihre Funktion verloren geht.Für das IC-Argument ist daher nur wichtig, dass es eine irreduzible Teilstruktur gibt (ein IC-Kernbereich). Das IC-Argument greift natürlich nur für den unverzichtbaren Teil; es wird daher nicht dadurch entkräftet, dass man zeigt, dass ein kleiner Teil eines Systems reduzibel ist.
Gegen das Konzept der irreduziblen Komplexität und das damit verbundene IC-Argument wurden verschiedene Kritikpunkte publiziert. Auf die wichtigsten kommen wir im folgenden zu sprechen. |