Unumstrittene Kriterien für die Wissenschaftlichkeit einer Hypothese oder Theorie gibt es zwar kaum, dennoch werden allgemein einige Standards anerkannt:
- Eine Hypothese oder Theorie muss widerspruchsfrei zu den bekannten Daten sein. Die Hypothese „Alle Schwäne sind weiß" wird durch die Existenz eines schwarzen Schwans in dieser Allgemeinheit widerlegt. (Es gibt übrigens tatsächlich schwarze Schwäne.)
- Eine Hypothese oder Theorie muss Daten ohne Bezug durch natürliche Faktoren erklären können. Dieses Kriterium ist freilich recht subjektiv, da man verschiedener Meinung sein kann, wie gut eine Theorie einen bestimmten Sachverhalt erklärt.
- Eine Hypothese oder Theorie muss Schlussfolgerungen ermöglichen, die durch weitere Daten überprüfbar sind, d. h. die Hypothese bzw. Theorie muss ggf. auch widerlegt (falsifiziert) werden können. Die Bildung solcher Schlussfolgerungen nennt man Deduktion (Ableitung). Deduzieren geschieht durch logisches Schließen. Man kann daher auch sagen, dass eine Theorie Vorhersagen ermöglichen muss, die eintreffen müssen, wenn die Theorie richtig ist, d.h. wenn sie der Realität entspricht.
Sicherheit von Theorien. Auf diesem Wege ist allerdings kein sicheres Wissen zu finden. Bestenfalls kann man von einer Theorie sagen, dass sie nicht im Widerspruch zu den Daten steht, niemals aber, dass sie als unwiderruflich wahr erwiesen werden kann. Denn ein einziger empirischer Befund, welcher einer Theorie widerspricht, kann eine Änderung der Theorie erfordern.
Wann muss eine Theorie aufgegeben und ersetzt werden? Auf diese Frage gibt es keine generell gültige Antwort. Einfache Hypothesen mögen durch neue widersprechende Daten widerlegt werden. Theorien sind aber ganze Systeme einzelner Hypothesen, und widersprechende Daten werden ebenfalls im Rahmen von Theorien gewonnen. Woran liegt es also, wenn neue Daten zu einer bisher bewährten Theorie nicht passen? Das Problem ist: Der Fehler kann überall liegen: Bei der Erfassung von Daten ebenso wie der Formulierung einer Hypothese.
In der Praxis des wissenschaftlichen Arbeitens führen falsifizierende Daten meis-
tens gar nicht zur Verwerfung der Theorie; vielmehr werden falsifizierende Daten durch Einführung von Hilfshypothesen „aufgefangen". Der Wissenschafts-
theoretiker LAKATOS unterscheidet in diesem Zusammenhang den harten Kern von Theorien vom Mantel der Hilfshypothesen. |
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