Die präbiotische Chemie (=Forschungszweig, in dem chemische Prozesse untersucht werden, die vor dem Auftreten erster Lebewesen abgelaufen sein und damit die materielle Basis für die Entstehung erster lebender Systeme liefern könnten) benötigt geeignete Bedingungen für die Bildung erster einfacher Moleküle, aus denen sich die materiellen Bestandteile von ersten Lebewesen bilden könnten. Diese Ausgangssituation kann nicht direkt untersucht werden. Nach evolutionstheoretischen Vorstellungen liegt sie extrem weit in der Vergangenheit. Eine Vorstellung von der Situation, bevor Lebewesen und deren stoffliche Komponenten entstanden, muss daher hypothetisch (=als unbewiesene, zunächst noch unbegründete Annahme) vorgegeben werden (vgl. Artikel „Methodik der empirischen Forschung").
Beim Versuch, mögliche Ausgangsbedingungen zu entwerfen, orientiert man sich u. a. an folgenden Anhaltspunkten:
1. Man untersucht Gesteine, die noch vor der Zeit der (hypothetischen) Entstehung erster Lebewesen entstanden sind, in der Hoffnung, daraus Rückschlüsse auf die damalige Zusammensetzung der Uratmosphäre ziehen zu können. Deren Bestandteile könnten damit auch in Kontakt mit „Urozeane" oder Wasserquellen auf der Erdoberfläche („Urtümpel") gestanden haben.
2. Die Verteilung und Häufigkeit der chemischen Elemente im Weltall könnten auch Anhaltspunkte dafür liefern, welche chemischen Verbindungen am Anfang in der Uratmosphäre zur Verfügung standen.
3. Aufgrund chemischer Zusammenhänge kommen den einzelnen Stoffen in der Uratmosphäre und den Urozeanen oder Urtümpeln unterschiedliche Bedeutung für die Synthese wichtiger Bausteine der Lebewesen bzw. deren Vorstufen (wie Aminosäuren, Zucker etc.) zu.
Aus diesen und weiteren Anhaltspunkten müssen widerspruchsfreie Modelle entwickelt werden, die dann entsprechend plausibel dargestellt werden.
Nachdem der Kosmos mit unserem Sonnensystem entstanden war, könnten durch Energieeinwirkung auf das Gasgemisch einer hypothetischen frühen Erdatmosphäre organische Moleküle entstanden sein. Diese könnten in die Urozeane bzw. Urtümpel gelangt sein und dadurch sog. „Ursuppen" erzeugt haben.
Solche Ursuppen gelten in vielen Überlegungen als naheliegende Ausgangsbasis für die Bildung weiterer, komplexerer Verbindungen, die zum Aufbau von lebenden Systemen sowie deren hypothetischen Vorläufern nötig sind.
Hypothesen, die den Übergang von einfach gebauten kleinen Molekülen zu komplexeren und schließlich zu ersten „einfachen" Lebensformen naturwissenschaftlich nachvollziehbar machen sollen, werden als „chemische Evolution" bezeichnet. |