Die Synthese der Stickstoffbasen ist durch Addition weniger HCN-Moleküle möglich (HCN = Cyanwasserstoff, Blausäure). Auf diesem Weg konnte Adenin in sehr geringer Ausbeute hergestellt werden. Doch auch hier treten bei detaillierter Betrachtung erhebliche Schwierigkeiten bei der Synthese der RNS-Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil auf (vgl. Abb. 182). Für Adenin, die am einfachsten unter präbiotischen Bedingungen durch Addition von 5 HCN-Molekülen zu synthetisierende Base (Abb. 183), wird die Lebensdauer unter möglichst schonenden Bedingungen in der Größenordnung von hundert Jahren angegeben – wieder viel zu wenig, um über längere Zeit für weiterführende Reaktionen zur Verfügung stehen zu können. Adenin weist in seiner Struktur mehrere Positionen auf, an denen weitere Reaktionen ablaufen, d.h. wenn Adenin unter Ursuppenbedingungen synthetisiert ist, wird es durch weitere Umsetzungen in andere Produkte umgewandelt und steht damit für die Bildung von Nukleinsäuren nicht zur Verfügung.
Die Synthese der anderen Basen bereitet noch größere Schwierigkeiten. Für Guanin wird eine unrealistisch hohe HCN-Konzentration benötigt, um wenigstens eine Zwischenverbindung mit einer Ausbeute von weniger als 0,1% zu erhalten. Die Anwesenheit von Formaldehyd, dem für die Synthese der gleichzeitig benötigten Zucker (s. o.) eine zentrale Bedeutung zugeschrieben wird, verhindert die erwünschte Reaktion von HCN, weil dieses durch Reaktion mit Formaldehyd abgefangen wird und somit nicht mehr zur Verfügung steht.
Für die Synthese von Cytosin und Uracil wurden Reaktionen mit hohen Harnstoff-Konzentrationen vorgeschlagen. Die hohen Konzentrationen stellen erhöhte Ansprüche an die präbiotischen Modelle und erfordern viel Zeit (periodisch trockenfallende Lagunen). In dieser Zeit werden die anderen Komponenten jedoch schon wieder zerstört.
Man kann also festhalten: Die präbiotische Synthese der RNA- und DNA-Basen unter unspezifischen Ursuppen-Bedingungen ist unverstanden. Zudem ist die chemische Stabilität der Verbindungen gering, was die Plausibilität der präbiotischen Nukleotidsynthese weiter herabsetzt. Shapiro (1996) zieht folgendes Resümee: „Die Befunde, die gegenwärtig zur Verfügung stehen, bestätigen die Idee nicht, dass RNS oder ein alternatives Replikationssystem unter Benützung der RNS-Basen am Beginn des Lebens beteiligt war." |
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Wie gezeigt, ist die Entstehung der für die Bildung von RNS- und DNS-Molekülen notwendigen Nukleotide unter Ursuppenbedingungen bislang experimentell nicht nachvollzogen worden. In Experimenten, die eine Zusammenlagerung (Kettenbildung) der Nukleotide zu Nukleinsäuren (RNS- oder DNS-Molekülen) plausibel machen sollen, müssen daher Bausteine eingesetzt werden, die nicht unter präbiotischen Bedingungen entstanden sind, sondern unter kontrollierten Laborbedingungen synthetisiert wurden. |