Dass Mosaikformen nicht unbesehen als evolutionäre Übergangsformen deutbar sind, kann besonders gut am Beispiel des Schnabeltiers (Abb. 18) deutlich ge- macht werden. Zwischen welchen beiden Tiergruppen sollte es evolutionär ver- mitteln? Wollte man annehmen, es befände sich auf dem Weg von einer Reptil- gruppe zu einem Plazentalier (= Säugetier mit Plazenta), würden der Hornschna- bel und andere spezialisierte Organe wie der Ruderschwanz dazu nicht passen. Das Schnabeltier wird daher evolutionstheoretisch auch gar nicht in den Über- gangsbereich zwischen Reptilien und plazentalen Säugetieren gestellt, sondern auf einen Seitenast. Wir können also schließen, dass eine Übergangsform in einem evolutionären Stammbaum in den Bereich passen muss, der zwischen den bei- den zu verbindenden Gruppen liegt. Beim Schnabeltier ist dies offenkundig nicht der Fall; das wird auch von Evolutionstheoretikern so gesehen. Dagegen kann Archaeopteryx eher als Übergangsform interpretiert werden, obwohl auch hier einige Merkmale nicht passen (LINK zu Archaeopteryx).
Es kann noch ein weiteres Kriterium zur Frage herangezogen werden, ob eine Mosaikform als Übergangsform gedeutet werden kann. Evolutionstheoretisch ist nämlich zu erwarten, dass komplexe Organe nur schrittweise entstehen. Hier sollten also Übergänge bei komplexen Einzelmerkmalen zu finden sein. Bei- spielsweise sollte es Vorformen und Übergangsformen von Vogelfedern geben. Federn werden gewöhnlich von Reptilschuppen abgeleitet; der Unterschied zwi- schen beiden Strukturen ist enorm. Die Federn von Archaeopteryx gleichen Federn heutiger Vögel – soweit dies an den fossile Abdrücken erkennbar ist. Hier ist diese zweite Kriterium also nicht erfüllt. Manche Dinosaurier haben federartige Struk- turen, die schon eher als Kandidaten für Übergänge in Einzelmerkmalen in Frage kommen. Diese Funde werden an anderer Stelle behandelt; hier geht es erst mal um die grundsätzlichen Aspekte.
Wir können tabellarisch wie folgt zusammenfassen:
Mosaikform Übergangsform Zwischenform Bindeglied beschreibend interpretierend vereinigt Merkmale passt widerspruchsfrei in einen Stammbaum verschiedener Gruppen hat Übergänge in Einzelmerkmalen
Die Problematik wird in Abb. 20 graphisch dargestellt.
Warum fehlen Übergangsformen? Häufig wird das Fehlen evolutionär passender Übergangsformen damit begründet, dass evolutionäre Übergänge relativ rasch, in kleinen Populationen und in einem geographisch sehr kleinen Gebiet vor sich ge- gangen seien. Daher seien sie fossil kaum dokumentierbar gewesen. Dies ist die Deutungsstrategie des sog. „Punktualismus„. Die Plausibilität dieser Argumenta- tion wird an anderer Stelle näher besprochen.
|