Ein weiterer Aspekt, der gegen die Lehrmeinung eines Menschheitsalters von zwei Millionen Jahren spricht, ist die Dauer, mit der damalige Wildbeuter immer dieselben Siedlungsorte ansteuerten. So gibt es relativ wenige, aber immer wieder besuchte Siedlungsplätze in Europa. Die Menschengruppen hielten sich nachweisbar aber immer nur sehr kurz (2-3 Monate) an einem Ort auf und zogen dann weiter. Die nächste Besiedlung der Höhle ließ häufig Jahrtausende auf sich warten.
Um diese Problematik besser zu verstehen lohnt sich ein Blick in die weiten und höhlenarmen Gebiete Ost- und Mitteleuropas. In diesen Gebieten findet man selten Punkte, die von weit her sichtbar sind und dabei auch attraktiv erscheinen. Um so erstaunlicher also, dass es in dieser eintönigen Landschaft völlig unauffällige und unscheinbare Plätze gibt, die von Wildbeutern mehrmals, wenn auch in großen zeitlichen Abständen, aufgesucht wurden, während in der Nähe keinerlei weitere Siedlungsplätze zu finden sind.
Als Beispiel diene die Region von Kostienki am Don (Abb. 361). In ein Bergmassiv schneidet dort eine Vielzahl breiter Täler, in denen 21 Fundstellen entdeckt wurden, die zum Teil wiederholt besucht wurden. Alle diese Plätze befinden sich in einem Areal von nur 4 km Länge, obwohl sich diese Landschaftsform über 40 km entlang des Flusses erstreckt. Die ausgewählten Täler unterscheiden sich durch nichts von den anderen verfügbaren Lagerplätzen.
Nach einer populären Ansicht wird daraus geschlossen, dass die Menschengruppen stark an ihre Lagerplätze gebunden waren. Die Tradition, in gewissen Zeitabständen bestimmte Plätze immer wieder aufzusuchen und dort zu verweilen, sei über Generationen bewahrt worden. Diese Informationen wurden auch an Menschen anderer Technokomplexe weitergegeben.
In Anbetracht der geringen Besiedlungsdichte Europas in der Altsteinzeit ist diese Erklärung jedoch unglaubwürdig, da die Information in einer sehr kleinen Gruppe über hunderte Generationen weitergegeben werden müssen – ohne schriftliche Aufzeichnung. Das wäre nur möglich, wenn die zeitlichen Abstände wesentlich geringer gewesen wären.
Aus dem Zeitraum von 34.000-10.000 Jahren (nach der Radiokarbonmethode) finden sich in ganz Südwestdeutschland nur 31 Fundplätze, die zudem nach der Untersuchung der einzelnen Ablagerungsschichten nur wenige Male für extrem kurze Zeiten (Tage bis Wochen) besiedelt waren. Diese verschwindend geringen Besiedlungen lassen sich auch weltweit beobachten.
Nun wäre es nach einer Annahme des Archäologen Joachim Hahn sehr wahrscheinlich, dass die wenigen, kurzzeitigen Begehungen der altsteinzeitlichen Stationen in großen zeitlichen Abständen erfolgt sind. Dies kann mithilfe der Inventarzusammensetzung solcher Fundstellen geprüft werden – eine aufwändige Methode, die bisher nur selten Anwendung gefunden hat. Das Ergebnis: Einige der Höhlen Südwestdeutschlands wurden entgegen der aufgestellten Hypothese innerhalb sehr kurzer Zeiträume besucht (vgl. Abb. 362). |