05.05.08 Nichtreduzierbare Komplexität update
In der Diskussion um „Intelligent Design“ (ID) spielt nichtreduzierbare Komplexität („irreducible complexity“, IC) molekularer Maschinen in den Zellen eine besondere Rolle. Die Auffassung, viele Strukturen in der Organismenwelt seien nichtreduzierbar komplex, ist zwar in ihrem Grundgedanken keineswegs neu, wurde aber durch Michael Behes vielbeachtetes Buch „Darwin’s Black Box“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und ist aus der Diskussion um „ID“ nicht mehr wegzudenken. Ein System ist nichtreduzierbar komplex, wenn es notwendigerweise aus mehreren fein aufeinander abgestimmten, interagierenden Teilen besteht, die für eine bestimmte Funktion benötigt werden, so dass die Entfernung eines beliebigen Teils die Funktion restlos zerstört. Ein solches System wird als „IC-System“ bezeichnet. Daran anknüpfend wird als IC-Argument formuliert: Es ist nicht möglich, ein IC-System kleinschrittig durch ungerichtete graduelle evolutive Prozesse aufzubauen. Allgemeiner lautet das IC-Argument: Es ist nicht möglich, IC-Strukturen durch irgendwelche ungerichtete evolutive Prozesse aufzubauen. Darüber hinaus gilt das IC-Argument für viele ID-Befürworter auch als Hinweis auf das Wirken eines Schöpfers. Man muss also drei Ebenen der Argumentation mit IC unterscheiden:
1. Die Behauptung, es gebe IC-Strukturen,
2. die Behauptung, die Evolution (bzw. allgemeiner: eine natürliche Entstehung) von IC-Strukturen sei ungeklärt (d. h. das IC-Argument ist nicht widerlegt), und
3. der Schluss von IC auf das Wirken eines Designers.
Häufig wird behauptet, ID sei unwissenschaftlich oder pseudowissenschaftlich, weil es keine Testmöglichkeit gebe. Diese Kritik ist in ihrer pauschalen Formulierung nicht berechtigt. Das wird schon daran ersichtlich, dass eine große Zahl von Argumenten und Befunden vorgebracht wurden, um entweder die Existenz von IC-Strukturen zu bestreiten (1. Ebene) oder das IC-Argument (2. Ebene) zu widerlegen.
Im stark erweiterten und gründlich überarbeiteten Artikel Nichtreduzierbare Komplexität (PDF-Datei, 1,1 MB) von Reinhard Junker wird zunächst das IC-Argument ausführlich erläutert und auf fehlerhafte Rezeptionen des Arguments eingegangen. Im Hauptteil wird anschließend gezeigt, dass die vorgebrachten zahlreichen Kritikpunkte das IC-Argument nicht entkräften. Gegenüber der früheren Version werden weitere Kritikpunkte diskutiert. Unter anderem werden folgende Themen behandelt:
- Von redundanter zu nichtreduzierbarer Komplexität
- Von einem nützlichen zu einem unentbehrlichem Teil
- Mit Hilfe eines Gerüsts zu IC?
- Multifunktionalität
- Computermodell von S. Sadedin
- Genduplikation
- Kooption und Funktionswechsel
- Der TTSS-Apparat als Vorstufe des Bakterienmotors
- Experimenteller Nachweis der Entstehung einer IC-Struktur?
- Modularität und „exploratives Verhalten“
- Sprunghafte Entstehung einer IC-Struktur?
- Belousov-Zhabotinsky-Reaktion
- Vergleichende Biologie
Folgendes Fazit wird gezogen: „Es kann festgehalten werden, dass die Versuche, das IC-Argument zu widerlegen, bislang gescheitert sind. Das Argument kann gegen viele Einwände behauptet werden. Vorgeschlagene Entstehungswege sind unrealistisch, spekulativ oder führen nicht zu IC.“
Abschließend wird auf wissenschaftstheoretische Aspekte im Zusammenhang von nichtreduzierbarer Komplexität und „Intelligent Design“ eingegangen. Auch dieser Teil wurde gegenüber der früheren Version stark überarbeitet; manche Argumente wurden modifiziert oder sind ganz entfallen. Der Schluss auf das Wirken eines Designers kann nicht stringent gezogen werden. Doch das IC-Argument ist widerlegbar: sowohl die Reduzierbarkeit eines (vermeinlichen) IC-Systems als auch seine Evolvierbarkeit würden dieses Argument zunichte machen. Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen Informationen über den Autor
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