02.08.08 Gewebereste in Dinosaurier-Fossilien – kontroverse Diskussion der Befunde
Die Aufsehen erregende Publikation von Schweitzer et al. (2005; s. auch Binder 2005, 2007) über flexible Gewebereste aus dem Oberschenkelknochen eines T. rex wurde 2006 auf einer Tagung der Society of Vertebrate Paleontology in Ottawa kontrovers diskutiert (Stokstad 2006). Wir berichteten auch an dieser Stelle (Proteine aus einem fossilen Oberschenkelknochen von Tyrannosaurus rex). Nun haben Kaye und Mitarbeiter (2008) eigene Studien vorgestellt, die alternative Interpretationen nahezulegen scheinen. Die Autoren untersuchten Fossilien aus verschiedenen Lagerstätten mit elektronenmikroskopischen Techniken. Damit konnten sie zunächst die Befunde von Schweitzer et al (2005) bestätigen: auch sie fanden zellähnliche Strukturen innerhalb kleiner Kanälchen. Die zellähnlichen Kugeln fanden sie jedoch ebenfalls in wesentlich schlechter erhaltenen Fossilien und auch in Ammoniten, was eine Identifikation mit Blutzellen nicht unterstützt bzw. sogar ausschließt. Kaye et al. (2008) sprechen sie als Framboide an, das sind himbeerförmige Pyrit (FeS2)-Strukturen, die mit einem Durchmesser von ca. 20 µm im Größenbereich von Zellen liegen. In den mit Fossilien assoziierten Framboiden kann allerdings kein Schwefel nachgewiesen werden. Aus geologischen Studien sind Framboide aus der Umgebung von „Black Smokers" (mineralreiche heiße Tiefseequellen), Algenmatten und Sedimenten beschrieben, wobei auch Hinweise vorliegen, dass der Schwefelanteil in Folge von Verwitterungsprozesse komplett durch Eisenoxid (FexOy) ersetzt sein kann.
Für ihren Vorschlag, dass die als flexible Gewebereste interpretierten Komponenten aus den T. rex-Fossilien auf Biofilme (=eine dünne Schleimschicht, die sich an Grenzflächen in wässrigen Systemen bildet. Sie besteht neben verschiedenen Mikroorganismen (Bakterien, Algen, Pilze, …) aus von diesen ausgeschiedenen Polymeren (Polysaccharide, Proteine, Lipide, Nukleinsäuren), die eine kompakte Matrix bilden in der die Mikroben auch widrige Umweltbedingungen überleben können.) zurückzuführen seien, legen die Autoren ebenfalls entsprechende Befunde vor. Kaye et al. interpretieren rissartige Strukturen, die in mikroskopischen Aufnahmen an im Labor aufgebrochenen Fossilien dokumentiert sind, als von Mikroorganismen in einem Biofilm verursachte Rinnen, die auch Verzweigungen aufweisen können. Auch sie konnten durch Auflösen der Mineralbestandteile der Fossilien z.T. flexible, verzweigte, röhrenartige Strukturen isolieren. Eine radiometrische Datierung (14C) ergab jedoch ein modernes Alter. Nach den Vorstellungen von Kaye et al. (2008) sind solche Biofilme, die Kanäle von Gefäßen auskleiden, Ursache für den Befund von flexiblen gewebeartigen Rückständen in den Fossilien nach Auflösung ihrer mineralischen Anteile.
Sind Framboide mit Biofilmen überzogen, so ist deren Identifikation erschwert.
Die Beteiligung von Biofilmen beim Prozess der Fossilisation wird bereits seit langer Zeit diskutiert, wobei die komplexen Abläufe nach wie vor wenig verstanden sind.
Mit dieser jüngsten Arbeit präsentieren also Kaye et al. mit ihren Befunden den Vorschlag, dass diese hauptsächlich durch mikrobiologische Aktivität (Biofilm) und anorganische geochemische Prozesse (Framboide) zu erklären sind. Mary Schweitzer dagegen verteidigt in ersten Stellungnahmen (Zimmer 2008, Hecht 2008) ihre ursprüngliche Interpretation der flexiblen Bestandteile als erhaltenes Gewebe von Dinosauriern. Sie hält Kaye et al. entgegen, dass mikrobielle Biofilme nicht erklären, warum vogelähnliche Proteinfragmente nachgewiesen werden könnten; auch bezweifelt sie, dass Bakterien die mikroskopischen Röhrchen gebildet haben können.
Man darf also gespannt auf Resultate weiterer Untersuchungen warten. Selbst wenn sich mikrobielle Aktivität als Ursache für die flexiblen Bestandteile der Fossilien in zukünftigen Untersuchungen bestätigen sollte, bleiben viele offene Fragen, z.B.: Wie können sich unter solchen Bedingungen überhaupt ausnehmend gut erhaltene Fossilien bilden? Warum sind Fragmente (ursprünglicher?) Proteine noch nachweisbar? Wenn Pyrit kristallisieren (Framboidbildung) und anschließend mit Biofilm überzogen werden kann, wie kann unter solchen Bedingungen fossile Erhaltung erfolgen?
Die gegenwärtige Diskussion zeigt jedoch einmal mehr, dass man bei der Interpretation fossiler Befunde – auch gerade dort, wo modernste und hochempfindliche Analysenmethoden zum Einsatz kommen – sehr vorsichtig vorgehen und viele Aspekte berücksichtigen muss. Die Diskussion belegt ebenso aufs Neue, wie wenig wir im Grunde genommen die an der Fossilisation beteiligten Prozesse verstanden haben. Hier ist ein unabsehbar weites Feld für weitere Forschung offen.
Quellen
Binder H (2005) Elastisches Gewebe aus fossilen Dinosaurierknochen. Stud. Int. J. 12, 72-73. (online: http://www.wort-und-wissen.de/sij/sij122/sij122-5.html)
Binder H (2007) Proteine aus einem fossilen Oberschenkelknochen von Tyrannosaurus rex. Stud. Int. J. 14, 72-73.
Hecht J (2008) T. rex ‘tissue’ may be bacterial scum. New Scientist.com news service.
http://www.newscientist.com/article/dn14427-t-rex-tissue-may-just-be-bacterial-scum.html?DCMP=ILC-hmts&nsref=news4_head_dn14427
Kaye TG, Gaugler G, Sawlowicz Z (2008) Dinosaurian Soft Tissues Interpreted as Bacterial Biofilms. PLoS ONE 3(7): e2808. doi:10.1371/journal.pone.0002808
Schweitzer MH, Wittmeyer JL, Horner JR & Toporski JK (2005) Soft-tissue vessels and cellular preservation in Tyrannosaurus rex. Science 307, 1952-1955.
Stokstad E (2006) Soft Tissue in dinosaur fossils? The evidence hardens. Science 314, 920.
Zimmer C (2008) Is dinosaur ‘soft tissue’ really slime? Science 321, 623. Autor dieser News: Harald Binder Informationen über den Autor
E-Mail an den Autor
Druckerfreundliche Version dieser Seite anzeigen © 2008, http://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/n117.php
Über unseren Newsletter-Service werden Ihnen neue Nachrichten auch automatisch per E-Mail zugesandt. |