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07.10.08  C4-Evolution: Makroevolution oder Aktivierung vorhandener Gene?

In Heft 1 des Jahrgangs 2008 der Zeitschrift Studium Integrale Journal (Stud. Int. J. 15, 3-17) erschien zu dieser Problematik ein ausführlicher Artikel von Dr. Herfried Kutzelnigg unter der Überschrift „Zur Evolution der C4-Pflanzen. Ist C4-Photosynthese 45-mal unabhängig voneinander entstanden?“. Wir wollen hier einige allgemein interessierende Aspekte dieses Themas vorstellen. Details zur Biochemie, Ökophysiologie, Anatomie, Genetik und Evolution sowie zahlreiche Abbildungen und Literaturhinweise sind dem genannten Beitrag zu entnehmen.

Allgemein bekannt ist der Standardfall der Photosynthese, der auch als C3-Photosynthese bezeichnet wird, weil die ersten fassbaren Reaktionsprodukte C3-Körper sind, d.h. organische Verbindungen mit 3 C-Atomen. Weniger bekannt ist, dass es neben diesem Standardtyp noch zwei weitere Typen gibt, nämlich die C4-Photosynthese und die CAM-Photosynthese. Erstere ist danach benannt, dass das erste fassbare Reaktionsprodukt nicht wie bei der typischen Photosynthese ein Molekül mit 3 C-Atomen, sondern eines mit 4 C-Atomen ist, letztere danach, dass sie zuerst bei Dickblattgewächsen (Crassulaceae) entdeckt wurde und mit deren auffälligen Säurestoffwechsel (Acid Metabolism) in Zusammenhang steht, bei dem nachts Säuren angereichert werden. Beiden Photosynthesewegen ist gemeinsam, dass der eigentlichen Photosynthese ein Prozess vorgeschaltet ist, der zunächst Kohlendioxid speichert, um es später in angereicherter Form wieder dem von der Standardphotosynthese bekannten Stoffaufbau zur Verfügung zu stellen. Letzterer Teilschritt ist bei den C4-Pflanzen räumlich und bei den CAM-Pflanzen zeitlich getrennt. Dem C4-Weg folgen knapp 8.000 Arten bzw. 2-3 % aller Blütenpflanzen, und bei der CAM-Photosynthese sind es sogar 16.000 bis 20.000 Arten.

Im Folgenden wollen wir uns auf die C4-Pflanzen beschränken. Sie stellen eine Anpassung an Standorte mit hohen Temperaturen und hoher Lichtintensität dar und sind dort der C3-Photosynthese gegenüber deutlich überlegen. Bekannte Beispiele sind Mais, Zuckerrohr und Hirse-Arten. Auffälliges Merkmal ist im typischen Fall die starke Vergrößerung jener Zellen, die die Leitbündel umgeben (Bündelscheidenzellen) und wegen ihrer kranzartigen Anordnung auch Kranzzellen genannt werden. Ihre Chloroplasten sind meist sehr groß und haben nicht die sonst üblichen Grana (= Membranstapel).

Man hat festgestellt, dass alle entscheidenden Enzyme der C4-Photosynthese grundsätzlich auch bei C3-Pflanzen vorkommen, allerdings in abgewandelter Form als so genannte Isoenzyme, und dass diese in anderen Zellorganellen ihre Funktion ausüben, als man es sonst kennt. Die C4-typische PEP-Carboxylase z.B. findet sich in geringer Menge auch bei C3-Pflanzen, wo ihr aber ganz andere Aufgaben zukommen als bei C4-Pflanzen.

C4-Arten sind breit verstreut und unsystematisch über das System der Blütenpflanzen verteilt. Würde man ihr Vorkommen in einen der „Stammbäume“ der Blütenpflanzen eintragen, käme dabei heraus, dass diese komplexe Erscheinung mindestens 45-mal in der Evolution unabhängig voneinander entwickelt worden sein müsste. Bedenkt man, wie gering die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein komplexes System durch ungerichtete Mutationen neu entsteht (vgl. Mutation), und um wie viel unwahrscheinlicher es ist, dass solche Systeme gleich mehrmals unabhängig voneinander (konvergent) entstehen, ist eine 45-malige Neubildung eine echte Herausforderung an evolutionäre Mechanismen. Das ist Biologen auch schon lange aufgefallen. Da keine grundsätzlich neuen Enzyme erforderlich sind, wird heute gerne argumentiert, dass es sich nur um kleinere Veränderungen handeln dürfte, namentlich solche im Bereich der Regulation (vgl. Homeobox-Gene und Evolution). Wie dem auch sei, muss doch bedacht werden, dass die Neueinführung des C4-Zusatzweges mit seinen zahlreichen neuen Strukturen und Einsatzorten und neuen Enzymformen doch eines ausgeklügelten Gesamtprogramms bedarf, das außerdem garantieren muss, dass sich eventuelle Zwischenstufen nicht gegenseitig behindern. Dennoch hält die Mehrzahl derer, die sich dazu äußern, an einer unabhängigen de novo-Entstehung fest. Es gibt aber auch Stimmen, die sich dafür aussprechen, dass die zugrunde liegenden genetischen Gegebenheiten schon vor dem Sichtbarwerden des Phänomens vorhanden waren. Man spricht dann von „uralten Genen“, die also schon bei den gemeinsamen Vorfahren existierten, aber dort nicht realisiert wurden.

Vorstellungen dieser Art erhalten starken Auftrieb durch neuere Forschungen, bei denen vollständige Genome von Organismen sequenziert wurden, und bei denen sich immer wieder herausstellte, dass auch einfacher gebaute Lebewesen oft viel mehr an genetischer Information besitzen, als sie aktuell realisieren. Als Beispiel sei auf eine Seeigel-Art hingewiesen, bei der 3 % des Genoms für die Photorezeption zuständig sind, obwohl Seeigel gar keine Lichtsinnesorgane besitzen und auch nur begrenzt auf Licht reagieren.

Im Rahmen der Grundtypenbiologie (Heutige Grundtypen) spricht man von „latenten“ Genen, da der Begriff „alte Gene“ einen Abstammungszusammenhang voraussetzt, der aber nicht bewiesen ist. Von der Sache her handelt es sich aber um dasselbe, und da diese Vorstellung gut auch im Rahmen der Evolutionstheorie gedeutet werden kann, ist davon auszugehen, dass die Existenz vorvorhandener Gene als Zeichen eines gemeinsamen genetischen Erbes bald auch allgemein akzeptiert sein wird, und dass bald die Stimmen derer leiser werden, die jedem Sichtbarwerden eines Bauplans auf eine evolutive Neuentstehung zurückführen wollen.

In der Schöpfungsforschung wurde als Hypothese formuliert, dass die Ausgangspopulationen der Grundtypen genetisch polyvalent waren, also ausgerüstet mit vielfältigen Möglichkeiten ihres Erbgutes (Genetisch polyvalente Stammformen von Grundtypen). Diese Annahme hat sich immer wieder bestätigt. Latente Gene gehören in diesen Bereich. Sie sind quasi als Reserve bereits in irgendeiner Form vorhanden und können bei Bedarf aktiviert werden. Das ist so ähnlich, wie der Hochgebirgstourist für den Fall eines Falles manches in seinen Rucksack hineinsteckt, was er aber in der Regel unbenutzt wieder zurückträgt.

Dass Organismen einen bestimmten Vorrat an Genen haben, die sie im Augenblick nicht benötigen, aber bei entsprechenden Gelegenheiten aktivieren, erweist sich bei näherem Hinsehen als weit verbreitet, so dass die Idee des parallelen Vorkommens der Anlagen für den C4-Weg neben denen für den C3-Weg nicht als ungewöhnlich anzusehen ist. Einige Beispiele aus dem Bereich der Blütenpflanzen mögen das illustrieren: 

  • Der Wasser-Hahnenfuß bildet unter Wasser völlig andere Blätter aus als auf der Wasseroberfläche oder in der Luft.
  • Der Wasser-Knöterich kann in einer Landform auf Äckern wachsen oder als Schwimmform im Wasser und sieht dann völlig verschieden aus.
  • Gallwespen können in Blättern von Pflanzen die Bildung von Organen, sogenannten Gallen induzieren, die so bei keiner Pflanze beobachtet werden. Die Möglichkeit zur Ausbildung der spezifischen Gallbildung muss im Erbgut der Pflanze verborgen vorhanden sein.
  • Innerhalb von Gattungen findet man nicht selten sowohl krautige als auch holzige Vertreter mit ihren sehr unterschiedlichen genetischen Ausrüstungen, und zwar breit gestreut über das System der Zweikeimblättrigen Blütenpflanzen.

Das weit verstreute Vorkommen der C4-Photosynthese (und das gilt mindestens genauso für die CAM-Photosynthese) lässt sich also recht gut durch die Annahme latent vorhandener Gene erklären. Ob diese hypothetische Annahme richtig ist oder nicht oder eventuell modifiziert werden müsste, könnte in der Zukunft im Rahmen genetischer Analysen eindeutig geklärt werden, zumal in dieser Richtung zurzeit intensiv geforscht wird. Solchen Ergebnissen ist daher mit Spannung entgegenzusehen.

Trotz der geschilderten Unwahrscheinlichkeit der wiederholten Neubildung des C4-Komplexes wird diese hin und wieder als Beispiel für Makroevolution und damit auch ausdrücklich als Argument gegen Schöpfung herangezogen. Man argumentiert dabei, dass der für Makroevolution notwendige Selektionsdruck deshalb so extrem hoch sei, weil C3-Photosynthese mit ihrem Schlüsselenzym Rubisco (Ribulose-1.5.bisphospat-Carboxylase-Oxygenase) eine Fehlkonstruktion sei, und sich deren Ersatz durch C4-Photosynthese mit ihrem Schlüsselenzym PEP-Carboxylase daher schnell durchsetzen kann. Gegen die Abstempelung der Rubisco als Fehlkonstruktion gibt es allerdings zahlreiche starke Argumente, die in der eingangs zitierten ausführlichen Darstellung nachgelesen werden können. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass ein Selektionsvorteil nur unter sehr speziellen klimatischen Bedingungen gegeben ist, und dass die Idee der Fehlkonstruktion der Rubisco u.a. auch durch enzymkinetische Studien widerlegt wurde. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass auch alle C4-Pflanzen für die eigentliche Photosynthese auf die Rubisco angewiesen sind.

Zusammenfassung (übernommen aus der ausführlichen Version in Studium Integrale Journal):

Neben der gewöhnlichen Photosynthese (C3-Photosynthese) gibt es als weiteren Typ noch die so genannte C4-Photosynthese, die sich biochemisch und anatomisch deutlich unterscheidet. Diesem zweiten Weg folgen etwa 2-3% aller Blütenpflanzen. Sie sind breit über das System verteilt, so dass heute eine mindestens 45-malige Neuentstehung angenommen wird.

C4-Photosynthese ist bei hohen Temperaturen und hoher Lichtintensität der C3-Photosynthese deutlich überlegen. Es ist aber nicht so, wie verschiedentlich behauptet wird, dass C4-Photosynthese der evolutiv fortgeschrittene Weg ist, während C3-Photosynthese und das mit ihr assoziierte Enzym Rubisco eine Fehlkonstruktion darstellen. Die gängige Vorstellung über die Entstehung der C4-Photosynthese ist die, dass die zahlreichen dafür notwendigen genetischen Voraussetzungen immer wieder konvergent neu entstanden sind. Dies ist aber in hohem Maße unwahrscheinlich.

Der vorliegende Artikel bespricht die zum Verständnis der Herkunft des C4-Weges nötigen Grundlagen der Anatomie, Biochemie, Ökophysiologie und Entwicklungsbiologie und schlägt als alternatives Erklärungsmodell für die Entstehung der C4-Photosynthese vor, dass der C4-Komplex jeweils im Erbgut der Vorfahren bereits latent vorhanden war, um im Bedarfsfall aktiviert zu werden.

Die neueste Ausgabe von Studium Integrale Journal mit dem ausführlichen Artikel über C4-Photosyntehse ist bei der SG Wort und Wissen erhältlich (http://www.wort-und-wissen.de/sij).

Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen

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