10.10.08 LHC: Der neue Beschleuniger des CERN, eine „Urknall-Maschine“?
Am 21. Oktober 2008 soll am Europäischen Kernforschungszentrum der neue Beschleuniger mit dem Namen „Large Hadron Collider“, kurz LHC, eingeweiht werden. Bereits am 10. September schaute die ganze Welt gebannt nach Genf, als zum ersten Mal ein Teilchenstrahl im 27 km langen Beschleuniger zirkulierte.1 In diesem Zusammenhang war vom LHC häufig als so genannte „Urknall-Maschine“ zu lesen, mit welcher der Urknall simuliert werden soll.2 Was ist davon zu halten? Beweisen die Experimente am CERN, dass die Welt durch einen Urknall entstanden ist? Oder ist das Ganze eine riesige Geldverschwendung ohne jeglichen Nutzen?
Als erster Schritt zur Beantwortung solcher Fragen ist es zunächst einmal wichtig zu verstehen, wie die Experimente des CERN ablaufen. Der Zweck des LHC ist es, Protonen (also Atomkerne von Wasserstoffatomen) auf möglichst hohe Energien zu beschleunigen und anschließend miteinander zur Kollision zu bringen. Durch die beim Zusammenstoß frei werdende Energie entstehen Hunderte von Elementarteilchen, welche zu einem großen Teil instabil sind und in andere stabile Teilchen zerfallen. Die Eigenschaften dieser Zerfallsprodukte werden von riesigen Detektoren genauestens bestimmt, mit dem Ziel, die bei der Kollision abgelaufenen Vorgänge zu rekonstruieren.
Das große Interesse, mit welchem Teilchenphysiker aus aller Welt die Experimente am CERN mitverfolgen, liegt darin begründet, dass die Teilchen am CERN mit einer Energie aufeinander prallen, die sieben Mal höher liegt als bei allen bisherigen Experimenten. Dadurch erhofft man sich, bisher unbekannte Teilchen zu entdecken, welche aufgrund ihrer großen Masse bei bisherigen Kollisionsexperimenten nicht beobachtet werden konnten. Nebst den bisher unerreicht hohen Energien sticht der LHC auch durch die riesige Anzahl ablaufender Kollisionen hervor, welche es erlaubt, auch extrem selten ablaufende Prozesse zu untersuchen. Dies ist insbesondere bei der Suche nach dem Higgs-Teilchen von großer Wichtigkeit, dessen Existenz erklären soll, weshalb Elementarteilchen eine Masse besitzen. Diese bisher ungeklärte Frage der Teilchenphysik war der wohl wichtigste Beweggrund zum Bau des LHC3 und zeigt, dass dessen Resultate von großem wissenschaftlichem Interesse sind, unabhängig von jeglichen Ursprungsfragen.
Das LHC-Projekt ist also in erster Linie ein Experiment, mit dem Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen bei sehr hohen Energien untersucht werden. Worin besteht nun der Zusammenhang zum Urknall? Dieser kommt dadurch zustande, dass im kosmologischen Standardmodell (Das Standardmodell) davon ausgegangen wird, dass das Universum kurz nach dem Urknall sehr heiß war, d.h. dass die damals existierenden Teilchen eine sehr hohe Energie besaßen. Um diesen hypothetischen Zustand beschreiben zu können, sind die Kosmologen auf die Resultate der Teilchenphysik angewiesen, wie sie z.B. am CERN gewonnen werden. Die Experimente am CERN beweisen also keineswegs, dass das kosmologische Standardmodell richtig ist. Sie liefern lediglich Erkenntnisse, welche zur konkreten Ausformulierung dieser Theorie benötigt werden.
Das gegenwärtig allgemein akzeptierte kosmologische Standardmodell beinhaltet einige offene Fragen, auf welche man sich durch die Resultate des LHC Antworten erhofft. Beispielsweise wird im Urknallmodell die Existenz so genannter Dunklen Materie (Dunkle Materie und dunkle Energie) benötigt, um die Entstehung von Galaxien und Galaxienhaufen erklären zu können. Das Potential des LHC, bislang unbekannte Elementarteilchen zu entdecken, weckt die Hoffnung, diese bislang unbekannte Materieform identifizieren zu können. Je nach Ergebnis wird es allerdings sehr schwierig sein, einen direkten Zusammenhang zwischen den Resultaten des LHC und bislang ungeklärten kosmologischen Fragen herstellen zu können. Von einer „Simulation des Urknalls“ kann also nicht die Rede sein.
Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse des LHC werden leider noch einige Zeit auf sich warten lassen. Dies liegt nicht nur daran, dass der neue Beschleuniger nach einem Defekt momentan außer Betrieb ist und die ersten Teilchenkollisionen nicht vor Frühling nächsten Jahres stattfinden werden.4 Auch die Inbetriebnahme der äußerst komplexen Detektoren und die sorgfältige Analyse der gemessenen Daten werden längere Zeit in Anspruch nehmen. Damit wird mit größter Wahrscheinlichkeit noch mehr als ein Jahr vergehen, bevor erste, eventuell spektakuläre Resultate an die Öffentlichkeit gelangen werden.
1 http://press.web.cern.ch/press/PressReleases/Releases2008/PR08.08E.html.
2 So zum Beispiel in „20 Minuten“: http://www.20min.ch/news/dossier/cern/story/13327165.
3 http://public.web.cern.ch/public/en/LHC/WhyLHC-en.html.
4 http://press.web.cern.ch/press/PressReleases/Releases2008/PR10.08E.html.
Autor dieser News: Peter Trüb Informationen über den Autor
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