07.04.09 Ursprung der Homochiralität durch Meteoriten?
In biologischen Systemen weisen chemische Stoffgruppen wie Aminosäuren oder Kohlenhydrate von zwei spiegelbildlichen Strukturvarianten (Enantiomeren) fast ausschließlich nur die eine Form auf. Dieses Phänomen bezeichnet man als Homochiralität („gleichartige Händigkeit“, Imming 2006). So sind z.B. Proteine aus L-Aminosäuren aufgebaut. Würde man darin einzelne L-Aminosäuren durch deren Spiegelbilder (D-Aminosäuren) ersetzen, so wäre die dreidimensionale Faltung des Proteins gestört und damit würde auch die entsprechende Funktion verloren gehen. Wie kam es zur Festlegung auf L-Aminosäuren und D-Zucker oder worin liegt die Ursache für das Phänomen der Homochiralität? Diese Frage wird bereits seit vielen Jahren kontrovers diskutiert, ohne dass bisher überzeugende Vorschläge unterbreitet worden wären.
Die Chiralität könnte durch chemische Komponenten, die aus dem Kosmos auf die Erdoberfläche gelangen, bestimmt worden sein; so lautet ein bereits seit längerem diskutierter Vorschlag. Eine ganze Reihe von Untersuchungen von Meteoriten auf biologisch interessante Moleküle wurde vor diesem Hintergrund bereits veröffentlicht.
Pizzarello et al. (2003) hatten mittels Gaschromatographie verschiedene Bruchstücke des am 28. 9. 1969 in Victoria, Australien gefallenen Murchison-Meteoriten auf Aminosäuren untersucht. Dabei fanden sie für die Aminosäure Isovalin einen Überschuss an L-Isovalin von bis zu 15,2 % gegenüber D-Isovalin. Isovalin ist ein Isomer (Isomere: Moleküle gleicher Summenformel, die aber unterschiedliche Verknüpfungen und räumliche Anordnung aufweisen) zur in Proteinen vorkommenden (proteinogenen) Aminosäure Valin, eine Aminosäure mit 5 C-Atomen (Abb. 355). Man hat also auf einem Meteoritenfragment einen deutlichen Überschuss einer L-Aminosäure gegenüber deren D- Form gefunden. Die betreffende Aminosäure ist zwar nicht am Aufbau von Proteinen beteiligt, sie könnte aber, so wird spekuliert, irgendwie daran beteiligt sein, dass bevorzugt auch solche L-Aminosäuren synthetisiert werden, die in Proteinen der Lebewesen vorkommen. Verschiedene Bruchstücke des Meteoriten zeigten jedoch sehr unterschiedliche Verhältnisse (0-15 %).
Nun haben Glavin und Dworkin (2009) Fragmente des Murchison-Meteoriten und anderer Meteoriten auf die Verteilung von enantiomeren Aminosäuren mit einer anderen Methode (Flüssigkeitschromatographie) untersucht und dabei ebenfalls für die Aminosäure Isovalin einen deutlichen Überschuss des L-Enantiomeren von bis zu 18,5 % gefunden. Damit bestätigen sie die Resultate von Pizzarello et al. (2003) hinsichtlich des hohen Überschusses an L-Isovalin im Murchison-Meteoriten (18,5 %) und auch in einem zweiten, bisher noch nicht in dieser Hinsicht untersuchten Meteoriten (Orgueil; 1864 in Frankreich gefallen) weisen sie einen L-Isovalinüberschuss von 15,2 % nach.
Isovalin ist - wie bereits erwähnt - nicht am Aufbau von Proteinen beteiligt. Die proteinogene, isomere Aminosäure L-Valin kann durch Abspaltung des Protons am a-C-Atom (dort ist bei Isovalin eine Methylgruppe (-CH3)) in D-Valin umgewandelt werden; ein Vorgang, den man als Racemisierung bezeichnet.
Isovalin ist gegen Racemisierung vergleichsweise stabil, da die Bindung zur CH3-Gruppe sehr viel stabiler ist. Ausgehend von L-Enantiomeren erhält man also bei den proteinogenen Aminosäuren im Laufe der Zeit aufgrund von H-Abspaltung am a-C-Atom ein Gemisch aus 50 % L- und 50 % D-Aminosäure; diese 1:1 Mischung bezeichnet man als Racemat.
Wie kann also nun ein Überschuss an L-Isovalin in Bruchstücken von Meteoriten zustande kommen und erklärt werden? Eine Verunreinigung durch irdische Komponenten ist wenig wahrscheinlich, da Isovalin nur in geringen Konzentrationen in der Umgebung der Fundstelle nachzuweisen ist und auch generell auf der Erde eher selten vorkommt.
Die Autoren sehen einen Zusammenhang zwischen mineralogischer Zusammensetzung der Meteoriten (konkret deren Wassergehalt) und dem Überschuss an L-Isovalin. Sie schlagen keinen chemischen Mechanismus vor, sondern verweisen auf eine (auf vergleichsweise wenigen Daten basierende) Korrelation, wonach mit zunehmender mineralischer Veränderung durch Wasser der Überschuss an L-Isovalin steigt.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass z.B. beim Murchison-Meteoriten (bei einer Fundmenge von ca. 100 kg) sowohl die mineralische Zusammensetzung als auch die organischen Komponenten nicht einheitlich sind, sondern große Heterogenität aufweisen.
Somit liegt durch die Arbeit von Glavin und Dworkin (2009) eine Bestätigung für zumindest gelegentliche Überschüsse von L-Aminosäuren in Meteoriten vor, ohne dass bisher deren Entstehung verstanden wäre. Bei den bisher vorgelegten Untersuchungen und Betrachtungen sind die extremen Bedingungen nicht berücksichtigt, denen die Meteoriten beim Eintritt in die Erdatmosphäre ausgesetzt sind und die typischerweise den größten Teil des Materials verdampfen lassen. Wie weit werden dadurch die mineralogische Zusammensetzung und die organischen Komponenten verändert? Waren die Bedingungen zur Zeit der hypothetischen frühen, noch unbelebten Erde vergleichbar?
Grundsätzlich können bei chemischen Synthesen in Gegenwart chiraler Komponenten Produkte erzeugt werden, die einen Enantiomerenüberschuss aufweisen. Wenn man gezielt bestimmte enantiomere Moleküle herstellen will, muss man chirale Information in das Reaktionssystem einbringen. Das könnte beispielsweise durch einen chiralen Katalysator geschehen, z.B. eine L-Aminosäure. Solche stereospezifischen Synthesen müssen erfahrungsgemäß sehr sorgfältig geplant werden und für gute Ausbeuten müssen die Randbedingungen optimal eingestellt sein.
Was bisher aus der Analyse von Meteoriten vorliegt, sind wiederholte Nachweise von Überschüssen von solchen L-Aminosäuren, die keine oder allenfalls geringe biologische Bedeutung haben. Um beurteilen zu können, ob dadurch ein Effekt auf die stereospezifische Synthese von biologisch bedeutsamen Komponenten erhofft werden kann, benötigen wir Einsicht in und Verständnis von kosmochemischen Prozessen und sehr viel mehr Daten. Auch die hier vorgestellten Arbeiten ändern nichts daran, dass wir derzeit keine naturalistische Erklärung für die Entstehung der Homochiralität haben (Imming 2006).
Literatur
Imming P (2006) Die fehlenden Spiegelbilder. Stud. Int. J. 13, 14-21.
Glavin DP & Dworkin JP (2009) Enrichment of the amino acid L-isovalin by aquious alteration on CI and CM meteorite parent bodies. Proc Nat. Acad. Sci USA.
Pizzarello S,Zolensky M, Turk KA (2003) Nonracemic isovaline in the Murchinson meteorite: chiral distribution and mineral association. Geochim. Cosmochim Acta 67, 1589-1595. Autor dieser News: Harald Binder Informationen über den Autor
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