Neuer Australopithecus-Fund – Bindeglied zum Menschen? (News auf Genesisnet.Info)

<body text=#000000 bgcolor="#FFF4D5" style="scrollbar-base-color:#FFE091;" onload="document.focus()"><script language="JavaScript">  </script><table width=823 border="0" cellspacing="0" cellpadding="0"> <colgroup><col width=50><col width=80><col width=613><col width=80></colgroup> <tr height=26><td colspan=4> </td></tr> <tr><td rowspan=5 width=50> </td> <td height=14 colspan=3 bgCOLOR=#92C1ED><img src="s.gif" width="1" height="14" border="0" alt=""></td> </tr> <tr><td height=26 colspan=3 bgCOLOR=#013E78><h1><a href="../aktuelles/news_u.php?a=0">News auf genesis<span style="color:#DEA700;">net</span></a></h1></td></tr> <tr><td BGCOLOR="#FFDA75" width=80> </td> <td valign="top" height=300 bgCOLOR=#FFFFFF width=613><h2>10.05.10  <b>Neuer Australopithecus-Fund – Bindeglied zum Menschen?</b></h2> <P><B>Erneut wurde ein interessantes Fossil aus der Gruppe der Australopithecinen gefunden. 2008 entdeckten Forscher um Lee Berger und Peter Schmid in  Südafrika zwei Teilskelette, die neben zahlreichen <I>Australopithecus</I>-Merkmalen auch einige menschenähnliche Anpassungen aufweisen, die bislang von keinem anderen Australopithecinen bekannt sind. Deshalb wurde eine neue Art etabliert: <I>Australopithecus sediba</I>. Trotz dieser interessanten Merkmalsmischung wird <I>Australopithecus sediba</I> selbst nicht als ein Bindeglied zum Menschen vorgeschlagen.</B></P> <P><B>Die Merkmale von <I>Australopithecus sediba</I> erlauben keine genaue <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_1').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_1').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_1').style.display='inline'}; return false;">phylogenetische<span id="Glossar_0_1" class="glossar"> (=stammesgeschichtliche)</span></a> Positionsbestimmung zu den frühen <I>Homo</I>-Arten, und das radiometrische Alter ist für ein tatsächliches Bindeglied um einiges zu gering (1,78 bis 1,95 Millionen Jahre). Die in ihrer taxonomischen Zuordnung zur Gattung <I>Homo</I> weiterhin umstrittenen Formen  <I>rudolfensis</I> und <I>habilis</I> treten zeitlich früher auf als der neue Fund und auch der erste unbestrittene Vertreter unserer eigenen Gattung – <I>Homo erectus</I> – lebte zeitgleich mit der neuen Art. Die morphologische Kluft zwischen den beiden letzteren ist beträchtlich. Der Ursprung von <I>Homo erectus</I> bleibt weiterhin im Dunkeln (vgl. <a href="../artikel/artikel.php?Sprache=de&Artikel=43622&l=1" target=main><img src="../grafik/1_pfeil_weiss.gif" width=9 height=9 border=0 vspace=4 style="vertical-align:middle" alt="">Australopithecinen (&bdquo;Südaffen“) und andere Menschenaffenartigen-Fossilien</a> und <a href="../artikel/artikel.php?Sprache=de&Artikel=43623&l=1" target=main><img src="../grafik/1_pfeil_weiss.gif" width=9 height=9 border=0 vspace=4 style="vertical-align:middle" alt="">Stufen des Menschen?</a>).</B></P> <P><B>Der Fund.</B> Ein Forscher-Team um Lee Berger entdeckte 2008 zwei Teilskelette von Homininen in der Malapa-Höhle, einem Fundplatz in Südafrika 15 km nordnordöstlich so berühmter Fundplätze wie Sterkfontein, Swartkrans und Kromdraai. (Hominine sind Menschenähnliche; damit werden alle fossilen und lebenden Menschenformen einschließlich ihrer im Evolutionsmodell vermuteten Vorläufer bezeichnet.)</P> <P>Berger und seine Kollegen, u. a. der Züricher Anthropologe Peter Schmid beschrieben die Funde kürzlich in <I>Science</I> (Berger et al. 2010). Es handelt sich um zwei Teilskelette, ein jugendliches, vermutlich männliches Individuum  (MH1) und ein erwachsenes, vermutlich weibliches Individuum (MH2). Die Forscher konnten die Funde aufgrund ihrer Merkmale keinem bekannten fossilen Homininen zuordnen und gaben ihnen deshalb einen neuen Namen: <I>Australopithecus sediba.</I></P> <P><I>Australopithecus</I> heißt &bdquo;Südaffe“ und <I>sediba</I> in der Bantu-Sprache Sesotho &bdquo;Brunnen“ oder &bdquo;Quelle“. Die Australopithecinen wurden im Verlauf ihrer Entdeckungsgeschichte Anfang des letzten Jahrhunderts zunächst als besondere Affen, genauer als Großaffen angesehen. Mitte des vorigen Jahrhunderts änderte sich dies und man interpretierte sie von da an als frühe Hominiden, Wesen, die im evolutionären Stammbaum nicht mehr Großaffe und noch nicht Mensch und damit &bdquo;Vormenschen“ oder &bdquo;Affenmenschen“ waren.</P> <P>Berger et al. (2010) diskutieren die Beziehung von <I>Australopithecus  sediba</I> zu den ersten  Menschen. Aufgrund mosaikartiger Merkmalsverteilungen kommen sie zum Schluss, dass die phylogenetische Position der neuen <I>Australopithecus</I>-Art zu den frühen <I>Homo</I>-Arten nicht genau zu bestimmen ist. Außerdem diskutieren sie chronologische Fragen einer solchen Ahnenschaft. <B>Nur wenn man annimmt, das <I>Australopithecus sediba</I> schon wesentlich früher gelebt hat als derzeit fossil nachgewiesen, dann ist solch eine Linie zeitlich möglich</B> (Berger et al. 2010). </P> <P>Doch zunächst zu den Merkmalen von <I>Australopithecus  sediba.</I> </P> <P>Nach Berger et al. (2010) besitzt <I>Australopithecus sediba</I> die größte Ähnlichkeit mit <I>Australopithecus africanus</I>. Beide weisen zahlreiche gemeinsame Merkmale am Hirnschädel, am Gesichtsschädel, am Unterkiefer und an den Zähnen auf. Das Besondere an <I>Australopithecus sediba</I> ist die aber Tatsache, dass diese neue Art unter allen Australopithecinen die größte Ähnlichkeit zum Menschen <I>(</I><I>Homo)</I> aufweist. </P> <P>Die Ausführungen der beiden folgenden Abschnitte müssen etwas detaillierter und fachspezifischer ausfallen. Bei Anklicken der farblich markierten Begriffe wird eine Erklärung sichtbar.</P> <P><B>Ähnlichkeit mit den Menschen.</B> Der Hirnschädel ist <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_4').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_4').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_4').style.display='inline'}; return false;">transversal<span id="Glossar_0_4" class="glossar"> (=senkrecht zur Körperlängsachse)</span></a> relativ breit und seine Scheitelbeinwände sind vertikal ausgerichtet. Dem Gesicht fehlen die hervortretenden ausladenden Jochbeine von <I>Australopithecus africanus</I>. Die Ausbildung der <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_5').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_5').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_5').style.display='inline'}; return false;">supraorbitalen Tori<span id="Glossar_0_5" class="glossar"> (=Knochenwülste auf dem Stirnbein oberhalb der Augenhöhle)</span></a>, der <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_6').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_6').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_6').style.display='inline'}; return false;">nasoalveolaren Region<span id="Glossar_0_6" class="glossar"> (=Gebiet von Nase und Zahnfächer)</span></a>, der <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_7').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_7').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_7').style.display='inline'}; return false;">infraorbitalen Region<span id="Glossar_0_7" class="glossar"> (=unterhalb der Augen)</span></a> und der Jochbeine gibt dem Gesicht von <I>Australopithecus sediba</I> ein fortgeschritteneres Aussehen gegenüber  <I>Australopithecus africanus</I>.</P> <P>Die Symphyse des Unterkiefers, also die Stelle, an der die beiden Hälften in der Mittellinie zusammengewachsen sind, ist vertikal ausgerichtet und mit einem leichten Kinn versehen. Auch an den Zähnen sind einige Merkmale vorhanden, die <I>Australopithecus sediba</I> von <I>Australopithecus</I> <I>africanus</I> unterscheiden und mit <I>Homo</I> verbinden.</P> <P><B>Gemeinsamkeiten mit anderen Australopithecinen.</B> <I>Australopithecus sediba</I> besitzt aber auch viele Merkmale gemeinsam mit <I>Australopithecus</I>. Dazu gehören am Schädel eine kleine Gehirnkapazität (420 cm<SUP>3</SUP>), eine hervortretende <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_8').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_8').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_8').style.display='inline'}; return false;">Glabellaregion<span id="Glossar_0_8" class="glossar"> (=Region zwischen den Augenbrauen)</span></a>, ein mäßiges <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_9').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_9').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_9').style.display='inline'}; return false;">Eckzahnjugum<span id="Glossar_0_9" class="glossar"> (=Vorwölbung des Eckzahnfaches)</span></a> mit <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_10').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_10').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_10').style.display='inline'}; return false;">Fossa canina<span id="Glossar_0_10" class="glossar"> (=paarige Knochengrube des Oberkiefers)</span></a>, eine kleine <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_11').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_11').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_11').style.display='inline'}; return false;">Spina nasalis anterior<span id="Glossar_0_11" class="glossar"> (=unpaariger Knochenfortsatz; am weitesten vorne gelegene Knochenstruktur des Oberkiefers)</span></a>, ein steil geneigter <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_12').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_12').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_12').style.display='inline'}; return false;">zygomaticoalveolarer<span id="Glossar_0_12" class="glossar"> (=Jochbein und Zahnfächer zugehörig)</span></a> Knochenkamm und ein hoher Ursprung des <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_13').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_13').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_13').style.display='inline'}; return false;">Musculus masseter<span id="Glossar_0_13" class="glossar"> (=Kaumuskel)</span></a>. Außer an den Zähnen gibt es am Körperskelett von <I>Australopithecus sediba</I> eine große Anzahl an Merkmalen, die auch bei anderen Australopithecinen zu finden sind. Dazu gehören neben einer geringen Körpergröße (130 cm) relativ lange Arme mit großen Gelenkflächen, Schulterblätter mit nach oberen ausgerichteter Gelenkfläche für den Oberarmknochen, ein deutlicher Knochenkamm am unteren Teil des Oberarmknochens für die <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_14').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_14').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_14').style.display='inline'}; return false;">brachioradialen<span id="Glossar_0_14" class="glossar"> (=Oberarm und Speiche zugehörig)</span></a> Muskeln, eine große und tiefe <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_15').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_15').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_15').style.display='inline'}; return false;">Fossa olecranii<span id="Glossar_0_15" class="glossar"> (=Auf der Rückseite des Oberarmknochens befindliche Vertiefung, die in der Streckstellung des Unterarms einen kräftigen Knochenvorsprung der Elle (Olecranon) aufnimmt)</span></a>, die eine Öffnung mit Scheidewand aufweist, lange robuste gekrümmte Phalangen (Fingerknochen) mit starken Ansätzen für die Sehnen des Musculus flexor digitorum superficialis (Fingerbeugemuskeln) und viele weitere Anpassungen an ein Leben in Bäumen.</P> <P>Allerdings gibt es auch einige Merkmale am Beckenskelett von <I>Australopithecus sediba</I>, die  <I>Homo</I> ähneln und bei allen anderen Australopithecinen nicht vorhanden sind. Dazu gehören eine stärkere Verstrebung und eine vergrößerte hintere Region des Darmbeins, ein verringerter Abstand zwischen dem Kreuzbein-Darmbeingelenk und Hüftgelenk sowie zwischen der Hüftgelenkpfanne und der Rauigkeit am Sitzbein.</P> <P><B>Deutungen.</B> Berger et al. deuten diese Merkmale im Zusammenhang mit einer besseren zweibeinigen Fortbewegungsweise von <I>Australopithecus sediba</I>. In diesem Zusammenhang ist es jedoch merkwürdig, dass der Bau des Fußes ähnlich der der anderen Australopithecinen von <I>Homo</I> deutlich verschieden ist. So besitzt das Sprungbein (Talus) eine flache <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_16').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_16').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_16').style.display='inline'}; return false;">Trochlea<span id="Glossar_0_16" class="glossar"> (=Knochenrolle auf der Oberseite des Sprungbeins)</span></a> auf, deren innerer und äußerer Rand einen gleichen Krümmungsradius aufweist. Der Talushals ist kurz und stämmig. Er ist medial verdreht und weist einen großen horizontalen und einen niedrigen Torsionswinkel auf. Auch das Fersenbein (Calcaneus) ist in der Gesamtmorphologie deutlich von <I>Homo</I> verschieden. Der Knochen in Relation zur  Längsachse ist stark abgewinkelt, wobei der maximale Wendepunkt sich an der großen <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_17').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_17').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_17').style.display='inline'}; return false;">peronealen Trochlea<span id="Glossar_0_17" class="glossar"> (=Knochenrolle auf der Außenseite des Fersenbeines)</span></a> befindet. Am Fersenbein fehlt ein Knochenhöcker am äußeren unteren Rand. Die Achse des Fersenbeins ist zur transversalen Ebene im Winkel von 45 Grad ausgerichtet. Die Gelenkfläche zwischen dem Fersenbein und dem Würfelbein (Os cuboideum) ist vertikal ausgerichtet und es fehlt ein erweiterter hinterer Vorsprung für die Zuspitzung der Nase des Würfelbeins. Diese und weitere Merkmale sprechen für eine von <I>Homo</I> verschiedene weniger geschickte <a href="javascript:void();" title="Anklicken blendet Erklärung ein." onclick="if (document.getElementById('Glossar_0_18').style.display=='inline') { document.getElementById('Glossar_0_18').style.display='none'} else {document.getElementById('Glossar_0_18').style.display='inline'}; return false;">Bipedie<span id="Glossar_0_18" class="glossar"> (=Zweibeinigkeit)</span></a>. </P> <P>Da der Gesamtbauplan von <I>Australopithecus sediba</I> dem der Australopithecinen ähnelt, ist die Zuordnung der beiden Teilskelette von Berger et al. (2010) in die Gattung <I>Australopithecus</I>  gut begründet.</P> <P><B>Welche Stellung nimmt <I>Australopithecus sediba</I> im phylogenetischen Konzept ein?</B></P> <P>Von wem stammt <I>Australopithecus sediba</I> ab? Wohin führt <I>Australopithecus sediba</I>? Ist es ein Bindeglied zu unserer eigenen Gattung <I>Homo</I>?</P> <P>Berger et al. (2010) plädieren wegen der Ähnlichkeit mit <I>Australopithecus africanus</I> dafür, dass <I>Australopithecus sediba</I> von dieser <I>Australopithecus</I>-Art abstammt. Bisher konnte man aber den Schichten, aus denen die Überreste von <I>Australopithecus africanus</I> stammen, kein sicheres Alter zuschreiben. Schätzungen gehen aber von ca. 2,5 bis 3,5 Millionen Jahren aus (Sawyer & Deak 2008).</P> <P>Zur Beantwortung der Frage, in welcher Beziehung <I>Australopithecus sediba</I> zu unserer eigenen Gattung steht, muss erst geklärt werden, welche fossilen Formen zu <I>Homo</I> gehören.   </P> <P>In der paläanthropologischen Literatur werden neben <I>Homo erectus</I> häufig auch die Arten <I>habilis</I> und <I>rudolfensis</I> als früheste Vertreter von <I>Homo</I> genannt. Diese Klassifikation ist aber aus guten Gründen umstritten.</P> <P>Wood und Collard (1999) haben <I>habilis</I> und <I>rudolfensis</I> wegen zahlreicher <I>Australopithecus</I>-ähnlicher Merkmale aus <I>Homo</I> ausgegliedert und zu den Australopithecinen gestellt<I>.</I> Danach haben M. Leakey et al. (2001) für <I>rudolfensis</I> eine erneute Reklassifizierung vorgenommen und wegen Ähnlichkeiten mit dem neu entdeckten <I>Kenyanthropus platyops</I> ihn auch in diese neue Gattung gestellt. Eine zwischenzeitliche Neurekonstruktion von <I>rudolfensis</I> (KNM-ER 1470) mit einem etwas geringeren Schädelvolumen und stärker vorspringenden Mittelgesicht (Bromage et al. 2008) rechtfertigt diese Reklassifizierung nachträglich. Von den frühen <I>Homo</I>-Formen kann gesichert nur <I>Homo erectus</I> als &bdquo;erster echter Mensch“ klassifiziert werden. </P> <P>Der auf 1,78 bis 1,95 Millionen Jahre datierte <I>Australopithecus sediba</I> kann nun aber kein Bindeglied zu <I>Homo erectus</I> sein, denn letzterer tritt praktisch zeitgleich vor 1,9 Millionen Jahren auf (Wood 1991, Gabunia & Vekua 1995). Vor allem ist die Kluft im Körperbau deutlich zu groß. Der größte Unterschied dürfte aber im kognitiven Bereich liegen.    </P> <P>Aber auch eine Weiterentwicklung zu <I>habilis</I> und <I>rudolfensis</I>, die von Berger et al. (2010) morphologisch näher an <I>Homo erectus</I> stehend eingestuft werden, ist nicht plausibel. Denn <I>rudolfensis</I> und <I>habilis</I> (<I>H.</I> aff.) sind mit 2,4 Millionen (Schrenk et al. 1993) bzw. 2,3 Millionen Jahren (Kimbel et al. 1997) deutlich älter als <I>Australopithecus sediba</I>.  Auch das Merkmalsmosaik von <I>Australopithecus sediba</I> spricht nicht unbedingt für solch eine Ahnenschaft. Wenn aber, wie Berger et al. (2010) nicht ausschließen, <I>Australopithecus sediba</I> deutlich früher aus <I>Australopithecus</I> <I>africanus</I> evolvierte, dann ist eine Linie zu <I>rudolfensis</I> und <I>habilis</I> zeitlich möglich. Es stellt sich aber die Frage nach der phylogenetischen Plausibilität (Selektionsdrücke?) einer Entstehung von <I>Australopithecus sediba</I> aus <I>Australopithecus africanus</I> und anschließender langen Koexistenz beider Spezies auf engem Raum.</P> <P>Der üblicherweise als Ahne von <I>Homo erectus</I> angenommene <I>habilis</I> weist neben einem großen Unterschied in der Anatomie, insbesondere des Körperskeletts (Johanson et al. 1987, Hartwig-Scherer & Martin 1991, Brandt 1995), auch eine große zeitliche Überlappung mit <I>Homo erectus</I> auf und ist als Ahne deshalb wenig plausibel. Der Ursprung des frühesten echten Menschen <I>Homo erectus</I> ist ungeklärt.</P> <P>Aiello und Collard (2001, S. 527) schreiben: &bdquo;Zumindest vorerst ist es wahrscheinlich am besten, die Benennung von Vorfahren zu vermeiden und es bei einer einfachen Unterteilung  zwischen den Vorfahren des Menschen mit archaischen Merkmalen (<I>Orrorin</I>, <I>Ardipithecus</I>, <I>Australopithecus</I> – einschließlich <I>Paranthropus</I> – und <I>Kenyanthropus</I>) und den Menschen und seine Vorfahren mit modernen Merkmalen (<I>Homo sapiens</I> und die übrigen Arten von  <I>Homo</I>) zu belassen.“</P> <P>Und Asfaw et al. (2002, S. 319) stellen fest: &bdquo;Die Ursprünge der weitverbreiteten, vielgestaltigen frühen pleistozänen <I>Homo</I> <I>erectus</I>-Linie bleibt unklar. Die deutlichen Unterschiede zwischen irgendwelchen potentiellen Ahnen (<I>Homo habilis</I> oder andere) und dem frühesten bekannten <I>H. erectus</I> könnte ein plötzliches evolutionäres Ereignis signalisieren …“ <B>Diese Einschätzungen haben bezüglich der Abgrenzung von Homo erectus und nichtmenschlichen Formen auch unter Berücksichtigung neuerer Entdeckung wie <I>Australopithecus sediba</I> nichts an Aktualität eingebüßt.</B></P> <P>Die Verwandtschaftsverhältnisse der fossilen Homininen mit ihren mosaikartigen Merkmalsverteilungen und der großen Kluft zwischen den echten Menschen und allen anderen Homininen können besser in einem Grundtypmodell als in einem phylogenetischen Modell verstanden werden. In diesem Modell repräsentieren die Australomorphen (&bdquo;Vormenschen“) einschließlich <I>habilis</I> und <I>rudolfensis</I> einen oder mehrere großaffenähnliche Grundtypen, während die echten Menschen einen davon unabhängigen Grundtyp bilden.</P> <P><B>Literatur      </B></P> <P>Aiello LC & M Collard (2001) Our newest oldest ancestor? Nature <I>410</I>, 526-527.</P> <P>Asfaw B, Gilbert WH, Beyene Y, Hart WK, Renne PR, WoldeGabriel G, Vrba ES & TD White (2002) Remains of <I>Homo erectus</I> from Bouri, Middle Awash, Ethiopia. Nature <I>416</I>, 317-320.</P> <P>Berger LR, de Ruiter DJ, Churchill SE, Schmid P, Carlson KJ, Dirks PHGM & JM Kibii (2010) <I>Australopithecus sediba</I>: A new species of <I>Homo</I>-like australopith from South Africa. Science <I>328</I>, 195-204.</P> <P>Brandt M (1995) Der Ursprung des aufrechten Ganges. Neuhausen-Stuttgart.</P> <P>Bromage TG, McMahon JM, Thackeray JF, Kullmer O, Hogg R, Rosenberger AL, Schrenk F & DH Enlow (2008) Craniofacial architectural constraints and their importance for reconstructing the early <I>Homo</I> skull KNM-ER 1470. The Journal of Clinical Pediatric Dentistry <I>33</I>, 43-54.  </P> <P>Gabunia L & A Vekua (1995) A Plio-Pleistocene hominid from Dmanisi, East Georgia, Caucasus. Nature <I>373</I>, 509-512.</P> <P>Hartwig-Scherer S & RD Martin (1991) Was “Lucy” more human than her “child”? Observations on early hominid postcranial skeletons. Journal of Human Evolution <I>21</I>, 439-449.</P> <P>Johanson DC, Masao FT, Eck GG, White TD, Walter RC, Kimbel WH, Asfaw B, Manega P, Ndessokia P & G Suwa (1987) New partial skeleton of <I>Homo habilis</I> from Olduvai Gorge, Tanzania. Nature <I>327</I>, 205-209.</P> <P>Kimbel WH, Johanson DC & Y Rak (1997) Systematic assessment of a maxilla of <I>Homo</I> from Hadar, Ethiopia. American Journal of Physical Anthropology <I>103</I>, 235-262.</P> <P>Leakey MG, Spoor F, Brown FH, Gathogo PN, Kiarie C, Leakey LN & I McDougall (2001) New hominin genu from eastern Africa shows diverse middle Pliocene lineages. Nature <I>410</I>, 433-440.</P> <P>Sawyer GJ & V Deak (2008) Der lange Weg zum Menschen. Heidelberg.</P> <P>Spoor F, Leakey MG, Gathogo PN, Brown FH, Antón SC, McDougall I, Kiarie C, Manthi FK & LN Leakey (2007) Implications of new early <I>Homo</I> fossils from Ileret, east of Lake Turkana, Kenya. Nature <I>448</I>, 688-691.</P> <P>Schrenk F, Bromage TG, Betzler C, Ring U & YM Juwayeyi (1993) Oldest <I>Homo</I> and Pliocene biogeography of the Malawi Rift. Nature <I>365</I>, 833-836.</P> <P>Wood B (1991) Koobi Fora research project. Vol. 4. Oxford.</P> <P>Wood B & M Collard (1999) The human genus. Science <I>284</I>, 65-71.</P> <P><I><BR> Gastbeitrag von Michael Brandt</I></P><p>Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen</p><p><a href="../intern/mitarbeiter.php?ID=1" target=main><img src="../grafik/1_pfeil_weiss.gif" width=9 height=9 border=0 style="vertical-align:middle" alt=""> Informationen über den Autor</a></p> <p><a href="../kontakt/email.php?Autor=1" target=main><img src="../grafik/1_pfeil_weiss.gif" width=9 height=9 border=0 style="vertical-align:middle" alt=""> E-Mail an den Autor</a></p> <p><br> <a href="../aktuelles/news_druck.php?News=149&Sprache=de" target=_blank><img src="../grafik/1_pfeil_weiss.gif" width=9 height=9 border=0 style="vertical-align:middle;" alt=""> Druckerfreundliche Version dieser Seite anzeigen   <img src="../grafik/drucker.gif" width="14" height="14" border="0" style="vertical-align:middle;" alt=""></a></p> <p style="color:#666666" style="padding-top:20px;padding-bottom:0px;font-size:10px;"> <br>© 2010, http://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/n149.php</p> <hr size=1 color="#CCCCCC" style="margin-top:0px;margin-left:20px;margin-right:30px;"> <p>Über unseren <a href="../kontakt/newsletter.php?Sprache=de" target=main><img src="../grafik/1_pfeil_weiss.gif" width="9" height="9" border="0" alt="">Newsletter-Service</a> werden Ihnen neue Nachrichten auch automatisch per E-Mail zugesandt.</p></td><td BGCOLOR="#FFDA75"> </td></tr> <tr><td height=29 colspan=3 bgcolor="#013E78" class="fuss"><a href="../aktuelles/news_u.php?a=0"><img src="../grafik/pfeil_blau_blau.gif" width="23" height="22" border="0" style="vertical-align:middle" alt=""> News-Übersicht</a></td></tr> <tr><td colspan=3></td></tr> </table></body>