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17.01.11 Dunkle Seiten des Genoms beleuchtetWaren bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich die proteincodierenden Gene des Erbguts im Fokus der Forschung, so weisen Erkenntnisse aus den vergangenen zehn Jahren auf unterbelichtete Bereiche hin. Im Erbgut ist viel mehr als nur die Anleitung für Eiweißsynthese zu finden und man darf gespannt sein, was unter neuem Licht noch alles erkennbar werden wird. Das Lehrbuchwissen war zunächst einfach und übersichtlich: Die DNA im Genom (=gesamtes Erbgut) enthält die Anweisung zum Aufbau von Proteinen. Die Anleitungen sind in Gene unterteilt und werden durch chemisch verwandte Nukleinsäuren, die RNA, aus dem Zellkern an den Ort der Proteinsynthese, die Ribosomen gebracht. Zwischen den einzelnen Genen liegen im Genom weite Bereiche, denen keine Funktion und Bedeutung zugeordnet werden konnte („junk DNA“, „genetischer Abfall“). Forschung der vergangenen zehn Jahre hat zunehmend Licht auf die umfangreichen zunächst als nutzlos erscheinenden Bereiche des Genoms geworfen. Die Wissenschaftsjournalistin Elizabeth Pennisi (2010) hat für die Zeitschrift Science bedeutende Veröffentlichungen aus diesem Zeitraum kurz zusammengefasst. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind im menschlichen Genom rund 21.000 Gene enthalten, die für Proteine codieren. Sie nehmen ca. 1,5 % des Genoms in Anspruch. Schon früher wurde bezweifelt, dass der Rest – immerhin mehr als 98% – nutzloser Abfall sei, da der Ballast in diesem Umfang gerade auch nach evolutionären Vorstellungen im Laufe der Zeit hätte entsorgt werden müssen.1 Pennisi führt folgende Befunde an, die das Genom in einem neuen Licht erscheinen lassen: 1. Der Mensch weist nicht nur viele proteincodierende Gene auf, die sich auch im Genom der Maus finden, sondern auch weite Teile der nicht-codierenden DNA sind in beiden Organismen ähnlich. Ohne Funktion dieser Bereiche ist der Befund nur schwer erklärbar, da bei Funktionslosigkeit Mutationen nicht durch Selektion korrigiert werden und sich so anhäufen. Die entsprechenden DNA-Sequenzen in verschiedenen Organismen werden dadurch immer unähnlicher. Untersuchungen an Mäuseembryonen belegen, dass nicht codierende Bereiche des Genoms eine Rolle in der Genregulation spielen. Manche Gene, deren Aktivität sie steuern, liegen im Genom weit von ihnen entfernt. 2. Auch andere umfangreiche Studien, in denen genetische Risikofaktoren für Krankheiten untersucht wurden, lieferten Hinweise auf Funktionalität von nicht codierenden Genombereichen: ca. 40 % von DNA-Sequenzen, in denen sich gesunde und erkrankte Individuen um eine einzige DNA-Base unterscheiden, liegen in Bereichen zwischen den Genen. 3. In anderen Arbeiten wurde gezeigt, dass weitaus mehr DNA in RNA umgeschrieben wird als nur für die Boten-RNA (mRNA) oder die RNA der Ribosomen (rRNA). Etwa 80 % der DNA einer Zelle scheinen in RNA umgeschrieben zu werden, ohne dass vom größten Teil dieser transkribierten Bereiche bisher bekannt ist, was deren Funktion ist. 4. Bei Forschungen an Pflanzen und Fadenwürmern wurden Mechanismen entdeckt, wie man mit kleinen RNA-Fragmenten Gene ausschalten kann. Die Erforschung und Entwicklung der als RNA-Interferenz (RNAi) bezeichneten Methode wurde 2006 mit einem Nobelpreis ausgezeichnet. In vielen Untersuchungen wurde bestätigt, dass sehr kurze RNA-Fragmente aus 21 bis 30 Basen mit den Chromosomen wechselwirken und so die Aktivität von Genen kontrollieren und steuern können. Wenn in Hefezellen einzelne dieser kurzen RNA-Sequenzen fehlen, ist die Zellteilung gestört, und auch an Entwicklungsprozessen und Krebsentstehung sind sie beteiligt. 5. Aber nicht nur diese kleinen RNA-Schnipsel erregten Aufsehen, auch die so genannte große zwischen den Genen liegende, nicht codierende RNA (large intervening noncoding RNA, lincRNA), entfaltet regulatorische Funktion auf Gene. Es könnte sein, zumindest äußern sich manche Forscher in diese Richtung, dass dieser Anteil des Genoms sich in seiner Bedeutung als ebenso bedeutsam erweist wie die proteincodierenden Gene. Abschließend stellt Pennisi fest, dass vor zehn Jahren vom Genom fast ausschließlich die proteincodierenden Gene im Blickfeld der Forschung waren. Heute gilt das Interesse auch vielen anderen Bereichen des Erbguts. Ihre zusammenfassende Darstellung kann Staunen auslösen über die faszinierende Vielfalt und Dichte an Steuer- und Regulationsmechanismen in Zellen. Der Rückblick der Autorin dokumentiert aber gleichzeitig, dass durch die Betrachtungsweise des Forschungsgegenstands – oder um ihr Bild aufzugreifen; seine Beleuchtung – auch Schatten produzieren: einzelne Aspekte werden betont, andere vernachlässigt oder gar ausgeblendet. Die aktuelle Erforschung des Genoms zeigt, dass bei allen faszinierenden Erkenntnissen sich viele Hoffnungen nicht erfüllt haben. Der Blickwinkel muss erweitert werden, denn das Genom an sich liefert nicht die erhofften entscheidenden Einblicke in die grundlegenden Ursachen des Lebens, sondern es erscheint zunehmend als Bestandteil eines umfassenden und komplexeren Systems. Wenn bisher dunkle Bereiche vom Lichtkegel neuer Fragestellungen erfasst werden, bewirkt das einerseits Ernüchterung hinsichtlich erhoffter entscheidender Antworten aus dem Genom; gleichzeitig werden aber auch neue Horizonte für spannende Forschung in einem neuen Licht eröffnet.2 Literatur Pennisi E (2010) Shining a light on the genome’s 'Dark Matter'. Science 330, 1614. Anmerkungen 1 Dennoch wurde und wird die mutmaßliche „junk DNA“ als Argument gegen die Vorstellung von optimalem Design ins Feld geführt. 2Angesichts des Forschungsstands über die „Dark Matter“ des Genoms sollte die Vorstellungen von der „Junk-DNA“ vorerst ad acta gelegt werden. Das mit der „junk DNA“ begründete Argument, es gebe Design-Fehler und das spreche gegen eine Schöpfung, ist daher auch sehr fragwürdig geworden. Autor dieser News: Harald Binder
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