04.04.11 Zur Problematik sehr alter Mikrofossilien
Fossilien dokumentieren Lebensspuren vergangener Erdzeitalter. Mit besonderem Engagement wird nach immer ältern Spuren von Organismen gefahndet. Einzelne Befunde werden durchaus kontrovers diskutiert. Nun hat ein Team von amerikanischen Geologen Untersuchungen vorgelegt, die nahe legt, dass es sich bei Mikrofossilien aus Australien mit einem angegebenen Alter von ca. 3,5 Milliarden Jahren um Pseudo-Mikrofossilien, also nicht um ehemalige Lebewesen handelt.
Vor mehr als 20 Jahren beschrieben Schopf & Parker (1988) Mikrofossilien in der Apex Chert Formation in Australien. Die Autoren hatten anhand von Dünnschliffen (300 µm) in dem silikatreichen Gestein (Chert; Hornstein) des Pilbara Kratons in Westaustralien Strukturen gefunden und vermutet, dass es sich bei diesen um fossile Cyanobakterien handeln könnte. Brasier, ein englischer Geologe und Lehrbuchautor („Microfossils“) stellte diese Interpretation der ältesten Fossilien aufgrund eigener Untersuchungen in Frage (Brasier et al. 2002). Während Schopf & Parker die Mikrofossilien ausschließlich in gerundeten Gesteinsbruchstücken (Klasten) fanden und diesen Befund als Hinweis auf flachmarines (=Flachmeerbereich) Milieu als Bildungsbedingungen für die Fossilien vermuten, führen Brasier et al. Hinweise für hydrothermale1 Umgebung an. Beide Autorenteams konnten übereinstimmend im Zusammenhang mit den undurchsichtigen Strukturen im Gestein mit Hilfe spektroskopischer Methoden (Raman-Spektroskopie) kohlenstoffhaltige Komponenten diagnostizieren. In der Interpretation der Befunde, darüber ob die Strukturen einen biogenen Ursprung haben, also von Lebewesen herrühren, konnte allerdings keine Übereinstimmung erzielt werden, und so entspannte sich eine anhaltende kontroverse Diskussion (s. Literaturangaben in Marshall et al. 2011, Binder 2005).
Nun haben sich Marshall et al. (2011) mit einer neuen Studie in die Diskussion eingeschaltet und sehr überzeugende Daten vorgelegt, die gegen eine Interpretation der Strukturen als Fossilien sprechen. Aus Proben, die die Autoren selbst gesammelt hatten, stellten sie sowohl 300 µm als auch 30 µm dicke Dünnschliffe für Untersuchungen her. Sie dokumentieren Erscheinungen, die denen in den älteren Arbeiten vergleichbar sind: die Mikrostrukturen sind rötlich bis dunkelbraun.
In den 30 µm Dünnschliffen erscheinen die Strukturen bei mikroskopischen Untersuchungen als Störungen, Brüche (fractures) im Gefüge, die teilweise mit einem hellen und teilweise mit dunklem Mineral gefüllt sind. Die 30 µm Dünnschliffe lassen unterschiedliche Kristallgrößen erkennen: 4-65 µm (durchschnittlich 17,3 µm) für die hellen und 0,3-6 µm (durchschnittlich 2,2 µm) für die dunklen Mineralien. In den 300 µm „Dünnschliffen“ verschwimmen die unterschiedlichen Kristalle und das Material erscheint amorph (gestaltlos).
Mit Hilfe von Raman-Spektroskopie identifizierten Marshall et al. das dunkle Material als Hämatit (ein Eisenoxidmineral: Fe2O3) und das helle als Quarz (Siliciumdioxid: SiO2). In den Untersuchungen, die der bisherigen Diskussion zugrunde lagen, waren die Mikrostrukturen mit Kohlenstoff(C)-haltigem Material in Verbindung gebracht worden (ebenfalls aufgrund von Resultaten mit Raman-Spektroskopie). Die Diskussion ging bisher vor allem darüber, ob der nachgewiesene C biogenen (=von Lebewesen stammend) oder anorganischen Ursprungs sei. Marshall et al. halten fest, dass in der gesamten Matrix sowohl mit Hilfe der Raman-Spektroskopie als auch mit Synchrotron-Strahlung Kohlenstoff nachgewiesen werden kann, aber nicht in Verbindung mit den bisher als Mikrofossilien interpretierten Strukturen. Die Autoren bestreiten, dass in der bisherigen Diskussion genannte Kriterien für Mikrofossilien charakteristisch für diese seien und verweisen darauf, dass auch rein mineralogische Phänomene sich entsprechend äußern können. Allein das Kriterium, dass bei vollständiger Mineralisierung (permineralisation) die Zentren von Fossilien Hohlräume aufweisen, lassen sie gelten, was aber für die zur Debatte stehenden „Mikrofossilien“ nicht überzeugend nachgewiesen sei.
Marshall et al. (2011) halten andere Mikrofossilien aus dem frühen Archaikum von Südafrika2 für glaubwürdiger und stellen Lebewesen in dieser Zeit nicht in Frage, ja sie sehen auch in dem diffusen Kohlenstoff im Apex Chert von Australien einen Hinweis auf Lebensformen, deren Struktur allerdings nicht fossil überliefert ist. Die Autoren weisen zurecht darauf hin, dass man sowohl die strukturellen Daten als auch die chemischen Analysen gerade im Blick auf sehr alte „Fossilien“ sehr nüchtern und kritisch beleuchten sollte, um falsche positive Meldungen zu vermeiden (s. Binder 2005).
In einem Überblicksartikel fassen Schopf et al. (2007) Arbeiten zusammen, in denen 48 Fundstellen von Stromatoliten und 14 Fundstellen von Mikrofossilien aus dem Archaikum (> 2500 Millionen Jahre) beschrieben werden. Sie kommen zu dem Schluss, dass auch wenn einige dieser Befunde kontrovers diskutiert werden erste Lebensspuren aus dieser Epoche mit einem Alter von ca. 3,5 Milliarden Jahren gut begründet sind.
Die naturwissenschaftlichen Befunde zu fossilen Überlieferungen frühester Lebensformen werden also auch zukünftig von kontroversen Diskussionen begleitet bleiben.
Anmerkungen
1 Hydrothermal: unter hydrothermalen Bedingungen versteht man den Sachverhalt, dass Wasser unter erhöhtem Druck auch bei Temperaturen weit über 100° C in flüssigem Aggregatzustand vorkommt (bis zum kritischen Punkt bei 374,15°C). Unter diesen Umständen kann Wasser viele Stoffe, z.B. Mineralien lösen, die bei niedrigeren Temperaturen nicht oder nicht in derselben Menge löslich sind. Beispiele für hydrothermale Quellen sind die schwarzen oder weißen Raucher in der Nähe der mittelozeanischen Rücken.
2 Aus der Onverwacht Group, Barberton Mountain Land, Südafrika, deren Alter mit ca. 3,5 Milliarden Jahren angegeben wird (Literaturangaben s. Marshall et al. 2011 und Binder 2005)
Literatur
Binder H (2005) Anhaltender Streit um älteste Lebensspuren. Stud. Int. J. 12, 92-93.
Brasier MD, Green OR, Jephcoat AP, Kleppe AK, van Kranendonk MJ, Lindsay JF, Steel A & Grassineau NV (2002) Questioning the evidence for earth“s oldest fossils. Nature 416, 76-81.
Marshall CP, Emry & Marshall AO (2011) Haematite pseudomicrofossils present in the 3,5-billion-year-old Apex Chert. Nature Geosci. doi: 10.1038/NGEO1084
Schopf JW & Parker BM (1988) Early Archeans (3,3 billion to 3,5 billion years old) microfossils from Warrawoona Group, Australa. Science 237, 70-73.
Schopf JW, Kudryavtsev AB, Czaja AD & Tripathi AB (2007) Evidence of Archean life: Stromatolites and microfossils. Precambrian. Res. 158, 141-155. Autor dieser News: Harald Binder Informationen über den Autor
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