28.07.11 „Moderne Optik“ im frühen Kambrium
Die Evolution der Augen ist ein vieldiskutiertes Thema in der Evolutionsbiologie und unter Evolutionskritikern (vgl. Ullrich et al. 2005). Dabei stehen Vergleiche verschiedener Augentypen heutiger Arten und theoretische Überlegungen über Neuerwerb einzelner Bestandteile komplexer Augen z. B. durch sogenannte Kooptionen (=Übernahme, Wiederverwendung in einem neuen Zusammenhang) im Vordergrund. Welchen Beitrag aber liefern Fossilfunde? Hier ist weitgehend Fehlanzeige zu verzeichnen. „Der Fossilbericht war bis jetzt unzureichend, um Einblicke in die frühe Evolution der Augen während der anfänglichen Radiation vieler Tiergruppen zu ermöglichen, die als kambrische Explosion bekannt ist“ (Lee et al. 2001, 631). Außer von Trilobiten-Augen sei kaum etwas über die Details des optischen Designs der kambrischen Tierwelt, aus der die ältesten fossil erhaltenen Augen stammen, bekannt, trotz z. T. sehr guter fossiler Erhaltung. Nun berichten Lee et al. (2011) von sehr gut erhaltenen fossilen Augen aus dem Frühen Kambrium des Emu Bay-Schiefers in Australien (auf 515 Millionen Jahre datiert), die sie als „sehr hochentwickelte“ (highly advanced) Komplexaugen (Facettenaugen) charakterisieren. Sie sind in fein geschichtetem Tonstein eingebettet.
Es handelt sich um mehrere isolierte Augen, die aus jeweils über 3.000 ommatidischen Linsen in dichter und in ausgeprägt sechseckiger Anordnung bestehen, was die kompakteste und effizienteste Anordnung darstellt. (Als Ommatidien werden die Einzelelemente von zusammengesetzten Augen bezeichnet, wie sie in der heutigen Tierwelt bei Gliederfüßern vorkommen.) Der Durchmesser der Augen beträgt 7-9 mm. Die Forscher ordnen die Augen aufgrund ihrer Größe einem Gliederfüßer zu, der vermutlich räuberisch lebte und unter schwachen Lichtverhältnissen sehen konnte. Eine genauere Zuordnung ist nicht möglich. Die Augen sind komplexer als fossile Augen zeitgleich existierender Trilobiten und so hochentwickelt wie die Augen vieler heute lebender Formen. Die Augen besitzen im Zentrum große ommatidische Linsen, die eine besonders lichtempfindliche „helle Zone“ („bright zone“ oder „acute zone“) bilden, während die Linsen in den Randbereichen kleiner sind. Diese Spezialisierungen seien für viele moderne Taxa charakteristisch. Die Wissenschaftler schließen aus der Anordnung der verschiedenen Linsengrößen, dass die Augen auch im Lebenszustand flach waren. Die extrem reguläre Anordnung der Linsen übertrifft sogar die Anordnung bei manchen heute lebenden Formen wie dem Pfeilschwanz Limulus. Damit besaßen einige der ältesten Gliederfüßer optische Systeme, die denen heutiger Formen glichen.
Literatur
Lee MSY, Jago JB, García-Bellido DC, Edgecombe GD, Gehling JG & Paterson JR (2011) Modern optics in exceptionally preserved eyes of Early Cambrian arthropods from Australia. Nature 474, 631-634.
Ullrich H, Winkler N & Junker R (2005) Zankapfel Auge. Ein Paradebeispiel für „Intelligent Design“ in der Kritik. Stud. Int. J. 13, 3-14; online: http://www.wort-und-wissen.de/sij/sij131/sij131-1.html Autor dieser News: Reinhard Junker Informationen über den Autor
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