10.11.11 Superschnelle Muskeln (auch) bei Fledermäusen
Fledermäuse sind in der Lage, ihre Umgebung mit Hilfe von Ultraschall so genau zu scannen, dass man ihre Fähigkeiten am besten mit „Echo-Bildsehen“ beschreibt. Wenn man so will: Fledermäuse „sehen“ mit den Ohren (vgl. Entstehung der Fledermäuse). Aber anders als beim Sehen mit den Augen müssen die Fledermäuse auch noch die Daten teilweise selbst generieren, deren Auswertung dann das Echobild liefert.
Um eine geortete Beute schlagen zu können, müssen die Fledermäuse ihre Ultraschall-Rufe bei Annäherung zunehmend häufiger und kürzer ausstoßen, bis sie schließlich kaum vorstellbare 190 Rufe pro Sekunde erreichen (deren Echo sie aufnehmen und auswerten). Bisher erschien den Forschern diese Schlussphase extrem häufiger Rufe, der sogenannte „terminal buzz“, rätselhaft; es war unbekannt, wie die Fledermäuse die Laute in so schneller Abfolge erzeugen können. Biologen von der Universität von Süddänemark in Odense und der Universität von Pennsylvania in Philadelphia kamen den Fledermäusen nun auf die Schliche (Elemans et al. 2011). Sie entdeckten bei Wasserfledermäusen (die knapp über Wasseroberflächen nach Insekten jagen) hochspezialisierte „superschnelle“ Muskeln, deren Tätigkeit die schnellen Laute ermöglicht. Experimente mit isolierten Muskelfaserbündeln des Kehlkopfs von Myotis daubentonii zeigten, dass die Kehlkopfmuskeln der Fledermaus sich bis zu 200 Mal pro Sekunde zusammenziehen können. Der Kehlkopfmuskel kann sich damit bis zu zwanzig Mal schneller als die schnellsten Muskeln des Menschen zusammenziehen, die bei der Augenbewegung gebraucht werden.
Außerdem konnten die Forscher zeigen, dass die Leistungsfähigkeit des Kehlkopfmuskels der limitierende Faktor bei der Häufigkeit der Laute ist und nicht die bei Annäherungen an die Beute zunehmende Überlappung von Ruf und Echo.
Die superschnellen Muskeln des Kehlkopfs sind aber auch noch aus einem weiteren Grund interessant. In Spektrumdirekt wird Coren Elemans mit folgenden Aussagen über den superschnellen Muskeltypus zitiert: „Das ist eine ganz andere Muskelart als unsere normalen Skelettmuskeln. ... Wir haben etliche Anpassungen auf zellulärer und molekularer Ebene gefunden, zum Beispiel eine stark erhöhte Mitochondrienanzahl und sehr viel mehr sarkoplasmatisches Retikulum, welches Kalzium in und aus der Zelle pumpt.“ Dieser Muskeltypus ist auch bei Klapperschlagen, einigen Fischen und Vögeln bekannt, also bei Arten, die in der Systematik deutlich getrennt stehen. Er müsste also mehrfach unabhängig, konvergent entstanden sein. In allen Fällen spielen die superschnellen Muskeln eine wichtige Rolle bei der akustischen Kommunikation. So zwitschern auch Singvögel mit Hilfe superschneller Stimmmuskeln. Beim Europäischen Star (Sturnus vulgaris) und beim Zebrafinken (Taeniopygia guttata) dauert ein Zyklus von Kontraktion und Entspannung nur 3-4 Millisekunden (Elemans et al. 2008). Mit dem Nachweis von superschnellen Muskeln bei Wasserfledermäusen sind nun diese erstmals auch bei Säugetieren beschrieben worden. Ihre Verteilung bei verschiedenen Tieren erfordert eine mehrfach unabhängige Entstehung, was die Existenz dieser besonderen Muskeln noch erstaunlicher macht.
Literatur
Anonymus (2011) Fledermäuse orten dank superschneller Muskeln. www.wissenschaft-online.de/artikel/1124502
Elemans CEP, Mead AF, Rome LC & Goller F (2008) Superfast Vocal Muscles Control Song Production in Songbirds. PLoS ONE 3(7): e2581. doi:10.1371/journal.pone.0002581
Elemans CPH, Mead AF, Jakobsen L & Ratcliffe JM (2011) Superfast Muscles Set Maximum Call Rate in Echolocating Bats. Science 333,1885-1888. Autor dieser News: Reinhard Junker Informationen über den Autor
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