29.08.15 Die Suche nach der zweiten Erde
Im Sommer gingen Bilder von einer zweiten Erde („Kepler-452b“) durch die Presse, die den Eindruck einer recht detaillierten Fotographie erwecken. Tatsächlich wissen wir nur durch Helligkeitsschwankungen des Zentralgestirns etwas über diesen Planeten. Die Darstellungen in der Presse sind für Laien, also für die große Anzahl der Leser, irreführend.
Gastbeitrag von Albrecht Ehrmann
Am 23. Juli 2015 veröffentlichte die NASA die Entdeckung des Planeten Kepler-452b1 mit dem Titel „NASA’s Kepler Mission Discovers Bigger, Older Cousin to Earth“.2 In der Presse fand man dazu eine schöne Illustration, die von T. Pyle stammt (http://images.techtimes.com/data/images/full/115098/kepler-452b-and-earth.jpg?w=600). Auf ihr sieht man auf der linken Seite die Erde, auf der rechten Seite augenscheinlich den Planeten Kepler-452b. In der Mitte ist ein Trennungsstrich und je die Hälfte der Sonne und des Sterns Kepler-452. Der Planet Kepler-452b ist 60% größer als die Erde. Man ist beeindruckt von der Detailtreue des Bildes von Kepler-452b, sieht dunkle Strukturen, die an Seen und Flussläufe erinnern, weiße Wolken und feste Oberflächenstrukturen in Brauntönen. Leider wird in den Begleittexten dazu nicht klar, was an diesem Bild Phantasie ist und was tatsächlich auf Messdaten beruht, da lediglich das Gesamtbild als Illustration bezeichnet wird. Im Text erfährt man immerhin, dass die Forscher nur vermuten, dass Kepler-452b „felsisch“ ist, also eine feste Oberfläche und eine Atmosphäre mit einer geringen Dicke hat.
Worin bestehen nun tatsächlich die Messdaten bzw. was lässt sich aus ihnen ableiten? Das Studium des Fachartikels3 gibt darüber Aufschluss. Der Planet wurde bei der Analyse der Daten des Kepler-Weltraumteleskops mit der so genannten Transitmethode (s. u.) entdeckt.
Das Kepler-Weltraumteleskop hat von 2009 bis 2013 111.800 Sterne gleichzeitig ins Visier genommen und kontinuierlich deren Helligkeit registriert. Bei der Analyse der Daten, die immer noch andauert, wird gezielt auf relativ kurze, periodisch auftretende Verdunkelungsereignisse geachtet. Zieht nämlich ein Planet längs der Sichtlinie zwischen dem Satelliten und dem Stern vorbei (= Transit), verdunkelt er diesen ganz geringfügig für eine gewisse Zeit. Dies ist analog zu den Venustransits in unserem eigenen Planetensystem vor einigen Jahren, als das kleine, dunkle Venusscheibchen von der Erde aus gesehen über die Sonnenscheibe wanderte. Wiederholt sich eine solche Verdunkelung in periodischen Abständen, ist es wahrscheinlich, dass ein Planet, der um diesen Stern kreist, die Ursache ist.
Bei Kepler-452b konnte man vier solcher Verdunkelungen um 0,02 % beobachten. Bevor man aber die Entdeckung ines neuen Planeten publizieren kann, müssen noch einige Tests gemacht werden, um eine Verwechslung mit anderen Phänomenen auszuschließen. So reicht beispielsweise die optische Auflösung des Kepler-Teleskops nicht aus, um zu prüfen, ob das Licht nur vom Stern Kepler-452 stammt oder ob es mit dem Licht anderer Sterne vermischt ist. Deshalb wurden mit dem 10 m-Spiegel des Keck II-Teleskops auf Hawaii hochaufgelöste Bilder aufgenommen und dabei keine Nachbarsterne gefunden. Außerdem wurden noch weitere Tests bei Kepler-452 durchgeführt und damit alternative Erklärungen für die periodischen Intensitätseinbrüche ausgeschlossen. Als Ergebnis erhielt man den Planeten Kepler-452b mit einer Umlaufdauer von 385 Tagen und einem Durchmesser, der 1,4% des Sternendurchmessers beträgt. Über hochaufgelöste Spektren des Sterns Kepler-452 erhält man durch den Vergleich mit Spektren von Sternen, deren Durchmesser man kennt, dessen Durchmesser von 1,1 Sonnendurchmessern. Damit ergibt sich, dass der Planet Kepler-452b 1,6 mal so groß ist wie die Erde.
Außer diesen wenigen, aus den Helligkeitsschwankungen des Zentralgestirns abgeleiteten Größen weiß man von diesem mutmaßlich erdähnlichen Planeten definitiv nichts.
Von anderen Planeten ähnlicher Größe konnte man die Masse und damit die Dichte bestimmen bzw. herleiten. Aus diesen Angaben folgern die Forscher, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Planet Kepler-452b ein Gesteinsplanet ähnlich der Erde ist, bei 49% bis 62% liegt. Allerdings muss man dazu sagen, dass diese Daten nicht aus einer Gruppe von Planeten mit ähnlicher Konfiguration wie Kepler-452b gewonnen wurden, sondern von Planeten, die um kleinere Sterne in kleinerem Abstand zum Stern kreisen.
Wann wissen wir mehr von Kepler-452b? In absehbarer Zeit wird kein Wissenszuwachs erwartet. Es wird eher erwartet, dass man erdgroße Planeten bei sonnenähnlichen Sternen in deren habitabler Zone4 findet, die nicht so weit entfernt sind wie Kepler-452. Von diesen nahen Sternen nimmt man Spektren des Sternenlichts abseits und während der Transits der Planeten auf. Aus der Differenz dieser Spektren erhält man spektrale Information von der Atmosphäre der Planeten, durch die das Sternenlicht während der Transits auf dem Weg zu uns hindurchstrahlt. Chemische Verbindungen wie beispielsweise Methan absorbieren in charakteristischen Linien, man kann also damit herausfinden, welche Gase in der Planetenatmosphäre vorhanden sind.5
Um jedoch ein Bild von Kepler-452b zu erzeugen, das so detailliert wie die Illustration ist, bräuchte man ein optisches Teleskop mit Objektivdurchmesser, der etwa sieben Mal so groß ist wie die gesamte Erde. Davon sind wir im wahrsten Sinne des Wortes meilenweit entfernt. Selbst ambitionierte Projektstudien zu Weltraum-Interferometern mit nicht so weitreichenden Zielen wurden eingestellt und erst mal auf unbestimmte Zeit verschoben. Eine detaillierte Darstellung mit „Bild: NASA“ ist daher grob irreführend.
Anmerkungen und Quellen
1 Sterne werden mit Zahlen bezeichnet (also z.B. Kepler-452); entdeckt man bei ihnen Planeten, werden diese mit Kleinbuchstaben markiert, angefangen mit b.
2 http://www.nasa.gov/press-release/nasa-kepler-mission-discovers-bigger-older-cousin-to-earth; Übersetzung: „NASA‘s Kepler Mission entdeckt größeren, älteren Cousin der Erde“
3 Jenkins JM et al. (2015) The Astronomical Journal 150 56. doi:10.1088/0004-6256/150/2/56. Preprint arxiv: 1507.06723
4 Ein Planet ist in der habitablen Zone seines Planetensystems, wenn die Temperatur auf seiner Oberfläche so ist, dass Wasser flüssig ist, denn dies wird als notwendige Bedingung für Leben erachtet; in der Praxis kennt man nur den Abstand der Planeten von ihrem Zentralgestirn und die abgestrahlte Leistung desselben und weiß nichts über ihre Atmosphäre (Stärke des Treibhauseffekts unbekannt); die „optimistische“ habitable Zone für unser Sonnensystem geht so von der Venusbahn bis kurz vor die Marsbahn.
5 Wilson PA et al. (2014) Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 438 (3), 2395-2405, Preprint in arXiv:1312.1360 Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen Informationen über den Autor
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