02.03.17 Anfangs explosiv – dann nur noch Fine-Tuning: Vielfalt der Vogelschnäbel
Eine umfangreiche Analyse mittels 3D-Scans von Schnäbeln von etwa 2000 heutigen Vogelarten legt den Schluss nahe, dass am Anfang der fossilen Überlieferung der heutigen Vogelordnungen (Neornithes) sehr rasch eine enorme Vielfalt von Schnabelformen etabliert war. Danach erfolgte im Wesentlichen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – eine Art Fine-Tuning. Dieser Befund ermöglicht die Deutung im Rahmen eines Schöpfungsansatzes mit programmierter Variabilität.
Die heute existierenden Vogelordnungen (Neornithes) erscheinen im Fossilbericht plötzlich in großer Vielfalt in den ältesten Schichten des Tertiärs. Wie bei vielen anderen Tier- und Pflanzengruppen ist von einer explosiven Entfaltung oder Radiation die Rede. In den letzten Jahren wurde zwar immer wieder über Funde von Vertretern der Neornithes auch in der Oberkreide berichtet, doch ändern diese nichts daran, dass die Vielfalt der Vogelbaupläne – gemessen an den Fossilfunden – nach der berühmten Kreide-Tertiär-Grenze abrupt und in einem geologisch kurzen Zeitraum zunimmt. Ein gemeinsamer Vorfahr ist nicht bekannt und der Fossilbericht gibt über die Anfänge der Neornithes fast keine Auskunft (Zhou 2004, 456, 467).1 Vergleichend-biologische Studien der heutigen Vogelordnungen bestätigen dieses Bild: Cladogramme (Ähnlichkeitsbäume) lassen sich auf der Ebene der Ordnungen kaum auflösen (vgl. z. B. Thomas 2015). Sie gleichen daher in den unteren Teilen eher einem Busch als einen Baum.
Eine solche vergleichende Studie führen Cooney et al. (2017) anhand von 3D-Scans von Schnäbeln von 2028 heutigen Vogelarten aus 194 Familien durch, die im Natural History Museum Tring (England) und im Manchester Museum archiviert sind und einen Großteil des Systems der Vögel abdecken. Das charakteristische Merkmal des Vogelschnabels ist für seine faszinierende Vielfalt von Gestaltungen bekannt. Die unterschiedlichen Schnabelformen ermöglichen den Vögeln, sehr verschiedene Nahrungsquellen zu nutzen. Durch die Kombination der Ergebnisse der Untersuchungen der Schnabelformen mit neueren DNA-basierten Cladogrammen ergab sich, dass die Vielfalt der Schnäbel sehr schnell in der mutmaßlichen evolutionären Geschichte aufgetreten ist, also innerhalb kurzer Zeit stark zunahm. Evolutionstheoretisch folgt daraus, dass ein extrem schneller evolutiver Wandel angenommen werden muss – die Autoren sprechen von „früher schneller Quanten-Evolution“ (Cooney et al. 2017, 345), das bedeutet eine anfänglich sehr schnelle Divergenz (Aufspaltung und Verschiedenwerden) in neue Formen und Funktionen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen änderten sich die Schnabelformen nach der Anfangsdivergenz nur noch relativ geringfügig in der Art eines Fine-Tunings und durch ökologische Anpassungen (vgl. Bhullar 2017).
Fossilfunde wurden in die Untersuchung nicht einbezogen. Bhullar (2017) weist aber darauf hin, dass der Fossilbericht den Befund von Cooney et al. unterstützt, dass eine große Vielfalt von Schnabelformen nach der Kreide-Tertiär-Grenze rasch präsent war, ja dass es anfangs noch weitere Schnabelformen gab, die heute nicht mehr vertreten sind. Die Gründe für dieses Muster mutmaßlicher evolutionärer Sprünge und anschließender Stabilität seien nicht bekannt.
Mikroevolution, Makroevolution und Schöpfung. Die Autoren stellen fest, dass es einen qualitativen Unterschied zwischen Mikroevolution (z. B. Fine-Tuning) und Makroevolution (neuartige Baupläne oder Bauplan-Elemente) gibt. Sie schreiben: „Auf welche Weise mikroevolutive Prozesse addiert werden, um die Ausweitung der gestaltlichen Vielfalt über viel größere evolutionäre Zeiträume hinweg zu formen, ist unklar“ (Cooney et al. 2017, 344). Und weiter: „Untersuchungen an kleineren (evolutiven) Zweigen haben Einsichten in die Rolle der natürlichen Auslese als verändernde Kraft ermöglicht, sie können aber nicht den Prozess erhellen, der die Vielfalt und Diskontinuitäten von Radiationen über längere evolutionäre Zeiträume formen“ (ebd.).2 Das entspricht vielen ähnlich lautenden Einschätzungen zum Unterschied von Mikro- und Makroevolution (vgl. Entstehung evolutionärer Neuheiten – ungelöst!).
Das Muster der Entfaltung der Schnabelformen kann bei Zugrundelegung eines Schöpfungsansatzes mit programmierter Variabilität gut erklärt und eingeordnet werden. Dass innerhalb einer Formengruppe eine große Vielfalt relativ plötzlich auftaucht und Cladogramme an der Basis kaum auflösbar sind bzw. anfangs sehr enge Verzweigungen beinhalten, könnte als Indiz dafür gewertet werden, dass es gar keine Abstammung der größeren Einheiten gab, sondern dass diese in fertiger Form durch Schöpfungsakte ins Dasein kamen und sich anschließend ein anfangs bereits angelegtes Potential an Ausprägungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten entfaltet hat.
Für die biblische Schöpfungslehre bleibt jedoch die Frage offen, warum zum einen Vögel heutiger Grundtypen fossil weitgehend erst ab dem unteren Tertiär überliefert sind, aber auch, weshalb Vögel, die im älteren geologischen System der Kreide fossil überliefert sind, andere Baupläne besitzen als die tertiären und heute lebenden Vögel.
Anmerkungen
1 „[R]elatively little is known about the origin and the immediate ancestor of all extant avian groups“ (Zhou 2004, 456). „[Y]et there is still no fossil evidence indicating the origin of modern groups in the Mesozoic“ (Zhou 2004, 467).
2 „[B]ut how microevolutionary processes scale up to shape the expansion of phenotypic diversity over much longer evolutionary timescales is unclear“ (Cooney et al. 2017, 344).
„Studies of small clades have provided insights into the role of natural selection as a diversifying force, but cannot illuminate the processes that shape the diversity and discontinuities of radiations over longer evolutionary time frames“ (ebd.).
Literatur
Bhullar BAS (2017) Catastrophe triggers diversification. Nature 542, 304-305.
Cooney CR, Bright JA et al. (2017) Mega-evolutionary dynamics of the adaptive radiation of birds. Nature 542, 344-347.
Zhou Z (2004) The origin and early evolution of birds: discoveries, disputes and perspectives from the fossil record. Naturwissenschaften 91, 455-471.
Thomas GH (2015) An avian explosion. Nature 526, 516-517. Autor dieser News: Reinhard Junker Informationen über den Autor
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