13.03.17 Mikrofossilien: Hinweis auf sehr frühe Lebensspuren?
Eine jüngst erschienene Publikation von Geowissenschaftlern zu mikroskopischen Strukturen in einer der vermutlich frühesten Gesteinsformationen, die auf der Erde verfügbar ist, ist von den Tagesmedien aufgenommen worden. Dabei wurden die fachliche Interpretation der Befunde und die Überlegungen zu deren möglicher Entstehung in einer Weise popularisiert, als wären Fossilien mit spektakulärem Alter entdeckt worden. Im Folgenden soll verdeutlicht werden, dass die Interpretation durchaus nicht trivial ist und dass sie weitreichende Fragen eröffnet, die weder in den Medien noch im Original angesprochen werden.
Das Gestein des Nuvvuagittuq-Gürtels in der Nähe von Quebec (Kanada) birgt nach derzeitigen Erkenntnissen eine der ältesten eisenhaltigen Strukturen unserer Erde. Das Alter dieser Formation wird von Fachleuten kontrovers diskutiert – manche geben aufgrund von radiometrischen Uran-Blei (U-Pb)-Messungen an Zirkonkristallen ein Alter von 3,774-3,751 Milliarden radiometrischen Jahren an, während andere aufgrund von Samarium-Neodym (146Sm-142Nd)-Daten für bestimmte Einheiten von einem Alter von bis zu 4,280 Milliarden radiometrischen Jahre ausgehen. Die Zusammensetzung der Mineralien unterstützt eine Vorstellung, nach welcher der Ursprung dieser Gesteine im Meerwasser in der Nähe von hydrothermalen Quellen liegt sowie unter dem Einfluss von Vulkanismus gestanden hat.
Dodd et al. 2017 haben aus dieser Formation Proben genommen und untersucht. Sie dokumentieren Befunde, die sie als fossile Hinweise auf sehr frühe mikrobische Lebensformen interpretieren. So fanden sie mikroskopische faserartige Strukturen aus Hämatit, einem Eisenoxid (Fe2O3), 2 bis 14 µm breit und bis zu 0,5 mm lang, in einer Jaspis-Matrix. Ähnliche Strukturen sind aus dem Phanerozoikum („Zeitalter sichtbarer Lebewesen“, ca. 541 Millionen rad. Jahre bis heute) bekannt: aus Lokken, Norwegen (ca. 480 Millionen rad. Jahre) und dem Franciscan-Komplex in Kalifornien (ca. 180 Millionen rad. Jahre). Die beschriebenen Filamente ähneln ebenso Strukturen in heutigen Ablagerungen an hydrothermalen Quellen mit niedriger Temperatur, bei denen diese Strukturen bekanntermaßen von Eisen-oxidierenden Bakterien gebildet werden.
Weiter dokumentieren die Autoren zylindrische Röhren aus feinkörnigem Hämatit, die von Quarzkörnern umgeben und ausgefüllt sind. Ähnliche Röhren finden sich auch in Jaspis aus anderen fossilen Überresten von hydrothermalen Quellen, wo sie Eisen-oxidierenden Bakterien zugeschrieben werden. Dodd et al. fassen die Beobachtungen an den mikroskopischen Strukturen in Jaspis in 5 Punkten zusammen:
1. Die Röhren enthalten im Inneren Hämatit-Filamente,
2. am Ende mancher Röhren finden sich Hämatitknoten, wie sie von Röhren, die von Mikroben gebildet werden, in der geologischen Überlieferung bekannt sind,
3. der Röhrendurchmesser ist mit 16-30 µm relativ gleichförmig, vergleichbar mit anerkannten fossilen Mikrofossilien,
4. wie bei heutigen Eisen-oxidierenden Bakterien weisen die Röhren ungefähr dieselbe Ausrichtung auf und
5. die Röhren treten zusammen mit unterschiedlichen Mineralien wie Apatit und Karbonat auf.
Um zu prüfen, ob diese mikroskopischen Strukturen tatsächlich biogenen Ursprungs sind (also von Lebewesen stammen), suchten die Autoren nach rein abiogenen Mechanismen für deren Entstehung (d. h. sie wählten als Nullhypothese, dass die beschriebenen Strukturen nicht von Lebewesen stammen). Doch keiner der heute bekannten Prozesse oder deren Kombination, wie z. B. Fließsysteme, Fällungsreaktionen, Selbstanordnungen, Diagenese konnten die Entstehung der beschriebenen Strukturen befriedigend erklären. Daraufhin verwarfen die Autoren die Nullhypothese der rein anorganischen Entstehung der mikroskopischen Strukturen.
Gründe für Deutung als Lebensspuren. Dodd et al. schreiben, dass sie aufgrund des Aktualismus davon ausgehen, dass auch die von ihnen beschriebenen fossilen Strukturen mineralisierte Überreste mikrobiologischer Aktivitäten sind.1 Sie begründen dies mit vielen Beispielen in der ganzen geologischen Überlieferung und auch aus der Gegenwart, dass Mikroorganismen Hämatitröhren in der Umgebung hydrothermaler Quellen verursachen.
Die Entscheidung, dass es sich um Lebensspuren handelt, wird aus Sicht der Autoren durch weitere Befunde gestützt: Organischer Kohlenstoff von Mikroorganismen kann durch bio- und geochemische Prozesse zu Karbonat oxidiert werden. So kann man in entsprechenden Formationen kleine, ringförmige Plättchen (Rosetten) aus Karbonatmineralien finden, in die noch kohlenstoffhaltige (graphitartige) Partikel eingestreut sind. Dodd et al. beschreiben mikroskopische Kalzit-Rosetten, in denen sie durch Raman-Spektroskopie auch Graphitpartikel nachweisen konnten. Auch die Isotopenverteilung von 13C in Karbonaten und Graphit sind verträglich mit der Vorstellung eines mikrobiologischen Ursprungs der Fossilien. Die Autoren führen auch das Vorkommen von Phosphaten – biochemisch bedeutsame Verbindungen – in Form von Apatit an. Die einzelnen Phänomene können aber unter bestimmten geochemischen Bedingungen auch ohne Beteiligung von Organismen, also rein anorganisch entstehen.
In jüngeren Ablagerungen sind kleine Graphitpartikel, die mit Magnetit, einem Eisenoxidmineral (Fe3O4) überzogen sind, bekannt (z. B. aus der Mozaan-Gruppe in Südafrika; Progolum: 2,9 Milliarden rad. Jahre). Für deren Entstehung werden Eisen-oxidierende Mikroben angenommen. Ähnliche Partikel mit einem Durchmesser von 100-500 µm finden sich auch in den von Dodd et al. untersuchten Jaspis-Proben. Die Autoren fügen ihrem Artikel eine Vielzahl von mikroskopischen Aufnahmen bei, anhand derer sie Vergleiche zu jüngeren Fossilien anstellen, bei denen eine Beteiligung von Organismen bei der Entstehung angenommen wird.
Die Erfahrung zeigt, dass mikroskopische Strukturen für unterschiedliche Interpretationen offen sind und so ist damit zu rechnen, dass dieser Befund kontrovers diskutiert werden wird, vor allem auch aufgrund seines angegebenen spektakulären Alters von 3,77 (oder vielleicht sogar 4,28) Milliarden rad. Jahren.
Bewertung. Zunächst einmal soll hier festgehalten werden, dass die vorgelegten Belege keineswegs zwingend oder unwiderleglich für eine Beteiligung von Lebewesen bei der Entstehung der untersuchten Proben sprechen. Die Versuchung, spektakulär alte fossile Hinweise auf Leben zu präsentieren, kann den Blick trüben für Aspekte, die dem eher widersprechen. Die zu erwartende kritische Diskussion der Fachleute wird diese Aspekte – vermutlich weniger spektakulär – ans Licht bringen. Die Diskussion um die Interpretation der vorgelegten mikroskopischen Gesteinsstrukturen hat erst begonnen und ist nicht zuletzt auch von der Faszination gefährdet, etablierte Grenzen mutig und öffentlichkeitswirksam zu überschreiten (wobei der Effekt durch grenzwertig plakative Formulierungen und Darstellungen in populären Medien noch verstärkt wird2).
Worin liegt eigentlich die Brisanz dieses Befundes und seiner Interpretation als derzeit ältester fossiler Beleg für Leben auf der Erde? Die derzeitigen lehrbuchmäßigen Modelle gehen davon aus, dass die Erde ca. 4,6 Milliarden Jahre alt ist. Angesichts der gängigen Vorstellungen zur Planetenentstehung ist es sehr erstaunlich und bisher nicht verstanden, wie bereits zu einem so frühen Zeitpunkt in der Geschichte der Erde Leben vorkommen und fossil erhalten bleiben kann. Das würde bedeuten, dass in den ältesten Gesteinsformationen bereits vorhandenes Leben fossil dokumentiert ist. Es wäre quasi von Anfang an da! Wenn einige der Autoren in Interviews, von denen Ausschnitte in Zeitungen3 und per Video4 weite Verbreitung finden, sich dahingehend äußern, dass der Befund auch so verstehbar sei, dass Leben ganz einfach entstehen kann und deshalb vielleicht auch an anderen Orten im Universum zu erwarten sei, dann gibt es dafür derzeit keinen empirischen Beleg; solche Aussagen sind unbegründet und von Zirkelschlüssen geprägt. Zum anderen ist die Behauptung, dass Leben womöglich ganz einfach entsteht, ein Schlag ins Gesicht derer, die sich seit den ersten naturalistischen Spekulationen von Oparin (1938) vergeblich bemühen, Möglichkeiten der Entstehung von Leben im Labor nachzuvollziehen. Es ist erstaunlich und aufgrund etablierter Vorstellungen schwer verständlich, dass fossile Lebensspuren sehr früh auftauchen. Woher kommt dieses Leben? Wie könnte es zustande gekommen sein? Das bleiben offene und zu erforschende Fragen! Jedenfalls ist es wünschenswert, dass Proben dieser Art weiter intensiv untersucht werden. Sollte sich der bisherige Trend bestätigen, dass sehr früh in der Erdgeschichte Lebensspuren auftreten, dann sind etablierte Vorstellungen herausgefordert und gezwungen, eine wie auch immer geartete „natürliche“ Entstehung des Lebens von der Erde weg an einen andern Ort im Universum zu verlegen. In einem an biblischen Texten orientierten schöpfungstheoretischen Ansatz dagegen sind Gegebenheiten, wie sie durch die hier vorgestellten Interpretationen nahegelegt werden, zu erwarten.
Literatur
Dodd MS, Papineau D, Grenne T, Slack JF, Rittner M, Pirajno F, O“Neil J & Little CTS (2017) Evidence for early life in earth“s oldest hydrothermal vent precipitates. Nature 543, 60-64.
Anmerkungen
1 „Uniformitarianism, epitomised by younger examples of microbially produced haematite tubes in hydrothermal vent precipitates throughout the geological record, leads us to conclude that the haematite tubes and filaments within the NSB jaspers are the mineralized remains of bacterial sheats and extracellular filaments.“
2 Spektrum: Sind das die ältesten Spuren des Lebens? http://www.spektrum.de/news/sind-das-die-aeltesten-spuren-des-lebens/1440080
NZZ: Hinweis auf Leben vor 4 Milliarden Jahren. https://www.nzz.ch/wissenschaft/biologie/fossilienfund-hinweis-auf-leben-vor-vier-milliarden-jahren-ld.148740
FAZ: Fossilienfund deutet auf Leben vor vier Milliarden Jahren hin. http://www.faz.net/aktuell/wissen/erde-klima/revolutionaerer-fossilienfund-deutet-auf-leben-vor-vier-milliarden-jahren-hin-14904999.html
Spiegel online: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/fossilien-sollen-mindestens-3-7-milliarden-jahre-alt-sein-a-1136922.html
3 Video von University College, London, z.B.: https://www.youtube.com/watch?v=3E83c8yoID0 (9.3.2017)
4 Z.B.: Washington Post vom 1.3.2017 (dort ist ebenfalls das oben genannte Video verlinkt): https://www.washingtonpost.com/news/speaking-of-science/wp/2017/03/01/newfound-3-77-billion-year-old-fossils-could-be-earliest-evidence-of-life-on-earth/?utm_term=.9afad26a4308
Die Journalisten Sarah Kaplan schreibt dort: „If their results are confirmed, they will boost a belief that organisms arose very early in the history of earth – and may find it just as easy to evolve on worlds beyond our own.” Weiter zitiert sie Matthew Dodd: „The process to kick-start life may not need significant length of time or special chemistry, but could actually be a relatively easy process to get started” said Matthew Dodd, a biogeochemist at University College London and lead author of the paper. „It has big implications for whether life is abundant or not in the universe.”
Autor dieser News: Harald Binder Informationen über den Autor
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