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27.10.17 Die „ältesten“ Bäume waren die komplexestenBäume der ausgestorbenen Pflanzengruppe der Cladoxylopsida sind schon lange bekannt. Kürzlich wurden in China Baumstümpfe dieser Gruppe entdeckt, die aufgrund besonderer Ablagerungsbedingungen sehr gut erhalten waren und neue Erkenntnisse ermöglichten. Dabei zeigte sich: Die Stämme waren komplexer gebaut als die Stämme aller anderen fossil bekannten oder heutigen Bäume. Kein Wunder, dass einer der Bearbeiter, Christopher M. Berry von der Cardiff University, die Frage stellt: „Warum waren die ältesten aller Bäume auch die kompliziertesten?“1 Man könnte meinen, dass der mutmaßlich erste Wald regelrecht aus dem Boden gestampft wurde. So jedenfalls stellt sich der geologisch älteste Auftritt von Bäumen in der Fossilüberlieferung dar. Denn aus evolutionstheoretischer Sicht müsste die Entstehung von Bäumen ausgehend von krautigen Landpflanzen im Unter- bis zum oberen Mitteldevon ausgesprochen schnell verlaufen sein – vermutlich viel zu schnell für die bekannten evolutionären Mechanismen. Zudem treten sehr verschiedene Baumgestalten und Baupläne ab dem mittleren bis oberen Mitteldevon in der fossilen Überlieferung auf: Mit den Cladoxylopsida und den Progymnospermen dominierten im Mitteldevon zwei sehr verschiedene Formen die ältesten fossil bekannten Wälder, und ab dem Oberdevon gesellten sich die Bärlappbäume dazu, die einen weiteren Baumtyp mit nochmals einem ganz anderen Bauplan repräsentieren. Die Cladoxylen-Bäume waren schon seit 1920 durch mächtige, stark verbreiterte, mit Sediment gefüllte hohle Stümpfe mit einem Durchmesser von bis zu einem Meter bekannt. Nach dem Fundort im US-Bundesstaat New York wurde der „erste Wald“ als „Gilboa-Wald“ bezeichnet; es waren hunderte Baumstümpfe entdeckt worden. Vor einigen Jahren stellte sich heraus, dass der Gilboa-Wald mit der darin dominierenden Gattung Wattieza deutlich komplexer zusammengesetzt war als bis dahin angenommen, denn es wurden auch Reste strauchartiger Aneurophyten (einer Untergruppe der Progymnospermen) und von Bärlappbäumen nachgewiesen (Stein et al. 2012). Neue hervorragend erhaltene Funde. Über den Aufbau der Gilboa-Bäume war bisher allerdings wenig bekannt. Erst im Jahr 2007 gelang der Nachweis, dass Äste der Formgattung2 Wattieza zu den Stümpfen der Formgattung Eospermatopteris gehören (Stein et al. 2007). Deren Aufbau konnte nun durch hervorragend erhaltene, in China entdeckte Baumstümpfe detailliert aufgeklärt werden. Die Stümpfe wurden in Xinjiang-Schichten des unteren Oberdevon (Frasnium) Chinas entdeckt, die auf 374 Millionen radiometrische Jahre datiert wurden3, und in die neue Gattung Xinicaulis gestellt (Xu et al. 2017). Die exzellente Erhaltung wurde durch Einbettung in glasartige Kieselerde (Silizifizierung) möglich, wodurch sogar einzelne Zellen erkennbar sind.4 Untersucht wurden zwei Stämme von 8 bzw. 70 cm Durchmesser. Es stellte sich heraus, dass die bis ca. 12 Meter hohen Bäume das komplizierteste Holz bilden, das sowohl von fossilen als aus heute lebenden Bäumen bekannt ist – der Bauplan des Stammes unterscheidet sich markant vom Aufbau anderer Bäume. Während normalerweise das Leitsystem aus Xylem (für Wassertransport nach oben) bei den Bäumen als Zylinder ausgebildet ist, der nach außen wächst und für die Verbreiterung des Stammes sorgt, bestand der Stamm der Cladoxylen-Bäume gleichsam aus vielen einzelnen Mini-Stämmen mit jeweils eigenem Xylem und eigenen Wachstumsringen. Dieses System von Mini-Stämmen befand sich allerdings nur in den äußeren ca. 5 Zentimetern des Stammes, der ansonsten hohl war (siehe http://cdn.sci-news.com/images/2017/10/image_5364_2-Xinicaulis-lignescens.jpg). Bei dem größeren Stamm waren mehrere hundert Xylem-Stränge ausgebildet und durch Querverbindungen miteinander wie die Drähte eines Maschendrahtzauns zu einem Leitungsnetz verknüpft. Außen gingen an der Basis Adventivwurzeln ab. Diese ungewöhnliche und bisher unbekannte Anordnung ermöglicht auch eine Erklärung für die charakteristische knollenförmige Basis der Stämme und ihren Eiffelturm-artigen Aufbau. Die Forscher erklären diese Form dadurch, dass aufgrund des Drucks des eigenen Gewichts das Gewebe an der Stammbasis nach außen gedrückt und die einzelnen Stränge auseinandergerissen wurden. Dieser Vorgang verlief offenbar kontrolliert; die auseinandergerissenen Xylemstränge wurden repariert und die Lücken durch Wachstum von Parenchym ausgefüllt.5 Die Autoren sprechen von einem „kontrollierten Kollaps der Struktur an der sich verbreiternden Basis“ (Xu et al. 2017, 1). Xu et al. (2017, 5) stellen fest, dass es trotz der Einzigartigkeit des Wachstums doch auch Ähnlichkeiten mit einkeimblättrigen Bäumen wie den Palmen gebe, und zwar in der Art der Bildung des Xylems in Strängen und in der Wuchsform, was als Konvergenzen interpretiert werden müsse. Evolutionstheoretische Betrachtungen. Die Verwandtschaftsverhältnisse der Cladoxylopsida sind unklar, da Affinitäten zu verschiedenen Gruppen bestehen, die eine widerspruchsfreie Einordnung in einen Stammbaum nicht erlauben (Junker 1996, 41). Stewart & Rothwell (1993, 217) sehen in ihnen erfolglose evolutionäre Experimente. Berry wird in Pressemeldungen zitiert, dass der Grund des Aussterbens dieser ungewöhnlichen Bäume unklar sei.6 Ein Verdrängen durch größere Arten scheint nicht plausibel, da dies in vergleichbaren Fällen auch nicht zum Aussterben geführt hat. Eher liegt der Verdacht nahe, dass das Aussterben damit zu tun hat, dass die Cladoxylen-Bäume mit ihren hohlen Stämmen in besonderen Biotopen gelebt haben, die es später nicht mehr gab. Dass die geologisch ältesten Bäume den kompliziertesten Bau ihrer Stämme haben, kommt evolutionstheoretisch unerwartet. Verbunden mit dem – im Rahmen der Historischen Geologie – plötzlichen Auftreten von Bäumen in der Überlieferung fossiler Landpflanzen sind die Schwierigkeiten einer Einordnung im evolutionstheoretischen Modellrahmen umso größer. Literatur Junker R (1996) Evolution früher Landplanzen. Eine kritische Diskussion fossiler Funde. Studium Integrale. Neuhausen-Stuttgart. Stein WE, Mannolini F, VanAller Hernick L, Landing E & Berry CM (2007) Giant cladoxylopsid trees resolve the enigma of the Earth’s earliest forest stumps at Gilboa. Nature 446, 904-907. Stein WE, Berry CM, VanAller Hernick L & Mannolini F (2012) Surprisingly complex community discovered in the mid-Devonian fossil forest at Gilboa. Nature 483, 78-81. Stewart WN & Rothwell GW (1993) Palaeobotany and the evolution of plants. 2nd edition. Cambridge: Cambridge University Press. Xu HH, Berry CM, Stein WE, Wang Y, Tang P & Fu Q (2017) Unique growth strategy in the Earth’s first trees revealed in silicified fossil trunks from China. PNAS, doi: 10.1073/pnas.1708241114 Video mit Erläuterungen von Prof. Ch. Berry: https://www.youtube.com/watch?v=e7fZehmBCy8 Anmerkungen 1 http://www.wissenschaft.de/erde-weltall/palaeontologie/-/journal_content/56/12054/20526642 2 Als Formgattungen bezeichnet man in der Paläobotanik einzelne Organe oder Organsysteme, wenn große Teile der Pflanzen fossil nicht überliefert sind. 3 Die Autoren schreiben im Online-Zusatzmaterial, dass die Basis fehlte und die Fossilstücke sich lose im Sediment befanden; es kann sich also um allochthones (eingeschwemmtes) Material handeln. Die Stratigraphie und das abgeleitete Alter (über die geologische Zeitskala) ergeben sich aus den überlagernden, marinen (!) Sedimenten, einer definierten Conodonten-Zone des Grenzbereichs Frasnium/Famennium; der Übergang sei kontinuierlich; es liegt also keine unmittelbare Altersbestimmung von z. B. vulkanischem Material (Zirkone) vor. 4 „The fossilised trunk obtained from Xinjiang was huge and perfectly preserved in glassy silica as a result of volcanic sediments, allowing us to observe every single cell of the plant.” (http://www.cardiff.ac.uk/news/view/981090-worlds-oldest-and-most-complex-trees) „Thanks to volcanic sediments, tiny grains of silica were able to penetrate deep into the trees’ tissues, preserving their structure on a cellular level — and allowing scientists to study it in unprecedented detail.“ (http://www.latimes.com/science/sciencenow/la-sci-sn-oldest-trees-forest-20171023-story.html) 5 „The tree simultaneously ripped its skeleton apart and collapsed under its own weight while staying alive and growing upwards and outwards to become the dominant plant of its day.“ (http://www.telegraph.co.uk/news/2017/10/23/ancient-tree-tore-apart-regrow-complicated-ever-found/). „In order to expand this trunk, all those interconnections have to slowly rip apart in order to accommodate the growth of the plant — and that was what we saw in the specimen,” Berry said. “As they were being pulled apart to make the tree bigger, they were also repairing themselves at the same time.” (http://www.latimes.com/science/sciencenow/la-sci-sn-oldest-trees-forest-20171023-story.html) 6 http://www.latimes.com/science/sciencenow/la-sci-sn-oldest-trees-forest-20171023-story.html Autor dieser News: Reinhard Junker
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