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19.02.21 Leben auf der Venus – doch nur eine leere Sensationsmeldung?Gelegentliche Meldungen, es gäbe gute Hinweise auf außerirdisches Leben. werden medial euphorisch verbreitet. Im vergangenen Herbst wurde behauptet, es könnte Leben auf der Venus geben, obwohl der Planet aufgrund seiner extremen Atmosphärenbedingungen wohl kaum als habitabel (=lebenstauglich) gelten könnte. Interessanterweise musste die wissenschaftliche Gruppe, auf die diese Meldung zurückgeht, vor Kurzem die Interpretation ihrer Befunde deutlich korrigieren – ein mediales Echo blieb hier jedoch aus. Der Nachweis von Lebewesen auf einem anderen Planeten – das wäre nicht nur eine Sensation, sondern auch eine Bestätigung der Erwartung vieler Astrobiologen. Ausgehend von der evolutionstheoretischen Annahme, dass Leben durch bloße physikalisch-chemische Vorgänge entstehen kann, äußerte Cairns-Smith vor etwa vierzig Jahren folgende Annahme: „Andere, möglicherweise einfachere und bessere [Lebens]systeme könnten irgendwo anders evolviert sein.“ Andere Forscher wie etwa Steven Benner bemühten sich darum, vorherzusagen, welche molekularen Spuren von außerirdischem Leben künftig gefunden werden könnten (Benner 2002). In einigen Veröffentlichungen und auf Konferenzen wurde darüber spekuliert, wie die Biochemie von Aliens aussehen könnte. Kurzum, die Erwartungshaltung, Leben auf anderen Planeten zu finden, ist ausgehend von evolutionstheoretischen Überlegungen hoch. Daher ist es nicht überraschend, dass selbst unsichere Hinweise auf Lebewesen auf anderen Planeten sehr euphorisch aufgenommen und eilig verbreitet werden. So wurde im vergangenen Jahr gemeldet, eine Forschergruppe habe Proteine in einem Meteoriten nachgewiesen (McGeoch et al. 2020; Crane 2020). Bei näherer Betrachtung erwies sich der Befund jedoch als pure Spekulation auf einer äußerst dünnen Datenbasis (Schmidtgall 2020). Deutlich mehr Aufsehen erregte eine andere Meldung: Im September vergangenen Jahres wurde in vielen Zeitungen, Onlineportalen und Nachrichtensendungen überraschend behauptet, es gäbe möglicherweise Leben auf der Venus. Schlagzeilen wie „Hinweise auf Leben in der Venus-Atmosphäre versetzen Forschern einen ‚Schock‘“ (stern.de) waren keine Seltenheit. In einem ZDF-Video vom 14. 9. 2020 sagt die deutsche Astrophysikerin Dr. Suzanna Randall sogar: „Auf der Venus könnte es über 3 Milliarden Jahre lebensfreundliche Bedingungen gegeben haben.“ Und weiter: „Die Hinweise auf Leben in der venusischen Atmosphäre verdichten sich. […] Aber das Monophosphan gibt den Ausschlag: Es könnte durchaus Leben auf der Venus geben.“ Das von Randall erwähnte Monophosphan (auch Phosphin genannt) ist eine chemische Verbindung, die dafür bekannt ist, dass sie auf der Erde entweder von Chemikern im Labor oder von Mikroorganismen erzeugt wird. Hingegen konnte die Entstehung von Phosphin bisher nicht durch geologische Ursachen erklärt werden, weswegen es als „Biosignaturgas“ bezeichnet wird – als Hinweis auf das Vorhandensein von Lebewesen. Nun behauptete im September 2020 eine Gruppe von Wissenschaftlern um Jane S. Greaves, Hinweise auf das für Menschen giftige Gas in der Venusatmosphäre erhalten zu haben. Sie beschrieben in einem Artikel in Nature Astronomy ein angeblich für Phosphin typisches, langwelliges Absorptionssignal, das mithilfe zweier hochempfindlicher Radioteleskope detektiert worden sei. Da es als gesichert gilt, dass Phosphin in der Venusatmosphäre relativ schnell durch oxidative Vorgänge (Reaktionen mit Sauerstoff) abgebaut würde, stellte sich unmittelbar die Frage nach der Quelle des Gases. Im Unterschied zu den Massenmedien waren die Wissenschaftler jedoch in ihrer Schlussfolgerung weit vorsichtiger: „Auch wenn es sich bestätigt hat, betonen wir, dass der Nachweis von PH3 (Phosphin) kein zuverlässiger Hinweis auf Leben ist, sondern auf eine ungewöhnliche und unerklärte Chemie“ (Greaves 2020a). Ungeachtet solcher mahnender Sätze löste die Publikation viele Spekulationen darüber aus, wie das Phosphin auf der heißen und von Schwefelsäure-Wolken umgebenen Venus entstanden sein könnte: Es wurden unter Berufung auf frühere hypothetische Überlegungen (Sousa-Silva 2020) Vermutungen angestellt, dass in einer Höhe von 40-60 km eine „habitable Zone“ existieren könnte, in der eventuell Mikroorganismen leben könnten, die Phosphin erzeugen. Doch so sensationell die Meldung von „möglichen Hinweisen auf Leben“ auf der Venus auch war, sie musste vor kurzem erheblich abgeschwächt werden. Zunächst übten andere Wissenschaftler scharfe Kritik an den Befunden von Greaves et al. Eine kritische Betrachtung der Befunde wurde von Villanueva et al. in Form eines Vorabdrucks veröffentlicht. Darin wurde in Frage gestellt, dass das Absorptionssignal von Phosphin sauber detektiert werden könne, da das sehr häufig auf der Venus vorkommende Schwefeldioxid ein sehr ähnliches Signal erzeugt. Die beiden Rotationsübergänge (spektralen Signaturen) lägen so nah beieinander (Phosphin PH3 (J=1-0): 266.944513 GHz, Schwefeldioxid SO2 (J = 309,21-318,24): 266.943329 GHz), dass eine spektroskopische Trennung der beiden Signale nicht möglich sei. Des Weiteren wurde angeführt, dass Abweichungen in der Form der spektroskopisch beobachteten Linien zu groß seien, als dass eine sichere Unterscheidung der beiden Gase anhand der Detektionsmethoden möglich sei. Kritik wurde auch von einer Forschergruppe um Therese Encrenaz geäußert, die schon im Jahr 2015 versucht hatte, Phosphin in der Venusatmosphäre nachzuweisen. Die Forscher bezweifelten ebenfalls, dass die Befunde von Greaves et al. einen sicheren Nachweis von Phosphin in der Venusatmosphäre bedeuten: „Jedenfalls bräuchte es unbedingt mindestens einen weiteren PH3-Übergang (d. h. ein weiteres Absorptionssignal) im Infrarot- oder Millimeter/Submilimeter-Bereich, um die Detektion von PH3 auf der Venus zu bestätigen.“ Kaum einem Menschen fällt es leicht, früher sicher vorgetragene Behauptungen zu entkräften oder sogar zurückzunehmen. Gerade Wissenschaftler neigen dazu, eigene Theorien mit großem Eifer zu verteidigen, selbst wenn die Indizienlage schlecht ist. Im Fall des angeblichen Phosphin-Nachweises war die Kritik verschiedener Experten jedoch so überwältigend, dass eine erneute Überprüfung der Befunde durch Greaves et al. unumgänglich war. Nun mussten sie jedoch in einer neueren Veröffentlichung zugeben, dass das Phosphin-Signal deutlich schwächer ist als zuvor angenommen (Greaves et al. 2020b). Sie schätzten die Phosphin-Konzentration nunmehr um den Faktor sieben kleiner ein als bei der ersten, euphorisch aufgenommenen Publikation. Ferner gestanden sie ein, dass es Fehler bei der Datenverarbeitung und -Interpretation gab und bezeichneten ihre Entdeckung von Phosphin in der Venus-Atmosphäre anderslautend als zuvor als „vorläufig“. Insgesamt wird also deutlich, dass die Schlussfolgerung, es gäbe ein „Biosignaturgas“ in der Venusatmosphäre und damit Hinweise auf irgendeine außerirdische Lebensform, eher spekulativen Charakters sind. Es ist jedoch bezeichnend, dass die Richtigstellung der sensationellen Meldung kein nennenswertes Echo in den Massenmedien auslöste. Meldungen, die Zweifel an evolutionstheoretischen Erwartungen auslösen, sind nun einmal unbeliebt. Literatur Cairns-Smith AG (1975) A case for an alien ancestry, Proc. R. Soc. Lond. B 189, 249-247. Encrenaz T et al. (2020) A stringent upper limit of the PH3 abundance at the cloud top of Venus, Astronomy & Astrophysics 643, L5. Greaves JS et al. (2020) a. Phosphine gas in the cloud decks of Venus. Nature Astronomy, https://doi.org/10.1038/s41550-020-1174-4; b. Re-analysis of Phosphine in Venus’ Clouds. arXiv:2011.08176. McGeoch MW et al. (2020) Hemolithin: a Meteoritic Protein containing Iron and Lithium, Crane L. (2020) Have we really found an alien protein inside a meteorite? Newscientist, https://www.newscientist.com/article/2235981-have-we-really-found-an-alien-protein-inside-a-meteorite/#ixzz6IZ0PeUUV Schmidtgall B (2020) Proteine in Meteoriten – heiße Spur außerirdischer Lebewesen? Studium Integrale Journal 27, 129-130. Sousa-Silva C et al. (2020) Phosphine as a Biosignature Gas in Exoplanet Atmospheres. Astrobiology 20, 235-268. Autor dieser News: Boris Schmidtgall
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