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03.12.21  Mammutzähne – die bisher älteste DNA identifiziert

Die Kenntnis des Erbguts eröffnet uns Zugänge zum Verständnis von Lebewesen, z. B. über ihren Stoffwechsel und auch ihre Anpassungsmöglichkeiten an sich ändernde Umweltsituationen. Dies ist von besonderem Interesse, wenn diese Organismen gegenwärtig nicht mehr beobachtbar sind und nur noch fossile Überreste zur Untersuchung zur Verfügung stehen. Die DNA von Mammuts ist hier ein gutes Beispiel, da von diesen Tieren in Permafrostböden immer wieder neue, gut erhaltene Fossilien zugänglich werden. Hier werden spektakuläre Ergebnisse aus Untersuchungen von Erbgut aus Molaren (=Backenzähne) von Mammuts vorgestellt.   

Nach dem Fossilbefund tauchen die ersten Mammuts in Afrika auf; die ältesten Fossilien in Äthiopien werden dem Ende Miozän/Anfang Pliozän (ca. 5 Millionen radiometrische Jahre) zugeordnet. Dort lebte gleichzeitig eine Vielzahl von Rüsseltieren (Proboscidea) (Sanders et al. 2010). Als ausgestorbene Eiszeitriesen genießen Mammuts eine gewisse Popularität, wie sie z. B. in der Filmreihe Ice Age zum Ausdruck kommt.1 Im auftauenden Permafrostboden Sibiriens wird seit Jahren häufiger von Funden von Überresten von Mammuts berichtet, typischerweise Skelettteile und Stoßzähne, seltener auch mit erhaltenen Weichteilen. So erregte ein 2007 von Rentierhirten aus dem Volk der Nenzen auf der Halbinsel Jamal (Nordwest Sibirien) entdecktes, erstaunlich gut erhaltenes weibliches Wollhaar-Mammutkalb (Fisher et al. 2012) öffentliches Aufsehen und befeuerte Hoffnungen, dass Mammuts wieder zum Leben erweckt und gezüchtet werden könnten.

Erste Genomanalysen von Mammuts

1994 veröffentlichten zwei Forscherteams um Svante Pääbo und Erika Hagelberg erstmals DNA-Sequenzdaten aus der mitochondrialen DNA aus Überresten von Mammuts, die im Permafrostboden von Sibirien entdeckt worden waren. Miller et al. (2008) publizierten einen erheblichen Anteil der DNA-Sequenz aus dem Genom eines Wollhaar-Mammuts. Die entsprechenden Proben stammen ebenfalls aus Sibirien und ihr Alter wurde aufgrund von C14-Datierung mit 18.545 ± 70 Jahren angegeben.

Eine spannende und herausfordernde Frage für die Forschung ist, wie lange Makromoleküle, in deren Struktur die genetische Information codiert ist (chemisch betrachtet Polynukleotide), in fossilen Überresten erhalten bleiben können, so dass man DNA-Sequenzen aus den Fragmenten bestimmen kann. Als bisher älteste fossile DNA gilt die von Orlando et al. (2013) aus einem fossilen Pferdeknochen gewonnene DNA. Dieser war aus dem Permafrostboden im Norden Kanadas geborgen worden und wird dem Mittleren Pleistozän zugeordnet. Aufgrund der Datierung einer entsprechenden Aschenlage und weiterer Beobachtungen geben die Autoren ein Alter von 560.000 bis 780.000 Jahre an. Zur Frage der Langzeitstabilität von DNA-Molekülen in Fossilien wird typischerweise die Arbeit von Allentoft et al. (2012) zitiert. Diese Autoren hatten für ihre Arbeit aus 158 fossilen Unterschenkelknochen des ausgestorbenen Laufvogels Moa in Neuseeland aus dem mittleren und späten Holozän DNA isoliert und analysiert. Die Proben wurden jeweils mittels C14 (kalibrierte Radiokarbon-Datierung) datiert und ergaben ein C14-Alter von 620 bis 7839 Jahre. Durch Korrelation von DNA-Konservierung und C14-Alter ermittelten Allentoft et al. eine Halbwertszeit für einen DNA-Abschnitt aus der mitochondrialen DNA (mtDNA) mit 242 Basenpaaren (bp) von 521 Jahren. Das beste mit den empirischen Daten übereinstimmende Modell der Autoren sagt voraus, dass bei Lagerungstemperaturen von 5 °C ein DNA-Fragment vom 30 bp eine Halbwertszeit von 20.000 Jahren hat und dass nach 10 000 Jahren mit Erbgutfragmenten mit einer durchschnittlichen Länge von 88 bp gerechnet werden kann.

DNA aus Mammutzähnen aus Permafrostböden

Van der Valk et al. (2021) haben nun Erbgut aus Mahlzähnen (Molaren) von Mammuts beschrieben, die in Nordostsibirien gefunden worden waren. Aufgrund der Fundumstände werden sie dem frühen bis mittleren Pleistozän zugeordnet und die Autoren geben für zwei der Zähne ein Alter von mehr als einer Million Jahre an.

Diese Arbeit ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass die vergleichende Genomanalyse als wertvolles Instrument für das Verständnis von Artbildungsprozessen etabliert ist. Nach den gängigen Vorstellungen der Entwicklung von Säugetieren und Vögeln wären dazu Genomdaten mit einem Alter von wenigstens einigen hunderttausend Jahren erforderlich.

Die von van der Valk et al. untersuchten Mammut-Molaren stammen aus der gut dokumentierten, fossilführenden Olyorian-Abfolge Nordostsibiriens. Diese ist biostratigraphisch durch Fossilien von Nagern datiert. Diese Schichten sind sowohl mit paläomagnetischen Umkehrungen als auch mit Faunenüberresten aus der östlichen Beringia verknüpft, und das  Alter der Letzteren wurde radiometrisch bestimmt. Die Autoren benannten die drei Molaren nach den Fundorten: Adycha, Chukochia und Krestovka.

Hinsichtlich der Altersangaben zu den drei Molaren nennen die Autoren für Krestovka, dass die Fundschicht auf 1,2–1,1 • 106 radiometrische Jahre (rJ) datiert sei. Dieser Mahlzahn weist eine Morphologie auf, die derjenigen des Steppenmammuts (Mammuthus trongontherii) ähnlich ist. Der Fundort von Adycha ist stratigraphisch weniger eindeutig, die Autoren geben 1,2–0,5 • 106 rJ an. Die Morphologie des Adycha-Molaren ähnelt der von Krestovka. Van der Valk et al. gehen aufgrund der Morphologie von einem Alter zwischen 1,2–1,0 • 106 rJ aus. Bei dem Molar von Chukochia könnte es sich morphologisch um den Mahlzahn einer frühen Form des Wollhaarmammuts (M. primigenius) handeln. Der Fundort deutet auf ein Alter von 0,8–0,5 • 106 rJ hin.

Die aus diesen Molaren isolierten und sequenzierten DNA-Fragmente wurden anhand des Erbguts des afrikanischen (Loxodonta africana) und des mitochondrialen Genoms des asiatischen Elefanten (Elephas maximus) angeordnet. Die mitochondrialen Genome konnten jeweils komplett erhalten werden, während vom Kerngenom 49 • 106 bp (Krestovka) bzw. 884 • 106 bp (Adycha) und 3,67 • 106 bp (Chukochya) erhalten werden konnten.

Mit einem Modell einer molekularen Uhr (Bayesian molecular clock; geeicht mit C14-Daten und der Annahme, dass die Aufspaltung zwischen Afrikanischem Savannenelefant und Mammut 5,3 • 106 rJ zurückliegt) mit den Sequenzdaten der mitochondrialen DNA konnten Alter für die Molaren Krestovka (1,65 • 106 rJ), Adycha (1,34 • 106 rJ) und Chukochia (0,87 • 106 rJ) berechnet werden. Mit den Sequenzdaten der autosomalen DNA erhielten die Autoren für Adycha 1,28  • 106 rJ und für Chukochya 0,62 • 106 rJ. Van der Valk et al. sehen damit für die Molaren von Adycha und Chukochya die geologischen Altersangeben durch die molekularen Daten bestätigt. Die zu hohen Resultate der molekularen Uhr im Vergleich zu den geologischen Altersangaben für Krestovka könnten – so die Autoren – darin begründet sein, dass das Fossil im Verlauf seiner Lagerungsgeschichte aufgearbeitet worden ist und schließlich aus einer jüngeren geologischen Schicht geborgen wurde. Wichtig ist ihnen aber zu betonen, dass mit allen Methoden ein Alter von mehr als einer Million Jahre gefunden wurde.

Interpretation der Genomdaten

Im anderen Schwerpunkt der Arbeit richten van der Valk et al. (2021) ihr Augenmerk auf die stammesgeschichtliche (phylogenetische) Interpretation der erhaltenen Sequenzdaten. Die drei beschriebenen Genome (hier die DNA-Sequenzen der autosomalen DNA, also der Chromosomen mit Ausnahme der Geschlechtschromosomen) fallen aus dem Verteilungsbereich aller bekannten eurasischen Mammuts heraus. Die Tiere, deren Molaren in Adycha und Chukochya gefunden wurden, könnten einer Population angehört haben, aus denen die Wollhaar-Mammuts des späten Pleistozäns hervorgegangen sind. Das Prärie- oder Kolumbianische Mammut (M. columbi) erscheint aufgrund seiner Genomsequenz als ein möglicher Hybrid zwischen den Linien, zu denen Adycha und Chukochya gehörten (ca. 60 %) und einer davon unabhängigen, zu der Krestova gehörte (ca. 40 %).

Die Autoren suchten in den Sequenzdaten der früh- und mittelpleistozänen Mammutgenomen durch Vergleich mit spätpleistozänen Mammutgenomen nach Hinweisen auf Anpassungen an Änderungen im Ökosystem der Tiere, wie z.B. Kältetoleranz. Sie fanden, dass die genetischen Veränderungen, die zu Änderungen der Aminosäureabfolge in den Proteinen führen und damit veränderte Funktionen ermöglichen, zum weit überwiegenden Teil (85,2% und 88,7%) bereits in den ältesten Genomen vorlagen. Es scheint also, dass im Genom die Möglichkeiten zur Nutzung von Funktionen für  veränderte Lebensräume in den Tieren bereits zu einer Zeit vorgelegen haben, als die Notwendigkeit zur Anpassung noch gar nicht vorhanden war. Die Anpassungsmöglichkeit war also genetisch bereits angelegt. Dieser Befund passt durchaus zu der Vorstellung, dass Flexibilität von Lebewesen, die es ihnen erlaubt sich auf veränderte Lebensbedingungen einzustellen, sehr früh optional angelegt ist. Dies könnte z.B. bei der Erschaffung dieser Tiere erfolgt sein. 

Zusammenfassend zeigen van der Valk et al. (2021) in ihrer Studie, dass DNA-Sequenzen aus Fossilien überraschende Zusammenhänge aufzeigen können. So konnten sie durch Vergleich mit dem Erbgut jüngerer Mammuts aus dem Spätpleistozän und heute lebenden Elefanten Neues über deren mögliche verwandtschaftliche Beziehungen aufzeigen. Das Bemühen der Autoren, die Altersangaben der fossilen Molaren von mehr als einer Million Jahre gut abzusichern, zeigt allerdings auch, dass die angewandten Methoden nicht unabhängig voneinander sind, da alle letztlich auf radiometrische Zeitskalen bezogen sind (s. dazu auch Kotulla 2019). Wenn die Autoren feststellen, dass die isolierte DNA aus Fossilien des frühen und mittleren Pleistozäns im Vergleich zu solchen aus dem Spätpleistozän sehr viel stärker fragmentiert sind, so ist das ein deutlicher Hinweis, dass in den genannten Zeiträumen auch unter Bedingungen des Permafrosts der Zerfall des Erbguts feststellbar ist. Damit stellt sich die Frage, wie zuverlässig die durch radiometrische Datierung bestimmten Zeiträume wirklich sind. Auch wenn die Zahl der Arbeiten steigt, in denen genetische Information aus Fossilien präsentiert wird, so besteht nach wie vor eine gewisse Spannung zwischen dem empirischen Befund über die begrenzte chemische Stabilität von DNA und den dort präsentierten Altern der Fossilien. Letztere werden – auch dort wo unterschiedliche Methoden angewendet werden – letztlich immer von radiometrischen Messungen abgeleitet, die bisher nicht unabhängig davon validiert werden können.  

Anmerkung

1 Dies wird auch durch die Arbeit von Wooler et al. (2021) dokumentiert, in der anhand von Isotopen-Messungen im Stoßzahn eines Wollhaar-Mammutweibchens dessen Bewegungsmuster vor 17 000 rJ rekonstruiert worden ist.

Literatur

Callaway E (2021) Mammoth genomes shatter record for oldest ancient DNA. Nature 590, 537–538.

Fisher DC, Tikhonov AN, Kosintsev PA, Rountrey AN, Buigues B & van der Plicht J (2012) Anatomy, death, and preservation of a woolly mammoth  (Mammuthus primigenius) calf, Yamal Peninsula, northwest Siberia. Quat. Int. 255, 94–105.

Kotulla M (2019) Verkohlte Baumstämme in Tephra-Ablagerungen des Laacher-See-Vulkans: Neue Radiokarbon-Bestimmungen und ihre Altersinterpretation. https://wort-und-wissen.org/artikel/baumstaemme-tephra-radiokarbon-altersinterpretation/

Miller W et al. (2008) Sequencing the nuclear genome of the extinct woolly mammoth. Nature 456, 387–390.

Orlando L et al. (2013) Recalibrating Equus evolution using the genome sequence of an early Middle Pleistocene horse. Nature 499, 74–78.

Sanders WJ, Gheerbrant E, Harris JM, Saegusa H & Delmer C (2010) Proboscidea. In: Werdelin L & Sanders WJ (eds) Cenozoic Mammals of Africa. University of California Press, Berkeley/ London/ New York, S. 161–251.

van der Valk et al. (2021) Million-year old DNA sheds light of the genomic history of mammoth. Nature; doi.org/10.1038/s41586-021-03224-9

Wooler MJ et al. (2021) Lifetime mobility of an arctic woolly mammoth. Science 373, 806–808.

Autor dieser News: Harald Binder

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