07.07.23 Photosynthese – wie Biologie von Physik profitiert
Photosynthese nutzt möglicherweise Quantenphänomen: Die Bose-Einstein-Kondensation Organismen wie Bakterien, Algen und Pflanzen nutzen die Sonnenenergie, um ihre Biomasse aufzubauen. Dies erscheint uns geradezu selbstverständlich. Physikalische Phänomene wie Bose-Einstein-Kondensate hingegen gelten als exotisch. Kürzlich fanden Biophysiker heraus, dass es eine Verbindung zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Phänomenen geben könnte und ermöglichten so einen tiefen Einblick in die Energieübertragung in Bio-Molekülen und Materialien in einem Lichtsammelkomplex, wie er in grünen Schwefelbakterien auftritt. Die Bose-Einstein-Kondensation ist ein Quantenphänomen, bei dem eine große Anzahl von Bosonen (=Ein Teilchen mit ganzzahligem Eigendrehimpuls (Spin), z. B. Photonen.) gleichzeitig den Grundzustand (d. h. das niedrigste Energieniveau) eines Systems einnimmt. Im Jahr 1925 von dem Quantenphysiker Satyendra Nath Bose vorhergesagt, wurden Bose-Einstein-Kondensate 70 Jahre später von Weimann, Cornell und Ketterle experimentell festgestellt, eine Entdeckung, wofür sie 2001 den Nobelpreis erhielten (Schwarz 2019). Bose-Einstein-Kondensate, die auch als fünfter Zustand der Materie bezeichnet werden (neben fest, flüssig, gasförmig und plasmatisch), entstehen, wenn Atome auf nahezu den absoluten Nullpunkt abgekühlt werden. Die offensichtlichste Eigenschaft eines Bose-Einstein-Kondensats ist, dass ein großer Teil seiner Teilchen denselben, nämlich den niedrigsten, Energiezustand einnimmt. Bei im Labor erzeugten Bose-Einstein-Kondensaten kann dies durch Messung der Geschwindigkeitsverteilung der Teilchen bestätigt werden. Es gibt auch die Bose-Einstein-Kondensation von Exzitonen (=Kombinationen aus einem Elektron und einem positiven Loch (ein leerer Elektronenzustand in einem Valenzband, das zuvor durch das Elektron besetzt wurde), das sich frei durch einen nichtmetallischen Kristall bewegen kann), wenn diese sich zu einem einzigen sog. kohärenten Quantenzustand, dem so genannten Exzitonenkondensat, verfestigen. Dieser Zustand ermöglicht einen verlustfreien Energietransfer, der jedoch typischerweise nur unter extremen Laborbedingungen in hoch geordneten Materialien stattfindet (Schouten 2023). Bei der Photosynthese wird mithilfe des Chlorophylls (=„Blattgrün“, einem Komplex aus Makromolekülen) Wasser und Kohlendioxid durch Lichtenergie in pflanzliche Stoffe (Kohlenhydrate) umgewandelt. Dazu muss die Lichtenergie nach der Absorption eines Photons im photosynthetischen Reaktionszentrum weitergeleitet werden. (Das photosynthetische Reaktionszentrum ist ein Komplex aus mehreren Proteinen, Pigmenten und anderen Co-Faktoren, die zusammen die primären Energieumwandlungsreaktionen der Photosynthese durchführen; die Stelle in den photosynthetischen Molekülen, an der Photonen gesammelt werden.) Das ist aber eigentlich ein Problem. Denn die Atome, aus denen die komplexen molekularen Maschinen der Photosynthese bestehen, verhalten sich wie ein dichter Wald. Wie aber kann die Energie jemals das photosynthetische Reaktionszentrum erreichen, wenn sie im „molekularen Wald“ immer wieder auf Atome prallt? Das wäre so, als würde man mit einem Jagdgewehr in den Wald schießen und hoffen, ein Ziel zu treffen, obwohl Bäume im Weg stehen. Doch den photosynthetischen Organismen gelingt es, das Sonnenlicht in Blätter, Stängel und Blüten umzuwandeln, als ob der atomare Wald nicht existierte. Wie machen sie das? Eine neue Studie der Universität Chicago, die am 28. April 2023 in der Zeitschrift PRX Energy veröffentlicht wurde, legt nahe, dass dies durch ein Exzitonenkondensat ermöglicht wird, das dem unter extremen Bedingungen im Labor gefundenen sehr ähnlich ist. Es ermöglicht einen physikalischen Prozess, analog zu Supraleitung und Suprafluidität, der es der Energie ermöglicht, verlustlos durch ein Material zu fließen. Bildhaft gemäß dem obigen Gleichnis: Die Gewehrkugel kann Bäume durchdringen, ohne dabei Energie zu verlieren. Dass Pflanzen vermutlich einen sehr ähnlichen Mechanismus wie bei der Bose-Einstein-Kondensation nutzen, war unerwartet und hat großes wissenschaftliches Interesse geweckt – denn was Wissenschaftler im Labor nur bei Temperaturen um den absoluten Nullpunkt erreichen können, leisten Pflanzen offenbar bei Raumtemperatur. Einer der leitenden Forscher, Prof. David Mazziotti, kommentierte: „Soweit wir wissen, waren diese Bereiche noch nie miteinander verbunden, daher fanden wir dies sehr interessant und aufregend“ (Lerner 2023). Und Anna Schouten, eine der Mitautorinnen, erklärt: „Die photosynthetische Lichtsammlung findet in einem [biologischen] System bei Raumtemperatur statt, dessen Struktur zudem ungeordnet ist – ganz im Gegensatz zu den ursprünglichen kristallisierten Materialien und den kalten Temperaturen, die man zur Herstellung von Exzitonenkondensaten verwendet“ (Lerner 2023). Die beobachteten Kondensate sind zwar nicht so perfekt wie unter extremen Laborbedingungen, aber die Effizienz der Energieübertragung im photosynthetischen System wird fast verdoppelt (Schouten 2023). Aber wie sind die Forscher zu dieser Entdeckung gekommen, da es keine Möglichkeit gibt, diese atomaren Wechselwirkungen mit bloßem Auge oder mithilfe von Mikroskopen zu sehen? Mazziottis Labor hat sich auf die Erforschung komplizierter atomarer und molekularer Wechselwirkungen mit Hilfe hochentwickelter Computermodelle spezialisiert, die ihnen einen Einblick in das zugrunde liegende Verhalten der Teilchen geben. In der Studie wollten sie herausfinden, was auf molekularer Ebene bei der Photosynthese passiert. Wenn ein Photon von der Sonne auf ein Blatt trifft, löst es eine Veränderung in einem speziellen Molekül aus, dem so genannten Chromophor. Chromophore sind lichtabsorbierende Moleküle, die in der Regel an eine Proteinstruktur gebunden sind, die sie an Ort und Stelle hält. Die in dem Photon gebundene Energie regt ein Elektron des Chromophors an, wobei ein „Loch“ in dem Chromophor entsteht. Das Elektron und das „Loch“ können nun durch das Blatt wandern und die Energie des Photons zu einem anderen Bereich befördern. Dieses wandernde Elektronen-Loch-Paar wird als „Exziton“ bezeichnet. Als das Team um Mazziotti eine Gesamtübersicht erstellte und modellierte, wie sich mehrere Exzitonen bewegen, fiel ihnen etwas Merkwürdiges auf. Sie sahen Muster in den Bahnen der Exzitonen, die bemerkenswert vertraut aussahen (Lerner 2023). Was die Forscher beobachteten, entsprach weitgehend dem Verhalten eines Materials, das als das bereits erwähnte Bose-Einstein-Kondensat bekannt ist. Die von den Lichtphotonen erzeugten Exzitonen verbinden sich zu einem einzigen Quantenzustand – ähnlich wie die Geiger in einem Orchester, die alle einen Ton perfekt gestimmt spielen. Im Quantenuniversum der Teilchenphysik kann sich die Energie so ohne Reibung durch das Material bewegen. Dieses Phänomen des energetisch verlustfreien Transports hat viel Aufmerksamkeit erregt, da es für hochempfindliche elektronische Geräte und Supercomputer interessant ist. Es ist möglich, dass diese Entdeckungen bei photosynthetisierenden Bakterien, die bei Raumtemperatur arbeiten, neue Möglichkeiten für die Erzeugung synthetischer Materialien für zukünftige Technologien eröffnen. Im Labor ist ein perfektes ideales Exzitonenkondensat empfindlich und erfordert eine Menge spezieller Bedingungen. Systeme, die mit solchen in der Natur vorkommenden Materialien gebaut werden und bei Raumtemperatur das Gleiche tun, öffnen die Tür zu realistischeren technologischen Anwendungen. Somit könnte das ausgefeilte Design in der Natur wieder einmal als Vorbild für die Verbesserung der Technologie dienen – mit Anwendungen von Solarzellen bis hin zu Computern. In dem Artikel wird nicht darüber spekuliert, wie diese „einfachen“ Schwefelbakterien den effizienten Energietransport „erfunden“ haben. „Die Evolution war es“, wird normalerweise geantwortet, um alles zu „erklären“, was in der Natur beobachtet wird, doch passt dies hier offensichtlich nicht. Quellen Lerner L (2023) Scientists find link between photosynthesis and 'fifth state of matter'. https://phys.org/news/2023-05-scientists-link-photosynthesis-state.html Schouten AO et al. (2023) Exciton-Condensate-Like Amplification of Energy Transport in Light Harvesting. PRX Energy 2, 023002, https://journals.aps.org/prxenergy/abstract/10.1103/PRXEnergy.2.023002 Schwartz M (2019) Statistical Mechanics. https://scholar.harvard.edu/files/schwartz/files/12-bec.pdf Autor dieser News: Peter Borger Informationen über den Autor
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