28.05.24 Evolutionärer Stillstand bei „lebenden Fossilien“ auch auf molekularer Ebene
In der Fossilüberlieferung ist evolutionäre Stasis – definiert als die Situation, in der Arten über geologisch lange Zeiträume ohne nennenswerte Veränderung fortbestehen – weit verbreitet. Obwohl Organismen, die im Körperbau eine evolutionäre Stasis aufweisen, oft als lebende Fossilien bezeichnet werden, sind die Ursachen, die für die Langsamkeit der morphologischen Veränderungen verantwortlich sind, bisher unklar. Neue molekulargenetische Forschungen zeigen, dass unter den lebenden Fossilien die Knochenhechte die niedrigsten Veränderungsraten im Erbgut aufweisen, was nur mit einem hocheffizienten DNA-Reparaturapparat erklärt werden könnte. Peter Borger & Benjamin Scholl Evolution ist definiert als Veränderung der vererbten Merkmale einer Population über aufeinanderfolgende Generationen hinweg (Forbes 2010). Evolutionsbiologen betonen immer wieder, dass diese Veränderungen nicht auf ein Ziel ausgerichtet sind, sondern ungerichtet erfolgen. Die zufällig am besten angepassten Individuen bleiben durch die natürliche Selektion (Auslese) erhalten und geben ihre genetischen Merkmale an die nächste Generation weiter. Dennoch haben sich viele Arten, die wir aus dem Fossilbericht kennen, in ihrem äußeren, anatomischen bzw. phänotypischen Erscheinungsbild überhaupt nicht oder nur geringfügig verändert, obwohl aus evolutionärer Perspektive in der Regel von einer massiven Veränderung der Umwelt im Verlauf von vielen Jahrmillionen auszugehen ist. Ein auffälliges Beispiel ist der Pfeilschwanzkrebs (Limulus).[1] Pfeilschwanzkrebse gelten als lebende Fossilien, weil sie über viele geologische Horizonte hinweg, die auf Millionen radiometrischen Jahren (MrJ) datiert werden, im Wesentlichen unverändert existieren. Eigentlich handelt es sich bei diesen Tieren, die an den Ostküsten der USA leben, nicht um Krebstiere, sondern um Chelicerata (Kieferklauenträger), zu denen auch die Spinnen gehören. Urzeitkrebse (Triops) hingegen sind Krebstiere. Sie sollen sich sogar auf Art-Ebene seit über 200 MrJ nicht verändert haben (Obertrias: Norium: 227–209 MrJ).[2] Damit sind Triopse die Rekordhalter in morphologischer Stasis, d. h. hinsichtlich eines Fehlens anatomischer Veränderungen im Laufe der Zeit. Andere Organismen, die lange Zeit nur von Fossilien bekannt waren, wurden in jüngerer Zeit lebend und weitgehend unverändert wiederentdeckt. Zum Beispiel werden die ältesten bekannten Fossilien aus der Klasse der Quastenflosser auf über 410 MrJ datiert.[3] Die heutige Familie der Quastenflosser (Latimeriidae) hat fossile Vorfahren, deren Alter mit mindestens 241 MrJ angegeben wird; die Ordnung der Coelacanthiformes (Quastenflosserartige) wird mit 388–383 MrJ noch älter datiert (vgl. Mondéjar Fernández et al. 2022, 1f+12; Zhu et al. 2012, 2, Fig. 1+5+7; Cavin et al. 2017, Fig. 3; Johanson et al. 2006, 443; Cloutier 1996, 228). Man ging aus evolutionstheoretischer Perspektive davon aus, dass diese Fische in der späten Kreidezeit vor grob 66 MrJ ausgestorben sind, doch im Jahr 1938 wurden vor der Küste des südlichen Ostafrikas lebende Quastenflosser entdeckt. Später wurde eine weitere Population in Indonesien gefunden. Abb. 455 Foreyia maxkuhni ist ca. 241 MrJ alt und stammt aus derselben Familie wie der heutige Quastenflosser (Latimeria). (Wikimedia: Cavin et al. 2017, CC BY 4.0; sybarite48 - Uploaded by FunkMonk, CC BY 2.0) Auch die Brückenechse (Sphenodon) ist ein „lebendes Fossil“ – zwar ist die Gattung erst seit ca. 15 MrJ fossil bekannt, aber Familienmitgliedern wie Cynosphenodon wurde ein Alter von ca. 185–190 MrJ zugeschrieben (Evans & Jones 2010, Fig. 2.1).[4] Das älteste fossile Mitglied aus der Ordnung der Rhynchocephalia („Schnabelköpfe“) stammt aus Deutschland (Vellberg) und wurde auf 238–240 MrJ datiert (Jones et al. 2013). Auch ein Mitglied derselben Unterfamilie (Sphenofontis) wie die heutige Brückenechsestammt aus Deutschland – und zwar aus dem Oberjura (mind. 145 MrJ) in Solnhofen (Vella et al. 2021). Abb. 456 Sphenofontis aus dem Oberjura in Deutschland stammt aus derselben Unterfamilie wie die heutige Brückenechse aus Neuseeland. (Wikimedia: Sid Mosdell, CC BY 2.0; Andrea Villa et al. - https://peerj.com/articles/11363/ Sphenofontis velserae gen. et sp. nov., a new rhynchocephalian from the Late Jurassic of Brunn (Solnhofen Archipelago, southern Germany). PeerJ, CC BY 4.0) Wenn sich Organismen im Laufe der Zeit also nicht stark verändern, sondern (aus evolutionärer Sicht) über viele Jahrmillionen anatomisch stabil bleiben, spricht man von „evolutionärer Stasis“. In einer kürzlich erschienenen Arbeit von Brownstein et al. (2024) wurden die Ursachen der evolutionären Stasis anhand von genetischen Daten (1.105 Exons) von 481 Wirbeltierarten untersucht, darunter Knochenhechte und Störe, zwei Gruppen, die als lebende Fossilien gelten. Die Ergebnisse sind durchaus überraschend. Lebende Fossilien im molekularen Bereich
Obwohl es heute zwei Gattungen von Knochenhechten gibt, zeichnen sich diese durch ihre geringe anatomische Variation aus (Brownstein et al. 2024). Die Gesamtmorphologie und -struktur dieser Fische hat sich, legt man Evolution zugrunde, seit über 100 MrJ nicht wesentlich verändert: „Die frühesten fossilen Knochenhechte aus dem Jura sind nahezu identisch mit lebenden Arten (Brito et al., 2017), und erkennbare Mitglieder lebender Gattungen tauchen bereits in der mittleren Kreidezeit im Fossilbericht auf (Brownstein et al., 2023; Grande, 2010)“ (Brownstein et al. 2024).[5] Brownstein et al. (2024) berichten außerdem, dass der Gemeine Knochenhecht (Lepidosteida osseus) und der Alligatorhecht (Attractosteus spatula) sogar in ihrem natürlichen Lebensraum in der Lage sind, miteinander fruchtbare Nachkommen zu erzeugen, die ihrerseits mit den Elternarten kreuzbar sind. Das ist insofern von Bedeutung, da man in der evolutionären Perspektive davon ausgeht, dass die beiden Knochenhecht-Gattungen seit 105 MrJ getrennt sind. Abb. 457 Obaichthys decoratus aus der Unterkreide und der heutige Alligatorhecht (Atractosteus spatula) gehören zu derselben Familie der Knochenhechte, die fossil seit ca. 157 MrJ bekannt ist (vgl. Brito et al. 2017, 1f). (Wikimedia: CC0; Greg Hume, CC BY-SA 4.0) Die beiden heutigen Knochenhecht-Gattungen haben sich also genetisch kaum auseinanderentwickelt, obwohl eine so lange Zeitperiode seit ihrer Trennung vergangen sein soll. Die Fähigkeit, gemeinsam Nachkommen zu erzeugen, erlaubt es darüber hinaus, die heutigen Knochenhechte alle zu einem Grundtyp (Schöpfungseinheit) zuzuordnen (bzw. strenggenommen sogar zu einer biologischen Art gemäß der Definition des Evolutionsbiologen Ernst Mayr). Die Autoren um Brownstein (2024) führten genetische Analysen an beiden Knochenhecht-Gattungen durch. Ihre Studie zeigt, dass diese „lebenden Fossilien“ die niedrigsten molekularen Substitutionsraten bei proteincodierenden Genen unter allen kiefertragenden Wirbeltieren aufweisen (vorausgesetzt die genannten evolutionären Divergenzzeiten sind korrekt) – und zwar um 0,5 bis 3 Größenordnungen weniger im Vergleich zu anderen untersuchten Wirbeltieren. Die größte Überraschung ist jedoch, dass die sogenannten vierfach degenerierten Stellen ebenfalls unverändert geblieben sind. Um zu verstehen, was eine vierfach degenerierte Stelle ist, müssen wir uns den genetischen Code genauer ansehen. Der genetische Code
Der genetische Code ist der Satz von Regeln, nach dem Informationen, die in der DNA codiert sind, von Zellen in Proteine übersetzt werden. Die vier DNA-Nukleotide (A, C, G und T) bilden durch Dreiergruppen insgesamt 64 unterschiedliche Kombinationen (wie z. B. AAA, AAC, AAG, AAT, usw.), bekannt als Tripletts oder Codons. Diese codieren die Bausteine der Proteine, die Aminosäuren, von denen prinzipiell 20 verschiedene in Lebewesen vorkommen. Abb. 458 Die Code-Sonne: Drei genetische Buchstaben (von innen nach außen gelesen) codieren für eine Aminosäure – bei manchen Aminosäuren (wie z. B. Glycin (G) oben links) ist aber egal, ob an der letzten Stelle ein U, C, A oder G steht, daher ist diese Stelle „vierfach degeneriert“. (Wikimedia: Mouagip, gemeinfrei) Darüber hinaus gibt es 3 Stopp-Codons, die das Ende der Proteinsynthese signalisieren. Es existieren also weit mehr Codons (64) als Aminosäuren (20), weshalb viele Aminosäuren durch verschiedene, unterschiedliche Tripletts codiert werden können. Daher wird der Proteincode als „degeneriert“ bezeichnet, was jedoch nicht auf einen Defekt hindeutet, sondern darauf hinweist, dass eine spezifische semantische Einheit (wie eine bestimmte Aminosäure) durch mehrere syntaktisch unterschiedliche Codons repräsentiert werden kann. Dies trifft auf 32 der 61 Codons zu, die für Aminosäuren codieren.[6] Eine Position gilt als vierfach degeneriert, wenn Mutationen an der dritten Position eines dreibuchstabigen Codons immer noch dieselbe Aminosäure spezifizieren. Ein Beispiel hierfür sind die Glycin-Codons (GGA, GGG, GGC, GGU), bei denen alle Nukleotid-Veränderungen an der dritten Position keine Änderung der Aminosäure bewirken. Dieses Prinzip gilt auch für die Aminosäuren Serin, Arginin, Leucin, Alanin, Prolin, Threonin und Valin. Wenn Mutationen an der dritten Position die Aminosäuresequenz eines Proteins nicht beeinflussen, nennt man diese Positionen auch neutrale Positionen. Im Allgemeinen wird angenommen, dass solche neutralen Positionen eine viel höhere Mutationsrate aufweisen, da keine Selektion an ihnen stattfindet. Keine Selektion, sondern perfekte DNA-Reparatur
Die Studie von Brownstein et al. (2024) ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Erstens können zwei Gattungen der Knochenhechte, die sich seit 105 MrJ (d. h. seit der Unterkreide) auf unterschiedlichen Evolutionspfaden befinden, in der Natur immer noch hybridisieren und fruchtbare Nachkommen zeugen.[7] Zweitens zeigen die Genome der beiden Gattungen trotz ihrer Fähigkeit, zu hybridisieren und fruchtbare Nachkommen zu erzeugen, keine Anzeichen einer alten Introgression (d. h. eines Genflusses zwischen den verschiedenen Arten). Dies bedeutet, dass es in freier Wildbahn keinen genetischen Austausch (durch Hybridisierung) gab. Drittens weisen sie eine außergewöhnlich niedrige Mutationsrate (sofern die evolutionären Divergenzzeiten stimmen) und keinen Unterschied zwischen neutralen und nicht-neutralen Positionen in der genetischen Codierung auf. Das ist sehr seltsam, denn 100 Millionen Jahre müssten längst ausreichen, um alle neutralen Positionen vollständig durch Mutationen ohne negativen Selektionswert zu ersetzen. Die Autoren fanden zudem normale Mutationsraten bei anderen „lebenden Fossilien“ wie Quastenflossern, Lungenfischen und Brückenechse (Sphenodon punctatus). Wie lässt sich das aus den paradoxen Befunden resultierende evolutionäre Rätsel auflösen? Warum gibt es bei Knochenhechten so gut wie gar keine genetische Evolution über die angenommenen mehr als 100 Millionen Jahre hinweg? Die Autoren vermuten, dass die Ursache für diesen extremen Evolutionsstillstand in sehr geringen Mutationsraten sowohl an selektiv eingeschränkten als auch an neutralen Stellen in den Exons dieser Fische zu finden sein könnte (Exons sind die DNA-Regionen, die tatsächlich in Aminosäuresequenzen umgesetzt werden). Dies lässt auf einen Mechanismus schließen, der unabhängig von äußeren Ursachen wie dem Fehlen von ökologischem Wettbewerb ist. Anders ausgedrückt: Die Darwin´sche Selektion kann hier wegen der vierfach degenerierten (neutralen) Stellen nicht geltend gemacht werden. Die Autoren spekulieren deshalb, dass extrinsische Faktoren eine Rolle für das Fortbestehen dieser Arten spielen könnten: Diese könnten Isolation (das meint hier die geografische sowie fortpflanzungsbezogene Trennung von Populationen) oder stabile Umweltbedingungen sein. Letzteres ist allerdings angesichts des Lebensraums der Fische in stark veränderlichen Lebensräumen wie Brackwasser und vor allem Flüssen über 100 MrJ hinweg kaum glaubwürdig. Zudem würden äußere Faktoren immer noch nicht erklären, warum es keinen Unterschied zwischen neutralen und nicht-neutralen Positionen in der genetischen Codierung hinsichtlich der Mutationsraten gibt. Man muss sich auch Folgendes vor Augen führen: Wie wahrscheinlich ist es, dass zwei Knochenfisch-Gattungen sympatrisch (d. h. mit überschneidenden Verbreitungsgebieten) in Nordamerika seit mindestens 55 MrJ nebeneinander existieren[8], aber so gut wie nie hybridisieren (zumindest gibt es keine Hinweise auf Genfluss) – und dann doch zufällig genau zu unseren Lebzeiten plötzlich damit beginnen? In Anbetracht so gewaltiger Zeiträume ist dieser Befund kaum zu erklären. Ebenso wie das fast völlige Fehlen von evolutionär bedingten Veränderungen in genetischer und morphologischer Hinsicht lässt sich das Fehlen genetischer Unterschiede leichter dadurch erklären, dass die entsprechenden Zeiträume tatsächlich nicht das Ausmaß von Millionen Jahren haben. Die vorgeschlagene Lösung der Autoren besteht nun darin, dass die DNA-Reparaturmechanismen bei Knochenhecht – und ebenso bei Stören – niedrige Raten von Mutationen im gesamten Genom begünstigen könnten. Allerdings würden extrem effiziente DNA-Reparaturmechanismen, wie sie in dem Artikel vorgeschlagen werden, Evolution bei diesen Spezies verhindern. Außerdem werfen solche hypothetischen, sehr effizienten Reparaturmechanismen die Frage auf, wie sie sich so extrem effizient entwickeln konnten und wie sie über Millionen von Jahren stabilisiert worden sind. Und dazu noch, warum dies bei den allermeisten anderen Arten anscheinend nicht der Fall ist. Könnte es sein, dass in dieser Argumentation die eigentlichen, natürlichen Verhältnisse auf den Kopf gestellt werden? Könnte vielleicht eine mögliche Deutung aus Schöpfungsperspektive darin bestehen, dass die bei anderen Organismen beobachteten höheren Mutationsraten eher auf degenerierte DNA-Reparaturmechanismen der ursprünglich laut Schöpfungsbericht in Genesis 1 „gut“ erschaffenen Arten zurückzuführen sind? Schließlich ist der Verlust von genetischer Information viel einfacher zu verstehen als deren Erwerb. Sind grundlegende Annahmen der Evolutionstheoretiker falsch?
In theoretischen Evolutionsmodellen über den Einfluss der Selektion auf DNA-Sequenzen wird angenommen, dass es neutrale Positionen im genetischen Code gibt (wie oben erwähnt). So wird das Verhältnis zwischen der Anzahl nicht-neutraler und neutraler Mutationen, das sogenannte Ka/Ks-Verhältnis (a = nicht-neutral, s = neutral) oft verwendet, um auf die Richtung und das Ausmaß der natürlichen Selektion zu schließen, die auf proteincodierende Gene wirkt. Ein Ka/Ks-Verhältnis von mehr als 1 bedeutet positive Selektion (die Veränderungen vorantreibt); weniger als 1 bedeutet reinigende oder stabilisierende Selektion (die Veränderungen entgegenwirkt); und ein Verhältnis von genau 1 bedeutet neutrale (d. h. keine) Selektion. Neuere Studien stellen jedoch dieses für die Evolution sehr wichtige Konzept in Frage, da mindestens in repräsentativen Hefegenen auch synonyme Mutationen (die in denselben Aminosäuren resultieren) meist eindeutig nicht-neutral sind (Shen et al. 2022) – vermutlich, weil die vermeintlich neutralen Positionen in anderer Hinsicht eine Rolle spielen. Die Ergebnisse von Brownstein et al. (2024) weisen nun ebenfalls darauf hin, dass Studien zur Bestimmung der Selektion anhand von vierfach degenerierten Positionen im genetischen Code falsch sein könnten. Man könnte nämlich daraus ableiten, dass proteincodierende Gene allein nicht die anatomische Variation der Organismen erklären können. Grundtyp und Artbildung
Im Kontext der Diskussion über Schöpfungslehre und biologische Vielfalt wird häufig der Begriff „Grundtyp“ verwendet. Er bezieht sich auf die Vorstellung, dass jede ursprüngliche Schöpfungsform – wie in der Bibel in Genesis 1 beschrieben – einen „Grundtyp“ darstellt, aus dem sich verschiedene biologische Arten entwickelt haben. Die Tatsache, dass es bei den Knochenhechten praktisch keine Selektion auf proteincodierende Gene gab, und dass es trotzdem mehrere Gattungen von Knochenhechten gibt, steht im Einklang mit dem Grundtypmodell. Denn es deutet auf einen im Genom vorprogrammierten Mechanismus der Artbildung ohne größeren Einfluss der natürlichen Selektion hin. In diesem Modell ist für die Entstehung neuer Arten keine neue genetische Information erforderlich, sondern nur eine Änderung der Ausprägung ihrer Anlagen (Borger 2018). Aus Sicht der Schöpfungslehre waren diese Anlagen von Beginn der Erschaffung der Grundtypen schon vorhanden. Ein solcher faszinierender Mechanismus im Genom, der es den Organismen ermöglicht, sich anzupassen und zu verändern, ohne dass es langer Zeiträume bedarf, sind die sogenannten springende genetische Elemente (Transposons). Die Nobelpreisträgerin des Jahres 1984 namens Barbara McClintock wies als erste darauf hin, dass im Mais Transposons vorkommen, die neue Varianten erzeugen, wenn sie an anderen Positionen in die DNA eingefügt werden (McClintock 1950). Inzwischen ist bekannt, dass Transposons eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Variation und Artbildung spielen (Borger 2023). Bei Säugetieren steht die Aktivität der transponierbaren Elemente sogar in positivem Zusammenhang mit der Geschwindigkeit der Artbildung (Ricci 2018). Zudem haben Transposons wichtige Funktionen bei einer Vielzahl von Verhaltensweisen und Lernprozessen (Treiber & Waddel 2020). Es ist denkbar, dass viele der durch Transposons regulierten Prozesse für die Artbildung eine wichtige Rolle spielen. Insbesondere Veränderungen im Verhalten könnten für Knochenhechte von Interesse sein, da der Gemeine Knochenhecht und der Alligatorhecht denselben natürlichen Lebensraum bewohnen und unterschiedliche Verhaltensweisen eine bestimmte Form der sympatrischen Artbildung ermöglichen können (Brownstein et al. 2024). Abb. 459 Die Aktivität springender Gene (Transposons) erzeugt Variation wie beispielsweise verschieden gefärbte Maiskörner im selben Maiskolben. (Wikimedia: Abrahami, CC BY-SA 3.0) Es gibt also gute Gründe dafür, dass die Transposonaktivität eine wichtige treibende Kraft für die Artbildung sein könnte (in Kombination mit Mendel’scher Artbildung durch Rekombination; s. Crompton [2019]). Ob dies auch für Knochenhechte gilt, ist bislang unerforscht. Das Wissen über Transposons im Genom der meisten Fischarten ist immer noch spärlich und bruchstückhaft, obwohl sie im Erbgut des Zebrafisches bereits vollständig kartiert sind (Chang et al. 2022). Ein vertieftes Verständnis von Transposons bezüglich ihrer Aktivität und Funktion könnte Aufschluss über die Prozesse geben, die zu Variation, Anpassung und Artbildung beim Grundtyp „Knochenhecht“ geführt haben. Literatur Borger P (2018) Darwin Revisited. Or how to understand biology in the 21st century. Scholars Press. ISBN: 978-620-2-31511-1 Borger P (2023) Mobile genetische Elemente: Genetische Quellen der Anpassungsfähigkeit. Stud. Integr. J. 31, 13–21. Brito PM, Alvarado-Ortega J & Meunier FJ (2017) Earliest known lepisosteoid extends the range of anatomically modern gars to the Late Jurassic. Sci. Rep. 7, 17830, https://doi.org/10.1038/s41598-017-17984-w. Brownstein CD, MacGuigan DJ, Kim D et al. (2024) The genomic signatures of evolutionary stasis. Evolution 78, 821–834, doi: 10.1093/evolut/qpae028. Cavin L et al. (2017) Heterochronic evolution explains novel body shape in a Triassic coelacanth from Switzerland. Sci. Rep. 7, 13695, https://doi.org/10.1038/s41598-017-13796-0. 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Seit dieser Zeit hat sich das Aussehen der Schwertschwänze kaum verändert (z. B. Psammolimulus - Trias, Mesolimulus - Jura). Vorfahren der Limuliden sind bereits aus dem Kambrium bekannt“ (Thenius 2007, 115). [2] Bei einer Vielzahl von Funden gelang eine eindeutige Zuordnung von Triopsfossilien aus dem Norium („Nor“; 227–209 MrJ): „Es war nicht möglich, irgendein Merkmal zu finden, durch das eine artliche Trennung der fossilen von der rezenten Form gerechtfertigt worden wäre (Trusheim 1937). Der einzige augenfällige Unterschied bestand in der insgesamt geringen Größe der fossil dokumentierten Kopfschilder“ (Kelber 1999, 384). „Fossilfunde […] dieser seit dem Ober-Karbon bekannten Krebse […] aus der Triaszeit sind von ihren rezenten Gegenstücken kaum verschieden und daher auch als Triops cancriformis minor, also nur als Unterart der rezenten Form […] beschrieben worden“ (Thenius 2007, 117). [3] Kleesattel (2001, 139) schreibt etwas vereinfachend: „Weiterhin sensationell ist die Tatsache, dass zwischen den ältesten fossilen Quastenflossern aus dem Mittleren Devon vor 400 Millionen Jahren und den rezenten Tieren kaum ein morphologischer Unterschied festzustellen ist. Ihr Bauplan hat sich also über Jahrmillionen nicht verändert.“ Ähnlich schreibt auch Thenius (2003, 104): „Das Aussehen von Latimeria chalumnae [dem heutigen Quastenflosser] entspricht weitgehend dem von Coelacanthus [heutige Ordnung Coelacanthiformes] aus der Permzeit [mind. 299 MrJ].“ [4] „Vergleiche mit Sphenodon zeigen, dass die grundlegenden Muster der Ontogenese des Unterkiefers und der Skelettarchitektur bei Sphenodon mindestens vor rund 190 Mio. J. entstanden sein könnten. In Kombination mit neueren Erkenntnissen deuten unsere Ergebnisse auf eine starke morphologische Stabilität und einen alten Ursprung des modernen Tuatara-Morphotyps [Körperbautyp der Brückenechse Sphenodon] hin” (Simões et al. 2022, 1). [5] „Ein Beispiel für die morphologische Stasis bei Knochenhechten sind fast identische Arten, die [evolutionär] mehr als 50 Millionen Jahre auseinander liegen“ (Brownstein et al. 2024). Und Kleesattel (2001, 122) ergänzt: „Als Lebende Fossilien besitzen die rezenten Knochenhechte Vorfahren, die seit der Ober-Kreide so gut wie nicht verändert sind.“ [6] Siehe auch diesen Artikel: van Dam J (2015) Enthält der genetische Code Hinweise auf Design? Stud. Integr. J. 22, 79–84, https://www.si-journal.de/index2.php?artikel=jg22/heft2/sij222.html. [7] Brownstein et al. (2024) betonen, wie außergewöhnlich dieser Fund ist: „Vor dieser Studie waren die ältesten abweichenden Linien, von denen bekannt war, dass sie in freier Wildbahn hybridisieren, Arten von Cystopteris-[Blasenfarnen] und Gymnocarpium-Farnen [Eichenfarnen], die zuletzt vor etwa 58 Millionen Jahren einen gemeinsamen Ursprung hatten (Rothfels et al., 2015).“ [8] „Obwohl sie seit mehr als 55 Millionen Jahren in Nordamerika koexistieren (Grande, 2010), hat die Hybridisierung keinen weit verbreiteten Genfluss zwischen Atractosteus- und Lepisosteus-Arten gefördert“ (Brownstein et al. 2024). Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen Informationen über den Autor
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