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03.04.06 Neuauflage der „Evolutionsbiologie“ von U. Kutschera wiederholt Irreführendes über EvolutionskritikerEnde März 2006 erschien die 2. Auflage von Ulrich Kutscheras „Evolutionsbiologie“. In „Wort und Wissen Info“ 3/01 war über die erste Auflage dieses Buches berichtet worden, dass es insofern besonders erwähnenswert sei, als sich zwei der 12 Kapitel mit „Kreationismus“ und Einwänden gegen die Evolutionstheorie befassen, was bis dahin mindestens im deutschsprachigen Raum für ein Lehrbuch ungewöhnlich war (http://www.wort-und-wissen.de/info/i01/3/i01-3.html#idx_4). In der Neuauflage finden sich diese beiden Kapitel wieder, einige Abschnitte davon sind (z. T. erheblich) erweitert worden. Ich hatte seinerzeit dem Autor als Stellungnahme den oben genannten Artikel aus „W+W-Info“ brieflich zugeschickt und zur Antwort u. a. erhalten, ein Dialog sei aus seiner Sicht sinnlos (Schreiben von U. Kutschera vom 26. 9. 2001 an mich). Offenbar hat Kutschera die im „W+W-Info“ zusammengestellten Kritikpunkte ignoriert, denn er wiederholt im Kapitel „Haupteinwände gegen die Evolutionstheorie und Gegenargumente“ seine von mir monierten fragwürdigen oder unwahren Behauptungen. Auf diese Praxis des Umganges mit Kritik soll in diesem Newsbeitrag eingegangen werden, indem die betreffenden Aussagen Kutscheras in der Neuauflage seiner „Evolutionsbiologie“ dem Text des o.g. „W+W-Info“-Beitrages gegenübergestellt werden. Auf Seite 231 (1. Auflage S. 197) wird als Ziel der Schöpfungsforschungs-Organisationen bezeichnet, „die Evolutionstheorie durch christlich-religiöse Dogmen zu ersetzen“ (in der 1. Auflage stand übrigens das Wort „Evolutionslehre“). Dagegen ist schon seit Beginn der Arbeit der Studiengemeinschaft Wort und Wissen immer wieder deutlich gemacht worden, dass es nicht um Dogmen gegen Wissenschaft geht, sondern darum, mit der Schöpfungslehre einen auch auf wissenschaftlichen Daten basierenden Konkurrenten gegen die Evolutionsanschauung zu etablieren. Als zweites Beispiel sei die Erwähnung eines Beitrags von Thomas Fritzsche in Studium Integrale Journal genannt, in welchem auf die berühmte Berechnung des Erdalters durch Bischof Ussher eingegangen wird (S. 246, 1. Auflage S. 210). Dieser Beitrag ist als wissenschafthistorischer Artikel klar erkennbar, dennoch tut Kutschera in seiner Erwähnung dieses Artikels so, als ob die Auffassung Usshers unverändert akzeptiert würde. Ein drittes Beispiel: Der Autor zitiert auf S. 247 (1. Auflage S. 212) aus Siegfried Scherers Buch über die Entstehung der Photosynthese eine Rechnung, wonach die Wahrscheinlichkeit, dass eine spezifische Abfolge von 100 Aminosäuren in einem Protein durch zufällige Aneinanderreihung der Aminosäuren bei etwa 1:10130 liege und kritisiert dies mit dem Hinweis, dass evolutionstheoretisch ja nicht angenommen werde, dass eine solche Abfolge in einem einzigen Schritt erreicht werden musste. Außerdem seien in der Evolution nicht von vornherein ganz bestimmte Abfolgen (spezifische Sequenzen) als Ziele vorgegeben gewesen, die dann zufälligerweise hätten erreicht werden müssen. Diese Kritik ist berechtigt. Doch es ist genau die Kritik, die Scherer in seinem Buch auch darlegt, um anschließend einen anderen Weg zu gehen. Kutschera hat Scherers Ausführungen erneut vollkommen verdreht zitiert; dies wiegt nun um so schwerer, da ich Herrn Kutschera auf diese Verdrehung hingewiesen hatte. Auf die differenzierte Argumentation zu Wahrscheinlichkeitsrechnungen im Photosynthese-Buch und in „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ (Kap. IV.7.4) geht Kutschera mit keiner Silbe ein. Dort wird erläutert, wie Wahrscheinlichkeiten unter evolutionstheoretischen Voraussetzungen korrekt berechnet werden müssen. Auf S. 252 (1. Auflage S. 222) will Kutschera den Lesern glauben machen, dass Evolutionskritiker nur Experimentalwissenschaft in der Biologie anerkennen würden und zitiert in diesem Zusammenhang aus dem 1. Kapitel unseres evolutionskritischen Lehrbuchs. Genau dort könnte er aber eine Sicht der Biologie finden, die ihre Vielschichtigkeit und Komplexität repräsentiert. Doch er macht sich nicht die Mühe, dies auch nur ansatzweise darzustellen. Weiter bringt der Autor als Argument von Evolutionsgegnern, kein Mensch habe „jemals mitverfolgt, wie eine neue Art entstanden ist“ (S. 255, 1. Auflage S. 224), dagegen seien doch Evolutionsvorgänge der experimentellen Analyse zugänglich. Richtig! - Und genau das ist auch ausführlich in „Evolution - ein kritisches Lehrbuch“ nachzulesen (http://www.wort-und-wissen.de/lehrbuch/main.html). Solche Fälle sind Mikroevolution (Grundtypvariation) und auch im Rahmen der Schöpfungslehre verstehbar (vgl. Genetisch polyvalente Stammformen von Grundtypen). Eine weiterer solcher „Strohmann" findet sich kurz danach auf S. 257 (1. Auflage S. 227), wo Evolutionskritikern die Behauptung unterstellt wird, Mutationen seien „grundsätzlich schädlich". Diese Behauptung findet sich nicht in unserem evolutionskritischen Lehrbuch, vielmehr werden dort Fälle vorteilhafter Mutationen besprochen. Die weitere Bemerkung, dass Mutationen niemals zu einer Neu- und Weiterentwicklung führen, ist dann aber korrekt (das ist auch eine wesentlich weiter gehende Aussage als nur „vorteilhaft“); doch die Gegenargumente, die Kutschera dazu bringt, sind Beispiele von Mikroevolution. Auf andere Gegenargumente Kutscheras gegen die vorgebrachte Evolutionskritik soll hier nicht eingegangen werden; das soll an anderer Stelle geschehen. Einem Großteil dieser Gegenargumente kann durch Verweis auf entsprechende Passagen des evolutionskritischen Lehrbuchs oder auf die Studium Integrale-Bücher der Studiengemeinschaft Wort und Wissen bzw. Studium Integrale Journal (http://www.wort-und-wissen.de/sij) begegnet werden. Soweit die Kritikpunkte, die vor viereinhalb Jahren bereits beispielhaft angemahnt worden waren. Abschließend soll auf eine besonders schwerwiegende Art der Verdrehung der Position von Junker & Scherer hingewiesen werden, die nur in der neuen Auflage von Kutscheras „Evolutionsbiologie“ enthalten ist. Kutschera schreibt auf S. 260 zunächst richtig, dass nach dem Grundtypenmodell der Schöpfungslehre genetisch polyvalente Stammformen als Vorfahren der Grundtypen existiert haben (vgl. dazu Genetisch polyvalente Stammformen von Grundtypen). Dies kommentiert er dann wie folgt: „Mit einer derartigen, der Naturwissenschaft Biologie entlehnten Terminologie werden die Leser des ‘Kritischen Lehrbuchs’ vorsätzlich getäuscht. Gemeint ist ein ‘vom biblischen Schöpfer (Designer) eingebautes Vermögen zur Variation (Speziation)’. Hier wird ein außerwissenschaftlicher Glaubenssatz in der Sprache der modernen Biowissenschaften dargeboten – eine äußerst fragwürdige Methode der Wissensvermittlung.“ – Getäuscht werden hier in Wirklichkeit die Leser der „Evolutionsbiologie“ von Kutschera. Denn sowohl in „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ als auch allgemein in der Arbeit der Studiengemeinschaft Wort und Wissen wird großer Wert auf die Unterscheidung von Glaubensebene und empirischer Ebene gelegt. Ob es polyvalente Stammformen der heutigen Arten gegeben haben könnte, ist allein anhand biologischer Daten zu diskutieren; das wird im kritischen Lehrbuch auch gemacht – und diese kritische Diskussion ist unabhängig von Evolutions- oder Schöpfungsanschauungen möglich. Die weitergehende Deutung polyvalenter Stammformen als ursprünglich geschaffene Arten steht dann aber im kritischen Lehrbuch unübersehbar unter der Überschrift „Grenzüberschreitung“. Diese differenzierte Darstellung verschweigt Kutschera seinen Lesern, und damit ist er es, der „täuscht“. Dass Kutschera im Satz „Gemeint ist ein ‘vom biblischen Schöpfer (Designer) eingebautes Vermögen zur Variation (Speziation)’“ einen Teil in Anführungszeichen setzt, suggeriert nach üblicher Gepflogenheit, es handle sich um ein wörtliches Zitat von Junker & Scherer, was aber nicht der Fall ist. Der Vorwurf der vorsätzlichen Täuschung, den Kutschera vorbringt, ist also sachlich falsch, jedoch geeignet, die Autoren des kritischen Lehrbuchs ins moralische und wissenschaftliche Abseits zu stellen. Dass dies nicht berechtigt ist, ist das Urteil vieler Leser, die sich der Mühe unterzogen haben, die Aussagen des kritischen Lehrbuchs im Originalkontext objektiv zu studieren. So sagt zum Beispiel Hans-Dieter Mutschler, Professor für Natur- und Technikphilosophie an der Hochschule Ignatianum in Krakau: „... dieses Lehrbuch aber ist methodisch nicht unsauber. Der größte Teil behandelt rein empirische Fragen. Davon deutlich abgehoben sind die letzten drei Kapitel mit der bezeichnenden Überschrift ‘Grenzüberschreitungen’“ (Hans-Dieter Mutschler: „Intelligent Design. Spricht die Evolution von Gott?“ Herder Korrespondenz Jg. 59, Heft 10/2005, S. 497-500). Autor dieser News: Reinhard Junker
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