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13.03.07 Kontroverse über Wissenschaft und „Intelligent Design“
Am 9. November 2006 veröffentlichte ich auf Einladung von Julio Lambing einen Gastbeitrag zum Thema „Sind Kreationismus und Intelligent Design ‘science stopper’?“ auf dessen Blog (http://axonas.twoday.net/stories/2912241/). Eine leicht überarbeitete und gekürzte Version findet sich unter Ist „Intelligent Design wissenschaftsfeindlich?“. Zum „axonas“-Artikel schrieb Martin Neukamm einen Kommentar (http://www.evolutionsbiologen.de/junker_axonas.pdf). Eine Analyse der Entgegnung zeigt, dass der Autor sich offensichtlich nur halbherzig mit den eigentlichen Inhalten meines Artikels auseinandersetzte und dass somit seine Kritik am aufgeworfenen Thema vorbei geht. Statt sich mit der Frage „Sind Kreationismus und Intelligent Design ‘science stopper’?“ zu befassen, geht Neukamm zunächst auf die (berechtigte) Frage ein, ob der Analogieschluss, der dem ID-Argument zugrundeliegt, gerechtfertigt sei. Das ist sicher eine wichtige Frage, die ich an anderer Stelle (Intelligent-Design) ausführlich diskutiere, aber das war hier nicht das Thema. Unerfreulich ist zudem, dass Neukamm so tut, als ob ich (und andere) nie auf diese Frage nach der Berechtigung des Analogieschlusses und auf die Gegenargumente gegen diesen Schluss eingegangen wären. In dieser Hinsicht war sein eigener Artikel zu diesem Thema in den „MIZ“ (http://www.evolutionsbiologen.de/miz304c.pdf) teilweise schon überholt, als er erschien. Es ergeht an dieser Stelle an den Autor der Wunsch, die Argumente gewissenhafter zur Kenntnis zu nehmen, welche im o. g. Genesisnet-Artikel diskutiert werden.
Im folgenden befasst sich Neukamm dann mit der Frage der Beweislast pro ID oder Makroevolution – ebenfalls eine berechtigte und spannende Frage. Aber auch das stand nicht im Fokus meines Artikels „Sind Kreationismus und Intelligent Design ‘science stopper’?“ Wenn Neukamm schon diese Probleme einbezieht, hätte er auch hier auf meine Ausführungen dazu eingehen müssen, die ebenfalls im oben erwähnten Artikel Intelligent-Design publiziert sind (siehe dazu auch die Ausführungen zu dieser Frage im Buch „Nur eine Illusion? Biologie und Design“ von Markus Rammerstorfer). Wenn mir resümierend vorgehalten wird „Über all dies liest man bei Junker aus nachvollziehbaren Gründen nichts“, dann hat Neukamm nur deshalb recht, weil ich dies (dem Anliegen des Artikels entsprechend) nicht zum Thema gemacht habe. Andererseits greifen seine Vorwürfe nicht, weil man über die von ihm aufgeworfenen Fragen an anderer Stelle einiges nachlesen kann.“
Erst auf Seite 3 kommt ein zarter Bezug zu meinem Thema, sogar vorsichtig zustimmend: „Die einzigen halbwegs nachvollziehbaren Argumente lauten, dass ID nicht zwangsläufig ‘Forschung verhindere’ und dass es ‘verfehlt wäre, in Ursprungsfragen nur die Suche nach natürlichen, durch Gesetze beschreibbare Ursachen zuzulassen’.“ Q. e. d. Dann kommt freilich ein Einwand: „Gewiss: Falls es einen Designer gäbe, hätte Junker Recht.“ Nein, ich hätte schon recht, wenn die Option „Planung“ offen gehalten werden muss und das ist unabhängig von der Frage nach der Existenz eines Designers. Neukamm weiter: „Es ist ihm aber nicht gelungen, plausibel zu erklären, welcher Sinn darin bestehen soll, transnaturale oder teleologische Wirkfaktoren, für deren Beschreibung und Erklärung keine Handhabe existiert, die sich jedweder Überprüfung – ja selbst der Forderung nach intersubjektiven Nachvollziehbarkeit – entziehen, in wissenschaftliche Theorien einzubauen.“ Stimmt, das ist mir nicht gelungen, ich habe es nicht einmal versucht und es ist nicht einmal meine Auffassung, dass teleologische Wirkfaktoren „in wissenschaftliche Theorien einzubauen“ seien. Vielmehr ging es um folgendes (um mich selbst zu zitieren): „In Ursprungsfragen ist es das Ziel, die Ursachen (welcher Art sie auch immer sind, natürlich oder willensgesteuert) für die beobachteten Phänomene herauszufinden.“ Und für willensgesteuerte Ursachen (sprich: Planung) gibt es Kennzeichen, die zu definieren sind (und auch definiert werden) und nach denen eine ergebnisoffene Wissenschaft suchen kann. Ich empfehle zur Vermeidung von Strohmannargumenten die nochmalige Lektüre des Abschnitts „Das Methodeninventar in der Ursprungsforschung“ meines „axonas“-Artikels. Dann erübrigen sich Sätze Neukamms wie die nachfolgenden: „Eine Wissenschaft, die den Anspruch erhebt, die tieferen Schichten der Wirklichkeit unvoreingenommen und so objektiv wie möglich zu rekonstruieren, kann sich nicht auf geglaubte Wahrheiten, die nur auf subjektiven ‘Erkenntnismethoden’, wie Intuition, Offenbarung und mystische Schau beruhen, noch auf teleologische Deutungen oder auf den Vorwurf stützen, der Naturalist könne etwas prinzipiell nicht erklären.“ So richtig diese Aussagen fast alle sind, es finden sich keine Passagen in meinem Text, die diese Urteile erforderlich machen. Ich habe nur dafür plädiert, die Option auf teleologische Deutungen offenzuhalten. Teleologische Deutung als Option bedeutet nicht den Einbau teleologischer Elemente in eine wissenschaftliche Theorie, sondern lediglich deren Beschränkung auf das tatsächlich wissenschaftlich Erklärbare und die Suche nach Kennzeichen von Planung.
Schließlich befasst sich Neukamm mit dem von mir thematisierten Vergleich von historischen Prozessen und gegenwärtigen Entitäten. Ich hatte behauptet, dass man Wie-Fragen von Woher-Fragen unterscheiden müsse. Mit „Wie“-Fragen meinte ich das Erforschen von Aufbau und Funktion biologischer Systeme (also „Wie funktioniert?“ / “Wie ist aufgebaut?“). Die Woher-Frage betrifft dagegen den einmaligen historischen Vorgang der Entstehung. Wie aus dem Kontext meines Artikels klar hervorgeht, sollte mit dieser Unterscheidung deutlich gemacht werden, dass das Offenhalten der Option „ID“ Forschung nicht blockiert, sondern im Gegenteil anregt. Denn Naturwissenschaften können direkt nur das „Wie“ im o. g. Sinne erforschen, das „Woher“ jedoch nur indirekt. Und um die Option „Planung“ für die Beantwortung des „Woher“ gut begründen zu können, muss möglichst viel über das „Wie“ herausgefunden werden. Weder die Erforschung des „Wie“ noch die des „Woher“ wird in irgendeiner Weise behindert oder gar verhindert – im Gegenteil: sie ist ergebnisoffener als eine auf den ontologischen Naturalismus festgelegte Forschung.
Als Fazit kann gezogen werden, dass der Kommentar von Neukamm das Grundanliegen meines Artikels – „Sind Kreationismus und Intelligent Design „science stopper“?“ – kaum berührt.
Unerfreulich auch, dass Neukamm mir Behauptungen unterstellt, die ich nicht vertrete. Er schreibt, ich würde den Versuch unternehmen, „Wissenschaft so zu definieren, als sei der Verweis auf transnaturale und teleologische Wirkfaktoren prinzipiell mit wissenschaftlichen Grundsätzen vereinbar, ja sogar erforderlich, will man sich nicht dem Vorwurf aussetzen, eine voreingenommene, dogmatisch-naturalistische Wissenschaft zu betreiben“ (Hervorhebung von mir). Nein – „erforderlich“ ist nur eine Offenheit dafür, dass es transnaturale Faktoren geben kann oder gegeben hat. Wer diese Offenheit kategorisch verneint, ist dogmatisch festgelegt, was ihm auch gerne zugestanden sei. Nur sollte man diese Dogmatik bitte nicht unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit verschleiern!
Eine grob falsche Behauptung muss abschließend noch korrigiert werden. Neukamm gibt vor zu wissen, ich würde die Evolutionstheorie „nicht etwa aufgrund eines rationalen Abwägeprozesses für unplausibel“ befinden. Wer das von mir mit herausgegebene Lehrbuch wirklich kennt, kann dies nicht behaupten. Bereits in dessen Vorwort wird gesagt: „Weithin unbekannte Deutungsprobleme und offene Fragen von Evolutionstheorien werden systematisch thematisiert. Sie haben nach unserer Auffassung ein so großes Gewicht, dass Makroevolution als nicht mehr hinterfragbare Leitvorstellung (...) ernsthaft geprüft und nicht als Tatsache vorausgesetzt werden sollte.“ Es sei daher in aller Klarheit gesagt: Ich halte die Evolutionstheorie aufgrund empirischer Daten insgesamt für unplausibel. Warum ich zu diesem Schluss komme, wird ausführlich in „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ mit naturwissenschaftlichen Daten und Argumenten begründet. Daraus wird auch deutlich, weshalb ich der folgenden Behauptung Neukamms nicht zustimme: „Nach heutigem Wissen sind alle notwendigen Komponenten für eine evolutionäre Erklärung vorhanden.“ Was er dazu nennt, erklärt jedoch nur Mikroevolution, wie in „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ mit ausschließlich naturwissenschaftlichen Argumenten gezeigt wird (vgl. dazu auch den Artikel „Was erklärt die Evolutionstheorie? Anfragen eines Kritikers“ (http://www.wort-und-wissen.de/artikel/a03/a03.html, PDF 2,6 MB). Wenn man die experimentell nachgewiesenen Mechanismen in die Vergangenheit extrapoliert (wie Neukamm empfiehlt), dann resultiert daraus nicht Makroevolution, sondern eine zunehmende Spezialisierung in die Sackgassen vorgegebener Entwicklungsmöglichkeiten.
Auf die Korrektur weiterer Unterstellungen verzichte ich an dieser Stelle. Ich empfehle es dem Leser, der meine tatsächliche Position verstehen will, meine oben genannten Artikel zur Sache lesen. Autor dieser News: Reinhard Junker Informationen über den Autor
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