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03.05.07 Vielbeachtete Umfrage zum Thema „Evolution“ unter StudienanfängernKürzlich wurden die Ergebnisse von zwei Umfragen unter 1228 Studienanfängern der Universität Dortmund veröffentlicht, in der sie zur Evolutionstheorie befragt wurden. Demnach zweifelt jeder achte daran, dass die Evolution so stattgefunden hat, wie sie allgemein gelehrt wird. Unter den angehenden Biologielehrern ist der Anteil mit 5,5% deutlich geringer. (Bei www.evolutionsbiologen.de/news werden diese 5% den „höheren Bildungsschichten“ zugerechnet, „wo wissenschaftsorientiertes Denken am stärksten verankert ist“.) Aber auch unter diesen lehnen 9 % ab, dass Mensch und Schimpanse gemeinsame Vorfahren besitzen. Die Umfrage fand ein lebhaftes Presseecho. Daraus sollen nachfolgend einige Statements zitiert und kommentiert werden. Die Zitate sind kursiv gedruckt, die Kommentare in Normalschrift. „Kaum eine Theorie ist in den Naturwissenschaften weniger umstritten als die Evolutionstheorie."1 Dies trifft offenkundig nicht zu. Hier muss differenziert werden: Innerhalb der Evolutionsbiologie gibt es kaum eine Theorie, die nicht umstritten ist. Das gilt sowohl für die Frage der Mechanismen als auch für die Rekonstruktionen der Abstammungszusammenhänge. Belege für diese Einschätzung finden sich in den einschlägigen Fachjournalen zuhauf. Als unumstritten gilt dagegen in der Fachwelt nur die vermeintliche „Tatsache" einer allgemeinen Evolution (Makroevolution). Was mit Biologen geschehen kann, die diesen Konsens in Frage stellten, konnte man in der Medienkampagne der letzten Jahre eindrucksvoll studieren. Konsens oder Konvention? „Die Evolutionstheorie ist wissenschaftlich so wohlbestätigt, wie es eine Theorie nur sein kann.“2 Was für den Fachmann selbstverständlich ist, klingt für den Laien eher überraschend: es gibt nicht die eine „Evolutionstheorie“ sondern eine große Anzahl verschiedener evolutionstheoretischer Ansätze, die miteinander in Konkurrenz stehen. Weiter sei der des Kreationismus gänzlich unverdächtige Evolutionsbiologe Olivier Rieppel (1989) aus „Unterwegs zum Anfang“ (Zürich, München, 1989, S. 18) zitiert: „Wird die Idee der Evolution, oder einer speziellen Evolutionstheorie wie jener Darwins, der Beobachtung vorausgestellt, so wird die Welt im Licht jener Theorie erscheinen. Die Theorie wird sich nie als falsch erweisen können, sondern stets mit der Beobachtung in Einklang stehen.“ Dazu kommt, dass Kritik an der allgemeinen Evolutionstheorie als Rahmentheorie als Ausdruck von Unkenntnis oder sogar Wissenschaftsfeindlichkeit gebrandmarkt wird (Darf die Evolutionstheorie im Biologieunterricht kritisch betrachtet werden?, Wie die Evolutionstheorie vor Kritik geschützt wird). Was kann vor diesem Hintergrund anderes als „wohlbestätigt" herauskommen? Zwar wird manchmal der Anschein erweckt, man sei offen für eine Widerlegung der Evolutionstheorie: „Und jedem, der einen stichhaltigen Beweis dafür liefern würde, dass Tier- und Pflanzenarten nicht im Zusammenspiel von genetischen Veränderungen und Umweltfaktoren stattgefunden hat – und stattfindet -, wäre der Nobelpreis sicher.“1 Die Realität sieht aber leider anders aus, wie der „Fall Sternberg" gezeigt hat (Der Fall des Richard Sternberg - Folgen der Veröffentlichung eines „ID“-Artikels). Eine Publikation, die explizit Evolution als Rahmentheorie in Frage stellt, hätte in einem angesehenen wissenschaftlichen Journal keine Chance. Das heißt nicht, dass Befunde, die de facto die Evolutionstheorie in Frage stellen, keine Chance auf Veröffentlichung haben! Doch im Sinne des obigen Zitats von O. Rieppel müssten sie im konventionellen evolutionstheoretischen Rahmen präsentiert werden. Dazu kommt aber noch ein grundsätzliches wissenschaftstheoretisches Problem: Ein einmaliger, historischer Vorgang kann nicht so stringent wissenschaftlich geprüft werden, dass eine eindeutige Widerlegung möglich wäre. Es kann nur Grade von Plausibilität geben. Daher ist folgende Aussage nicht verwunderlich:
„Widerlegen konnte sie [die Evolutionstheorie] jedoch noch niemand."1 Diese Problematik wird in http://www.wort-und-wissen.de/artikel/a02/a02.pdf (PDF, 1,9 MB) ausführlich diskutiert. „Doch während niemand auf die Idee kommt, ernsthaft gegen die Atomtheorie oder Quantenmechanik zu Felde zu ziehen,...“2 Das ist leicht zu verstehen: Gegen Makroevolution gibt es wissenschaftliche Argumente, gegen die Atomtheorie nicht. Wer Makroevolution kritisch hinterfragt, mag religiös motiviert sein – das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Einwände gegen Makroevolution naturwissenschaftlicher Art sind.
„Da sich die mangelnde Akzeptanz nicht durch die wissenschaftliche Faktenlage erklären lässt, suchen die Wissenschaftler nach anderen Ursachen.“1 Hier wird eine unhaltbare Schutzbehauptung präsentiert. Selbstverständlich ist die wissenschaftliche Faktenlage ein wichtiges Erklärungselement. In Wirklichkeit wird aber gerade dieser Aspekt der Auseinandersetzung – naturwissenschaftliche Argumente gegen Evolution – kaum wahrgenommen. Dies zeigt sich beispielhaft am Umgang mit dem evolutionskritischen Standardwerk „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“. Symptomatisch dazu eine Charakterisierung aus einem aktuellen Radiobeitrag des WDR 5 vom 20. 4. 2007: Der Kasseler Pflanzenphysiologe Prof. Dr. U. Kutschera wird wie folgt zitiert: „Es ist kein Lehrbuch, sondern eine Bewerbung kreationistischer Thesen. Biologische Fakten werden teilweise korrekt, aber zum Großteil völlig verdreht dargestellt. Viele Dinge werden einfach weg gelassen“ http://www.wdr5.de/sendungen/leonardo/manuskript/ms070420darwin_mini_v.pdf). Mit einer sachgemäßen Auseinandersetzung hat dies nichts zu tun. Siehe dazu auch http://www.wort-und-wissen.de/presse/main.php?n=Presse.P06-6 (Informationen zu „Evolution - ein kritisches Lehrbuch“) und http://www.wort-und-wissen.de/disk/d06/6/d06-6.html („Punkt für Punkt widerlegt“? Richtigstellungen von Behauptungen in Ulrich Kutscheras „Evolutionsbiologie“). Gerade angesichts des jüngst erschienenen Sammelbandes „Kreationismus in Deutschland" muss man feststellen, dass eine sachliche Auseinandersetzung mit den evolutionskritischen und wissenschaftstheoretischen Aussagen dieses Buches von den Autoren nicht gewollt ist. „Als Gründe für die Skepsis lässt sich das Erstarken wissenschaftskritischer und christlich-fundamentalistischer Strömungen anführen.“3 Ein Erstarken „wissenschaftskritischer und christlich-fundamentalistischer Strömungen“ in Deutschland wurde meines Wissens nie mit irgendwelchen vergleichenden Untersuchungen – geschweige denn konkreten Zahlen belegt. Hier wird vielmehr ein Klischee bemüht: das „Überschwappen“ von Strömungen aus den USA – was kann von dort schon Gutes kommen? Angesichts einer bei uns verbreiteten Amerika-Skepsis ein gleichermaßen billiges und wirkungsvolles Argumentationsmuster. „Inzwischen hat der Streit Europa erreicht, auch einige deutsche Schulen."3 Das Thema hat deutsche Schulen schon lange erreicht. Das wurde bisher nur nicht wahrgenommen. „‘Wir vermuten, dass das Thema im Unterricht nicht richtig vermittelt wird’, sagt Graf.“3 „Die Biologen wollen nun herausfinden, wie man die Evolutionsbiologie im Unterricht besser lehren kann.“1 Wer weiß: Vielleicht nimmt die Akzeptanz der Evolutionstheorie bei besserer Kenntnis wissenschaftlicher Fakten ab? Oder heißt „die Evolutionsbiologie im Unterricht ‘besser’ zu lehren“, sie so zu vermitteln, „dass möglichst wenig Schüler skeptisch werden“, wie Christoph Heilig auf seinem Blog fragt (http://evolution-schoepfung.blogspot.com/2007/04/das-bildungssystem-geht-mal-wieder.html)? Ein möglichst guter Biologieunterricht in Sachen Evolutionstheorie wird von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen ausdrücklich unterstützt (vgl. http://www.wort-und-wissen.de/presse/main.php?n=Presse.P05-2). Um der Wissenschaft willen gehört dazu aber auch eine kritische Betrachtung. Der Evolutionstheorie darf kein Sonderstatus als „nicht kritisierbar“ eingeräumt werden. Quellen 1 http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/576/111465/ 2 http://www.evolutionsbiologen.de/news 3 http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,479460,00.html Autor dieser News: Reinhard Junker
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