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Experten: Anomale Rotverschiebung |
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Inhalt
Seit über 30 Jahren wurden Beobachtungen gemacht, die dem Hubble-Gesetz zu widersprechen scheinen. Sie werden Phänomene anomaler Rotverschiebung genannt. In diesem Artikel werden entsprechende Belege vorgestellt und diskutiert. Zuerst werden statistische Argumente genannt, dann konkrete Beispiele von Konstellationen anomaler Rotverschiebung und schliesslich werden die Rotverschiebungsperiodizitäten besprochen. Es wird sich zeigen, dass es sich um eine Klasse von Phänomenen handelt, für die es gute Belege gibt, die aber im Rahmen des Standardmodells keine Erklärung finden. Wäre auch nur ein Teil der Ansprüche der Hypothese der anomalen Rotverschiebung zutreffend, wären im Standardmodell vermutlich grössere Modifikationen notwendig.
Was ist anomale Rotverschiebung?
Statistische Argumente
Konkrete Beispiele von individuellen Assoziationen
Rotverschiebungsperiodizitäten
Welche Einwände werden gegen die anomale Rotverschiebung vorgebracht?
Was können wir aus den anomalen Rotverschiebungen schließen?
Literatur
Weitere Fragen zu diesem Thema
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Was ist anomale Rotverschiebung?
Wie im Artikel über die (Rotverschiebung) dargelegt, gibt es zwischen der Rotverschiebung eines astronomischen Objekts (etwa einer Galaxie) und dessen Abstand zur Erde eine eindeutige Beziehung. Für nahe Objekte ist diese Beziehung linear und wird als Hubble-Gesetz bezeichnet. Die kosmologische Rotverschiebungs-Distanz-Relation gilt allgemein als sehr gut gesichert und wird heute kaum mehr hinterfragt. Gibt es aber auch Ausnahmen von diesem Gesetz?
Seit über 30 Jahren behaupten einige, teils namhafte Astronomen, markante Abweichungen vom Hubble-Gesetz entdeckt zu haben. Hin und wieder werden auch Periodizitäten in den Rotverschiebungswerten von Galaxien und anderen extragalaktischen (=außerhalb unserer Milchstraße) Objekten gefunden, die eine Deutung im Sinne des Hubble-Gesetzes als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Rotverschiebungsphänomene dieser Art werden als anomal bezeichnet. Die Ursache anomaler Rotverschiebung ist also nicht-kosmologischer Natur, d.h. sie kommt nicht durch die Ausdehnung des Universums zustande. Argumente für nicht-kosmologische Rotverschiebungen kommen aus drei Richtungen:
- Physikalische Assoziationen (=Verbindungen) zwischen Paaren oder kleinen Gruppen von Objekten mit sehr verschiedenen Rotverschiebungen.
- Statistische Untersuchungen mit dem Ergebnis, dass eine Objektklasse mit einer anderen in Beziehung zu setzen ist, obwohl sie völlig verschiedene Rotverschiebungen aufweisen.
- Periodische Häufungen in den gemessenen Werten der Rotverschiebung, die im Sinne des Standardmodells nicht verstanden werden können.
Anomale Rotverschiebungen tauchen zudem häufig im Zusammenhang mit Quasaren (QSO) auf (siehe Aktive Galaxien). QSO sind sternartige Lichtquellen mit sehr hoher Rotverschiebung und weisen häufig Radio- und Röntgenemission auf. Damit QSO trotz ihrer ungeheuren Distanz so hell erscheinen, müssen sie um einiges heller leuchten als gewöhnliche Galaxien. Ihre Helligkeit unterliegt teilweise starken Schwankungen. Das Auftreten von anomaler Rotverschiebung bei Quasaren ist besonders bemerkenswert, da die Natur der Quasare immer noch sehr schlecht verstanden ist. Im Folgenden werden verschiedene Belege für die anomale Rotverschiebung angeführt.
Statistische Argumente
Statistische Untersuchungen. Eine Möglichkeit, die Hypothese der anomalen Rotverschiebung zu testen, besteht in statistischen Untersuchungen. Durch diese kann gezeigt werden, dass möglicherweise eine physikalische Assoziation zwischen Objekten verschiedener Rotverschiebung besteht. Zahlreiche Untersuchungen innerhalb der letzten 30 Jahren haben auch tatsächlich ergeben, dass viele helle QSO offensichtlich näher zu Galaxien niedriger Rotverschiebung fallen als erwartet und mit ihnen offenbar assoziiert sind. Damit würden diese eine nicht-kosmologische Rotverschiebungskomponente aufweisen, die viel höher als der kosmologische Anteil ist. Als Beispiel soll die Untersuchung von Zhu & Chu (1995) nachgezeichnet werden: Die Autoren untersuchten die Autokorrelationsfunktion (=Wahrscheinlichkeit, Galaxien-QSO-Paare über den erwarteten Wert zu finden) bezüglich Galaxien des Virgo-Haufens und QSO aus dieser Richtung. Dabei zeigte sich, dass die 178 verwendeten QSO bezüglich einer Winkeltrennung von etwa 20 Bogenminuten offenbar näher zu Galaxien des Virgo-Haufens anstatt zu Hintergrundgalaxien fallen. Für diesen Effekt können weder Häufungen unter Galaxien, noch Selektionseffekte verantwortlich gemacht werden, wie die Autoren bemerken. Die Studie bestätigte aber einige ähnliche frühere Resultate. Insbesondere legt sie auch nahe, dass sich QSO offenbar bevorzugt um helle Galaxien häufen. Auf die Möglichkeit, ob Gravitationslinsen dafür verantwortlich gemacht werden können, wird später eingegangen.
Assoziationen individueller Quasare mit hellen Galaxien. Im Gegensatz zu Galaxien sind QSO seltene Objekte. Es sollte nicht erwartet werden, dass sich viele zufällige Konfigurationen zwischen QSO und Galaxien ergeben, bei denen sie sich besonders nahe kommen, selbst wenn alle ca. 10 000 bekannten, hellen Galaxien berücksichtigt werden. Trägt man nun alle bekannten Galaxien-QSO Paare zusammen, so findet man folgendes Resultat: Unter den hellen, nahen Galaxien (m (=Magnitude. Einheit für die scheinbare Helligkeit astronomischer Objekte. Weniger Magnituden bedeutet heller.) ≤ 15.5) findet man 44 Konfigurationen mit Trennungen von weniger als 3 Bogenminuten zwischen einem QSO und einer Galaxie. In vier Fällen sind sogar mehrere QSO mit ein und derselben Galaxie assoziiert. Da man nun alle hellen Galaxien kennt und gute Schätzungen für die Hintergrunddichte von QSO als Funktion der scheinbaren Helligkeit hat, lässt sich die Anzahl erwarteter Paare berechnen. Dazu wird angenommen, dass QSO gleichmässig über den Himmel verteilt sind, und es wird berücksichtigt, dass bisher nicht mehr als etwa 500 der hellen Galaxien auf nahe QSO untersucht wurden. Die erwartete Anzahl, die sich aus diesen Angaben berechnen lässt, liegt für QSO mit m ≤ 17.5 um einen Faktor 25 unter den tatsächlich registrierten Paaren. Für m ≤ 18.5 liegt der Faktor aufgrund der stark ansteigenden QSO-Dichte nur noch bei etwa 6, ist aber immer noch deutlich unter dem beobachteten Wert. Die bisher untersuchten Galaxien geben also einen deutliche Hinweis, dass Galaxien-QSO Paare viel häufiger gefunden werden als zufällig erwartet. (Burbidge 2001)
Konkrete Beispiele von individuellen Assoziationen
Im Folgenden sollen nun einzelne Beispiele von Konfigurationen anomaler Rotverschiebung angeführt werden. Es wird deutlich, dass häufig QSO oder andere aktive Galaxien wie beispielsweise Seyfert-Galaxien beteiligt sind.
NGC 7603. Das wohl zur Zeit eindrücklichste Beispiel anomaler Rotverschiebung tritt im Zusammenhang mit der Seyfert-Galaxie NGC 7603 auf (Abb. 112: NGC 7603 und Abb. 113: NGC 7603 (vergrössert)). NGC 7603 scheint durch ein leuchtendes Filament mit ihrem Begleiter NGC 7603B (Objekt 1) verbunden zu sein, der etwa den doppelten Rotverschiebungswert aufweist. In Abb. 113 ist zudem deutlich zu sehen, dass sich auch auf dem Filament noch zwei punktförmige Objekte befinden. Beide weisen eine erheblich (bis achtfach) höhere Rotverschiebung als NGC 7603 auf. Die Wahrscheinlichkeit für eine lediglich zufällige Anordnung der vier Objekte berechnet sich zu weniger als 10-9. (López-Corredoira & Gutiérrez 2004)
Markarian 205. Mit der Seyfert-Galaxie Markarian 205 sind drei QSO viel höherer Rotverschiebung durch Röntgenfilamente verbunden. Die QSO passen dabei auf die Filamente wie die Teilchen in ein Puzzle (Abb. 168). (Arp 1998)
NGC 1097. Die Seyfert-Galaxie NGC 1097 zeigt ausgeprägte Aktivität in Form optischer Jets (insgesamt vier). Zwischen den beiden nördlichen Jets finden sich etwa 5 oder 6 QSO. Diese Bilden einen QSO-Überschussfaktor von ca. 20. Auch Röntgenemission von NGC 1097 zeigt Aktivität direkt in diese Richtung (Abb. 145). Da allgemein anerkannt ist, dass die Jets tatsächlich von der Galaxie emittiert wurden, sollte das nicht auch für die QSO gelten? Im Umkreis von 24 Bogenminuten um das Zentrum von NGC 1097 finden sich ausserdem etwa 40 weitere QSO. (Arp 1998)
NGC 3628 ist eine nahe ‚pekuliäre’ Galaxie, die für ihre ausgedehnte Emission von neutralem Wasserstoff bekannt ist. In ihrer Umgebung finden sich zahlreiche QSO, die teilweise anhand der Wasserstoffwolken angeordnet sind und wiederum eine Überdichte gegenüber dem gewöhnlichen QSO-Hintergrund bilden. Bemerkenswert an dieser Konstellation ist zudem ein stark rotverschobener QSO, der sehr nahe bei der Galaxie liegt und durch ein Röntgenfilament direkt mit ihr verbunden scheint. Der QSO fällt präzise auf das Ende des Filaments. (Arp 2002)
M82. Eine kompakte Gruppe von 15 QSO höherer Rotverschiebung liegen innerhalb 10 Bogenminuten um die aktive Galaxie M82. Das entspricht wiederum einer Überdichte gegenüber dem QSO-Hintergrund. Die QSO sind zudem nicht gleichmässig verteilt, sondern häufen sich an ganz bestimmten Stellen, was mit Emissionsaktivität in Verbindung gebracht werden kann (siehe Aktive Galaxien). (Burbidge et al. 2003)
Es gäbe noch unzählige weitere Beispiele für anomale Rotverschiebung. Sie sind bereits so zahlreich, dass der über 200 Seiten mächtige Catalogue of Discordant Redshift Associations (Apeiron, 2003) von Halton Arp nicht mehr alle Beispiele aufführen kann.
Rotverschiebungsperiodizitäten
Eine andere Art anomaler Rotverschiebung sind Rotverschiebungsperiodizitäten. Das sind Häufungen von Rotverschiebungswerten um ganzzahlige Vielfache eines bestimmten Wertes. Diese Art der anomalen Rotverschiebung scheint noch sonderbarer als die übrigen Anomalien, dennoch konnte sie anhand von Beobachtungen inzwischen durchaus sorgfältig geprüft werden. Die bisherigen Befunden lassen sich wie folgt zusammenfassen (Napier 2003):
- Im galaktozentrischen (=Milchstrasse als Referenzrahmen) Bezugsrahmen sind die Spiralgalaxien (siehe Galaxien) des Virgo-Haufens periodisch angeordnet mit Periode 71 km/s.
- Spiralgalaxien zerstreut über unseren Lokalen Superhaufen (siehe Grossräumige Strukturen) sind im galaktozentrischen Bezugsrahmen periodisch gehäuft mit Periode 36,2 km/s.
- QSO zeigen auch Häufungen in den Rotverschiebungswerten. Die bevorzugten Werte ergeben mit der Formel log10 (1+z) die Periode 0.089 (Karlsson). (Hinweis: (z+1) ist der dimensionslose Faktor der Frequenzverschiebung.)
Die Rotverschiebungsperiodizität ist ein subtiler Effekt, der gar nicht einfach nachzuweisen ist. Damit er sichtbar wird, braucht man sehr genau bestimmte Rotverschiebungswerte von Galaxien, die in einem bestimmten Referenzrahmen (z.B. bezüglich der Milchstrasse) ausgewertet werden müssen. Die bisher umfassendste Untersuchung wurde anhand von 97 Galaxien unseres Lokalen Superhaufens durchgeführt (Guthrie & Napier 1996). Sie soll beispielhaft näher beschrieben werden:
Die zugrunde gelegten Daten umfassten ursprünglich 6439 Galaxien unseres Lokalen Superhaufens aus einem bestimmten Galaxien-Katalog. Von diesen wurden alle Nicht-Spiralgalaxien und 34 Spiralgalaxien, die in einer früheren Untersuchung schon verwendet wurden, entfernt. Weiter wurden nur Galaxien bis zu einer Entfernung von 2600 km/s (ungefähr die Grenze unseres Superhaufens) akzeptiert und solche, deren Rotverschiebung bis auf eine Genauigkeit von 3 km/s bekannt war. Übrig blieben lediglich 97 Spiralgalaxien, die nun für die Untersuchung verwendet werden konnten. Damit war das neue Datenmaterial immerhin doppelt so umfangreich gegenüber einer früheren Untersuchung, in der nur Galaxien bis zu einer Entfernung von 1000 km/s verwendet wurden. Es stellte sich nun die Frage, bezüglich welches Referenzrahmens die Rotverschiebungswerte angegeben werden sollen. Es zeigte sich, dass die Periodizität bezüglich (bzw. sehr nahe) des Referenzrahmens unserer Milchstrasse gut sichtbar wurde (Abb. 114). Die Signifikanz des Befundes wurde anschliessend anhand eines Sets von 10 000 Monte-Carlo-Simulationen untersucht, wobei sich herausstellte, dass er höchst ungewöhnlich war. In keiner künstlichen Galaxienstichprobe gab es auch nur annähernd ein ähnliches Resultat bezüglich eines beliebigen Referenzrahmens. Die Hypothese der Nicht-Periodizität konnte anhand eines Signifikanzlevels von ~10-5 zurückgewiesen werden. In der Untersuchung zeigte sich zudem, dass das Phänomen Galaxien-Gruppen übergreifend ist, obwohl es offensichtlich bei grösserer Trennung einzelner Galaxien schwächer wird. Am stärksten ist es bezüglich Galaxien, die zu Gruppen gehören.
Anhand der Kuriosität des Befundes wurden verschiedene Störquellen für den Effekt verantwortlich gemacht. Allerdings ohne Erfolg (Napier 2003). Der Fehler müsste nämlich folgenden Anforderungen genügen:
- Er müsst den Referenzrahmen unserer Milchstrasse kennen.
- Die falschen Periodizitäten müssten über den ganzem Himmel kohärent sein.
- Wenn der Fehler in den Teleskopen zu finden ist, müsste er in allen grösseren Teleskopen vorhanden sein.
- Er müsste im optischen und Radiowellenlängenbereich tätig sein.
- Er müsste sich wie ein richtiges Signal verhalten bezüglich Präzision und Datenmenge.
Über die Ursache des Effektes lässt sich bislang kaum etwas sagen. Napier (2003) vermutet, dass die verschiedenen Periodizitäten eine Manifestation ein und desselben Effektes seien. Allerdings könnten die QSO Periodizitäten auch eine unabhängige Erklärung von den beiden anderen finden. Bedeutend ist auf jeden Fall, dass mit diesen Periodizitäten ein Effekt gemessen und bestätigt wurde, den niemand erwartet hatte und der überhaupt nicht ins Konzept unseres kosmologischen Paradigmas passt.
Wohl aus diesem Grund findet er auch kaum eine Reaktion in der astronomischen Fachliteratur. Guthrie & Napier (1996) meinten: „Falls bestätigt, würden die lang anhaltenden Thesen der Rotverschiebungsperiodizität oder ‚Quantisierung’ eine Furcht einflössende Herausforderung für das momentane kosmologische Paradigma darstellen.“ Würde man sie beispielsweise im Sinne des Hubble-Gesetzes interpretieren, so hiesse das, dass Spiralgalaxien auf konzentrischen Kugelschalen um unsere Galaxie gehäuft wären. Das würde unserer Galaxie einen ausgezeichneten Platz im Universum zugestehen und wäre darum im Rahmen des Standardmodells unakzeptabel (Verletzung des kosmologisches Prinzip). Ausserdem wurde bei irregulären Galaxien ein solcher Effekt bisher nicht nachgewiesen (Guthrie & Napier 1997).
Welche Einwände werden gegen die anomale Rotverschiebung vorgebracht?
In der Astronomie war es bisher nicht möglich, das Konzept der anomalen Rotverschiebung zu etablieren, obwohl es in der Literatur in der einen oder anderen Form seit über 30 Jahren regelmäßig diskutiert wird. Bedauernswert ist dabei, dass von Kritikern keine Versuche unternommen werden, die Phänomene zu erklären oder als nur scheinbar zu entlarven. Die mangelnde Thematisierung hat auch dazu geführt, dass die verschiedenen Thesen nur selten effektiv kritisiert wurden. Werden sie aber doch kritisiert, so sind die häufigsten Einwände:
- Es gibt kein physikalisches Modell, das die anomale Rotverschiebung erklären kann.
Diesem Einwand ist freilich zuzustimmen. Allerdings dürfen astronomische Beobachtungen nicht von diesem Kriterium abhängig gemacht werden. Bisher galten die Bemühungen der Befürworter vor allem dem Ziel, diese unverstandenen Phänomene durch Beobachtungen zu untersuchen und zu etablieren. In einigen Fällen haben sie auch das Ziel, „neue Physik“ explizit zu begründen (siehe z.B. Halton Arp).
- Das Hubble-Gesetz wurde für die meisten extragalaktischen Objekte in ausreichendem Masse bestätigt.
Auch dieser Einwand hat seine Berechtigung. Allerdings entkräftet er die Hypothese der anomaler Rotverschiebung nicht, da diese eben postuliert, dass es einzelne, spezielle Klassen von Objekten gibt (z.B. QSO), die offenbar auch einen nicht-kosmologischen Rotverschiebungsanteil haben und damit nicht dem Hubble-Gesetz folgen. Diese Ausnahmen würden die Regel quasi bestätigen. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass QSO keine leicht interpretierbaren Hubbel-Diagramme aufweisen (Abb. 169).
- Gravitationslinsen sind für die Korrelationen von Galaxien und QSO verantwortlich. (Gravitationslinsen sind Objekte mit einer sehr großen Masse, die Lichtstrahlen ablenken, die sehr nahe das Objekt passieren. Auf diese Weise ist es möglich, dass man zwei Objekte nebeneinander sieht, obwohl das eine Objekt hinter dem anderen liegt, da uns das Licht jenes entfernten Objektes über einen Umweg erreicht.)
In einzelnen Fällen ist möglich, dass Gravitationslinsen tatsächlich eine Konstellation anomaler Rotverschiebung vortäuschen. Burbidge (2001) bemerkt dazu, dass aber keines dieser Gravitationslinsenmodelle gut funktioniert; zumindest sicherlich nicht für die hellsten und nächsten Galaxien.
- Wahrscheinlichkeitsberechnungen für eine zufällige Konstellation astronomischer Objekte anomaler Rotverschiebung wurden nicht richtig durchgeführt oder Selektionseffekte seien für einzelne Phänomene verantwortlich.
Diese Kritik muss von Fall zu Fall geprüft werden und ist angesichts der überzeugenden Belege für die anomale Rotverschiebung insgesamt kaum sehr aussagekräftig. Gerade in neueren Arbeiten zu dieser Thematik waren die Bemühung sichtlich gross, solche Fehler möglichst zu vermeiden. Die aufwändigen Monte-Carlo-Simulationen bei der Rotverschiebungsperiodizität sind ein Beispiel dafür.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass diese und weitere Einwände in einzelnen Fällen ihre Berechtigung haben mögen. Zu versuchen, alle Beispiele anomaler Rotverschiebung auf diese Weise wegzudiskutieren, scheint jedoch nicht glaubwürdig. Burbidge (1996) meint dazu: "Der einzige Ausweg ist, die ganze statistische, morphologische und physikalische Evidenz, die hier diskutiert und über die während vieler Jahre berichtet wurde, einer erstaunlichen Anzahl von unkorrelierten Zufällen zuzuschreiben."
Was können wir aus den anomalen Rotverschiebungen schließen?
Die anomale Rotverschiebung ist Teil einer Debatte, die noch nicht abgeschlossen ist. Daher kann hier auch kein endgültiges Urteil gefällt werden. Es wurde aber deutlich, dass es gute Belege für diese Klasse von Phänomenen gibt, wobei die Herkunft der anomalen Rotverschiebung heute im Rahmen des Standardmodells letztlich keine Erklärung findet. Aber nicht nur der Mangel einer Erklärung ist bedeutsam, sondern auch die Tatsache, dass die anomale Rotverschiebung Auswirkungen auf das Standardmodell hat:
- Das Hubble-Gesetz wäre nicht universell gültig wie momentan angenommen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Dynamik des Universums von den Anomalien betroffen ist. Auf jeden Fall müsste beim Erstellen von Rotverschiebungskarten des Universums sorgfältig zwischen kosmologischer und anomaler Rotverschiebung differenziert werden. Dies hätte besondere Auswirkungen auf die statistische, räumliche Verteilung von QSO.
- Befänden sich die QSO nicht wirklich in der grossen Distanz nach ihrer Rotverschiebung, so wären die Modelle der Struktur- und Galaxienformation im Standardmodell neu zu überdenken. Weiter hätte man die QSO falsch interpretiert. Sie müssten im Rahmen des Standardmodells eine völlig neue Deutung finden. Die aktuelle Theorie der aktiven Galaxien wäre wahrscheinlich davon betroffen.
- Würden QSO und andere Objekte aus Galaxien ausgeworfen, wie es einige Vertreter der anomalen Rotverschiebung vermuten, wäre nicht nur die Funktionsweise von Galaxien und QSO massiv schlechter verstanden, als man heute glaubt. Es würden dadurch auch alternative kosmologische Modelle begünstigt werden wie z.B. die Quasi-steady-state cosmology.
Sollten sich also auch nur wenige Aspekte der anomalen Rotverschiebung als zutreffend erweisen, werden aller Wahrscheinlichkeit nach im Standardmodell Modifikationen nötig sein, deren Tragweiten signifikant sein könnten, wenn sie auch im Einzelnen noch nicht genau absehbar sind. Die Dynamik des Universums scheint aber im Rahmen des Standardmodells kaum betroffen, da die anomale Rotverschiebung ein Merkmal einzelner Objektklassen zu sein scheint und da es für die Ausdehnung des Universums anderweitig unabhängige Belege gibt, die von der Debatte nicht berührt werden.
Die Diskussion über die anomale Rotverschiebung kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass das Universum möglicherweise noch viel komplexer und unverstandener ist, als bisher vermutet wurde. Die Rotverschiebungsperiodizitäten sind ein eindrückliches Beispiel dafür.
Literatur
Arp H. (1998) Seeing Red: Redshifts, Cosmology and Academic Science. Apeiron.
Arp H., Burbidge E.M., Chu Y., Flesch E., Patat F., Rupprecht G. (2002) NGC 3628: Ejection activity associated with quasars. Astronomy and Astrophysics 391, 833-840.
Burbidge G. (1996) The reality of anomalous redshifts in the spectra of some QSOs and its implications. Astron. Astrophys. 309, 9-22.
Burbidge G. (2001) Noncosmological Redshifts. Publications of the Astronomical Society of the Pacific 113, 899-902.
Burbidge E.M., Burbidge G., Arp H.C., Zibetti S. (2003) QSOs associated with M82. The Astrophysical Journal 591, 690-694.
Guthrie B.N.G., Napier W.M. (1996) Redshift periodicity in the local supercluster. Astronomy and Astrophysics 310, 353-370.
Guthrie B.N.G., Napier W.M. (1997) Quantized Redshifts: A Status Report. J. Astrophys. Astr. 18, 455-463.
López-Corredoira M. & Gutiérrez C.M. (2004) The field surrounding NGC: cosmological or non-cosmological redshifts? Astronomy and Astrophysics 421, 407-423.
Napier W.M. (2003) A Statistical Evaluation of Anomalous Redshift Claims. Astrophysics and Space Science 285, 419-427.
Zhu X.-F., Chu Y.-Q. (1995) The association between quasars and the galaxies of the Virgo cluster. Astron. Astrophys. 297, 300-304.
Weitere Fragen zu diesem Thema
Das Licht von den fernsten Objekten im Kosmos benötigt teilweise viele Milliarden Jahre, um uns zu erreichen. Muss das Universum genauso alt sein, weil wir dieses Licht ja sehen können?
Autor: Studiengemeinschaft Wort und Wissen, 20.10.2004
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